Low Intensity Warfare -
Krieg der niederen Intensität

Der US-Imperialismus in der Krise
Die von den herrschenden Kreisen der USA etablierte Nachkriegsordnung
mit dem Dollar als Leitwährung und den, die Weltwirtschafts- und die
politische Ordnung regulierenden Institutionen wie die Weltbank und
der Internationale Währungsfond sicherten die Hegemonialstellung der
USA als führende wirtschaftliche und militärische Macht der Welt. Ihre
wirtschaftliche Spitzenposition verloren die USA aber in den letzten
beiden Jahrzehnten mehr und mehr. Gigantische Handelsbilanzdefizite
und der Dollarkursverfall sind Anzeichen für die abnehmende
Konkurenzfähigkeit von nordamerikanischen Produkten auf dem Weltmarkt.
Verantwortlich dafür sind 1. das geringe Produktivitätsniveau bei
langsamer technischer Innovation und hohen Löhnen, 2. die schnellere
Entwicklung der konkurierenden Kapitalfraktionen Westeuropas und
Japans und 3. das stärkere Unabhängigkeitsstreben der
"Entwicklungsländer" und die wachsende Konkurrenzfähigkeit der
Schwellenländer bei bestimmten Produktionen wie z.B. der
Manufakturindustrie. Die Kräfte, die sich mit dieser Entwicklung nicht
abfinden konnten, die Neokonservativen und die Neue Rechte, die mit
Ronald Reagan an die Macht kamen, reagierten nach der Devise "das
Imperium schlägt zurück". Innenpolitisch folgte daraus die Senkung des
Lohnniveaus und die radikale Senkung der Sozialausgaben.
Außenpolitisch bedeutete dies einerseits eine aggressive, expansive
Politik gegenüber den Staaten des Warschauer Vertrages gepaart mit dem
Versuch, über militärische Innovationen, z.B. dem SDI-Programm, wieder
die technische Weltmacht Nr. 1 zu werden, andererseits eine aktive und
präventive Counterinsurgency-Politik, d.h. Bekämpfung der nach
Loslösung aus neokolonialer Abhängigkeit strebenden
Befreiungsbewegungen und Staaten der drei Kontinente Afrika, Asien und
Latainamerika.
Im wesentlichen betreiben die USA zur Zeit folgende Politik gegen die
Länder des "Trikonts":
- Sie werden dazu benutzt, das Konfliktniveau in der Ost-West
Auseinandersetzung zu manipulieren.
- Sie werden zunehmend durchkapitalisiert mit den fatalen Folgen der
Vernichtung der Subsistenzwirtschaft. Die ungerechten
Austauschverhältnisse auf dem Weltmarkt führen über die Verschuldung
in eine kaum zu überwindende Abhängigkeit, die Umstrukturierungskosten
der US-Wirtschaft werden zu wesentlichen Teilen durch die armen Länder
finanziert.
- Die inneren Ursachen revolutionärer Bestrebungen in den oftmals
vorkapitalistischen Gesellschaften werden zumindest in der offiziellen
Propaganda geleugnet, stattdessen wird in der Regel die
sowjetisch-kubanische Verschwörung als Erklärungsschema verwendet.
"Heute befindet sich jedes vierte Land der Welt im Krieg. In praktisch
jedem Fall verbirgt sich das Gesicht dieser Kriege hinter einer Maske.
Und in praktisch jedem Fall verbergen sich hinter dieser Maske die
Sowjetunion und diejenigen, die ihre Arbeit besorgen." l
- Gleichzeitig werden "Demokratisierungen" von Rechtsdiktaturen, d.h.
die Machterhaltung der alten Eliten und des Militärs bei
gleichzeitiger Integration bürgerlicher Schichten von den Philippinen
bis Südkorea, von Argentinien bis Guatemala initiiert. Mit diesem
Schritt einer modernisierten präventiven Konterrevolution wollen die
Strategen des US-Imperialismus das Erstarken der revolutionären Kräfte
aufhalten.
Low Intensity Conflict-Strategie, Krieg bis ins Jahr 2000
Manifestiert hat sich diese aktiv (Beispiel Nicaragua) und präventiv
(Beispiel El Salvador) konterrevolutionäre Politik in der
Low-Intensity-Conflict-Strategy (LICS) oder dem Krieg der niedrigen
Intensität. Folgende Arbeitsdefinition wird von der US-Armee
verwendet: "Die LIC-Strategie (bekannt als die Reagan-Doktrin, d.V.)
ist die begrenzte Anwendung von politisch-militärischer Gewalt, um
politische, soziale, ökonomische und psychologische Ziele zu
erreichen." 2 Die begrenzte Anwendung von Gewalt senkt die
Interventionsschwelle für die USA und gleichzeitig die Gefahr, in
einen konventionellen Krieg verwickelt zu werden. Das aktuelle
Laboratorium für diese Art der unkonventionellen Kriegsführung ist
Zentralamerika. Die dort gewonnenen Erkenntnisse dienen zur
Verfeinerung und Weiterentwicklung der Doktrin. Mit anderen Worten,
bereits heute führen die USA einen regionalen Krieg im Rahmen der
LIC-Strategie nicht nur gegen Nicaragua mit Hilfe der Contras, sondern
mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung in allen Ländern des Isthmus.
US-amerikanische Militärstrategen unterscheiden zwischen vier
Kategorien zwischenstaatlicher Beziehungen, Frieden, Krieg der
niedrigen Intensität, Krieg der mittleren Intensität (erklärter,
konventioneller Krieg) und Krieg der hohen Intensität (taktischer und
strategischer Atomkrieg). 3 Die LIC-Strategie ist langfristig und
regional angelegt, was die Galleonsfigur der US-Rechten, Jeanne
Kirkpatrick so beschreibt: "Die US-Öffentlichkeit wird ihre Ansicht
ändern müssen, daß Frieden normal und Krieg und Gewalt die Außnahme
sind." 4 (Gemeint sind damit vor allem Zustände der verlängerten
indirekten US-Intervention). Der militärische Sieg wird in der
LIC-Strategie nicht traditionell als Gewinn von Territorium definiert,
sondern als "gewünschte Verhaltensänderung in der Zielgruppe der
Bevölkerung". 5 Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Kriegsbegriff
vom rein Militärischen in andere Bereiche ausgeweitet, auf die
Ökonomie, die Psychologie und die Politik, eben als "Totaler Krieg auf
Graswurzelebene", 6 so der LIC-Experte Oberst Waghelstein.
LIC-Strategie ist "politische, ökonomische und psychologische
Kriegsführung, wobei das Militärische oft an vierter Stelle kommt". 7
Die militärische Ebene wird bewußt an vierter Stelle genannt, denn, so
Waghelstein "wann immer wir US-Streitkräfte in eine LIC-Situation
verwickeln müssen, haben wir strategisch die Initiative verloren." 8
Es geht also um die Verhinderung einer revolutionären Dynamik, deren
Entwicklung ein konventioneller Eingriff der US-Armee sicher fördern
würde.
In der LIC-Strategie soll die Konkurrenz zwischen nichtstaatlichen
humanitären Institutionen, dem staatlichen Entwicklungshilfedienst
(AID) und dem Militär aufgehoben werden. Oberstleutnant Caldon vom
US-Südkommando in Panama hat dies erkannt. "Zu häufig ertappen wir uns
dabei, die gleichen Fehler der Geschichte zu wiederholen, nämlich
indem wir versuchen, die Maßnahmen, die der inneren Verteidigung
dienen, und die Maßnahmen, die der inneren Entwicklung dienen,
voneinander zu trennen. Aber sie können nicht getrennt werden. Sie
müssen als Ganzes betrachtet und verfolgt werden... Was wir heute in
Zentralamerika brauchen ist, diese Maßnahmen alle zusammenzubringen."
9 Eine Koordinierung der unterschiedlichen am Kriege beteiligten
Institutionen und eine Umstrukturierung der US-Streitkräfte sind also
eine Voraussetzung wirkungsvoller Maßnahmen in der umfassenden
Strategie. Militärische Institutionen wie das
Verteidigungsministerium, die Special Operation Forces (die
Spezialeinheiten der US-Armee für unkonventionelle Kriegsführung), die
CIA, die staatliche Informationsbehörde (USIA), zivile Ministerien,
das Außenministerium, die Agency for International Development (AID)
und auch nichtstaatliche Organisationen der Neokonservativen und der
Neuen Rechten wie z.B. die antikommunistische Weltliga, die Freunde
Amerikas (FoA), die Söldnergruppe Soldiers of Fortune werden durch den
nationalen Sicherheitsrat der USA koordiniert. In Reagans Amtszeit
wurden sogenannte "interagency groups" im Verteidigungs- und
Außenministerium sowie dem nationalen Sicherheitsrat eingerichtet. Dem
Außenministerium fiel beispielsweise die Terrorismusbekämpfung zu.
Durch eine Direktive des nationalen Sicherheitsrates unter Reagan
(NSDD-138, April 1984) wurde Terrorismus als Bestandteil des Krieges
definiert, der mit der LIC-Strategie bekämpfbar sei. Bis Oktober 1983
(Anschlag auf die US-Marines in Beirut) wurde "Terrorismus" unterhalb
der Kriegsschwelle eingestuft. 10 Das Außenministerium richtete
daraufhin zwei Büros ein: das Sicherheitsbüro, zuständig für
US-Staatsbesitz und Personal im Ausland und das Büro zur Planung in
Notfällen und für antiterroristische Maßnahmen, in dem die
interministerielle Gruppe zur Terrorismusbekämpfung (IG/T) tagt. ll
Ihr gehören als permanente Mitglieder an: Der Nationale
Sicherheitsrat, das Verteidigungs-, Energie-, Justiz-, Handels- und
Luftfahrtministerium, die CIA, das FBI, die Nationale Drogenpolizei
(DEA), der Vereinigte Generalstab und das Büro des Vizepräsidenten.
Die Aufgabe der IG/T ist es, passende Aktivitäten für ein bestimmtes
Land auszuwählen und diese mit den Aktivitäten anderer staatlicher
Institutionen zu koordinieren. Der Chef der Gruppe, Robert Oakley
setzt auf LIC-Strategie: "Militärische Aktionen benötigen nicht
notwendigerweise amerikanische Kräfte. Deshalb legen wir so großen
Wert auf Polizei- und Militärausbildung in anderen Ländern." 12 Diese
"Argumentation" überzeugte auch den Kongreß, ein Gesetz zur
Terrorismusbekämpfung in Zentralamerika zu verabschieden.
Gleichzeitig wurden 21 Mio. Dollar für Polizei- und Militärausbildung
in El Salvador, Guatemala, Honduras und Costa Rica bewilligt. 13 In
diesem "demokratischen" Befriedungsprozeß im Rahmen der LIC-Doktrin
mischt übrigens auch die Bundesrepublik kräftig mit. 5 Mio. DM
Ausbildungshilfe und 5.35 Mio. DM Ausrüstungshilfe erhielt Guatemala
1987 aus BMZ-Mitteln für den Ausbau seiner Polizei. 14 Die
Verpolizeilichung von Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen folgt der inneren
Logik der LIC-Doktrin. Gut ist es, einheimische Truppen statt
US-Militär gegen Aufständische einzusetzen, besser ist es, Polizei
statt Militär gegen soziale Bewegungen in den Großstädten einzusetzen,
und am besten ist es, die Bevölkerung in "Zivilpatrouillen" auf sich
selbst aufpassen zu lassen.
Die politische Ebene der LIC-Strategie
In Sonntagsreden hört sich die Politik der USA gegenüber den Ländern
des Trikonts in der Regel so an: "Unsere Politik ist es, Demokratie,
Reform und Menschenrechte zu fördern ..., um ein Sicherheitsschild
gegen die, die mit Gewalt Tyrannei zu verbreiten versuchen, aufzubauen
... Die vitalen Interessen unserer Nation und unsere moralische
Verantwortlichkeit fordern uns, zu unseren Freunden in ihrem Kampf um
Freiheit zu stehen." 15
Die Politik der USA auf dem Isthmus orientiert sich jedoch wenig an
bürgerlichen Demokratievorstellungen, wichtiger ist die Orientierung
an der LIC-Strategie. Dr. Sam Sarkesian, ein führender Experte auf
diesem Gebiet, bringt es auf den Punkt: "Die nationalen Führer (der
USA, d.V.) und die Öffentlichkeit müssen verstehen, daß Konflikte
niederer Intensität sich nicht in demokratische Taktiken und Stategien
einfügen. Revolution und Konterrevolution entwickeln ihre eigene Ethik
und Moral, die alle Mittel zur Erlangung des Erfolges rechtfertigen.
Überleben ist die letztendliche Moral." 16 So ist es kein Wunder, daß
vom ersten Tag der Befreiung Nicaraguas durch die FSLN, ja sogar
bereits davor, die Sicherheitspolitiker der USA nur der Gedanke
bewegte, wie die Sandinisten am wirkungsvollsten beseitigt werden
könnten. Die herrschenden Kreise der USA waren nie an einer
Verhandlungslösung der Konflikte in Zentralamerika interessiert. Ihr
Ziel ist der langfristige Sieg über, nicht der Kompromiß mit den
revolutionären Kräften der Region. "Das Ziel von Verhandlungen ist es,
unsere nationale Sicherheit und unsere nationalen Interessen zu
sichern. Wir werden keine unserer eigenen Interessen in Zentralamerika
wegverhandeln. Wir werden das brutale, kommunistische Regime in
Nicaragua nicht akzeptieren." 17
Falls also Verhandlungen zwischen den USA und Nicaragua geführt werden
sollten, so sind sie als Bestandteil der LIC-Strategie zu betrachten
und dürften von US-Seite wohl kaum über die Forderung nach der
Kapitulation der Sandinisten hinausgehen, es sei denn, die
Kräfteverhältnisse in den USA veränderten sich. So befinden sich die
fortschrittlichen Kräfte Zentralamerikas, vor allem aber die
Sandinisten nach dem mittelamerikanischen Friedensabkommen von
Esquipulas, dem sog. Arias-Plan in dreifacher Gefahr:
1. Die sandinistische Regierung soll in einen Anpassungsprozeß
gedrängt werden, die Befreiungsbewegungen El Salvadors und Guatemalas
auf einen institutionellen Kompromiß und die Aufgabe des bewaffneten
Kampfs festgelegt werden mit der Aussicht auf Entwicklungshilfe vor
allem aus EG-Staaten für Zentralamerika.
2. Esquipulas II eröffnet der "Inneren Front" Nicaraguas
unbeschränkten Entfaltungsspielraum.
3. Esquipulas II könnte die politischen Voraussetzungen für eine
militärische Lösung verbessern, indem Nicaragua und den
Befreiungsbewegungen URNG und FMLN Bedingungen diktiert werden, die
für diese unannehmbar sind. Damit wäre die Schuldfrage geklärt. Die
Situation Ende 1987 deutet diese Möglichkeit an. Obwohl es nicht dem
Vertrag entspricht, lassen die USA durch den von ihnen völlig
abhängigen Staatspräsidenten von Costa Rica, Arias, den Vertragstext
dahingehend umdeuten, daß die Sandinisten mit den Contras direkte
Verhandlungen aufzunehmen hätten. 18 Direkte Verhandlungen mit den
Contras, einem "Instrument der US-Regierung, speziell der CIA", 19
sind sinnlos. Wenn die Contras gegen einen Waffenstillstand sind, d.h.
im laufenden Friedensprozeß trotz Amnestie weitermorden 20, so heißt
das nur, daß die Regierung der USA gegen einen Waffenstillstand ist.
Ebenfalls dafür spricht die Drohung von US-Außenminister Shultz, den
Contras 1988 offiziell 270 Mio. US Dollar zukommen zu lassen.
Die "innere Front" Nicaraguas kann sich durch die Aufhebung des
Ausnahmezustands frei entfalten und damit zur inneren Destabilisierung
Nicaraguas beitragen. Mit der bestens aus dem Ausland - z.B. auch
durch die Konrad-Adenauer Stiftung 21 - finanzierten "Inneren Front"
sind die Kirchenhierarchie, die Christlich-Soziale Partei (PSC), der
Unternehmerverband COSEP, die kleinen, "gelben" Gewerkschaftsverbände
CUS und CTN, die "Menschenrechtsagentur" CPDH und die CIA-beeinflußte
Zeitung "La Prensa" gemeint. So rief der Vorsitzende von COSEP,
Enrique Bolanos auf einer Versammlung von Kirchenleuten, Unternehmern
und Oppositionsparteien in Matagalpa dazu auf, "die Sandinisten zu
stürzen und eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden." 22
Die ökonomische Ebene
Alle Länder Mittelamerikas stecken in einer tiefen strukturellen
Wirtschaftskrise, die durch die neokoloniale Abhängigkeit von den
westlichen Industrienationen und dem dramatischen Rückgang der
Rohstoffpreise bei steigenden Preisen für Industriegüter auf dem
Weltmarkt gekennzeichnet ist. Bei der Vergabe von Wirtschaftshilfe an
diese Länder wird aber nach politischen und militärstrategischen
Gesichtspunkten und nicht nach den Eckdaten der Ökonomie entschieden,
da auch das Feld der Ökonomie durch die LIC-Strategie ein zentraler
Kriegsschauplatz in Mittelamerika geworden ist. Daher verwundert es
nicht, daß die Eckpfeiler der US-Wirtschaftspolitik die Förderung der
Verbündeten in enormem Umfang durch die Gewährung von Krediten und
Entwicklungsprogrammen einerseits und das Embargo und die
Wirtschaftssabotage gegen den Kriegsgegner, speziell Nicaragua
andererseits, darstellen. El Salvador als am meisten gefährdeter
Verbündeter erhielt 1987 sensationelle 752 Mio. Dollar Wirtschafts-
und Militärhilfe aus den USA. 23 Auch Hilfe der Bundesrepublik hat für
El Salvador strategische Bedeutung. Von den 148 Mio. DM
Entwicklungsgeldern werden unter anderem Kommunikationssysteme mit
militärischer Bedeutung gefördert. 24 Alle Entwicklungshilfe soll nach
dem Willen der salvadorenischen Militärs für den Befriedungsplan
"Unidos para reconstruir" (Vereint zum Wiederaufbau) verwendet werden.
Honduras stand Ende 1987 in Verhandlungen mit den US-dominierten
Institutionen Weltbank, IWF und Interamerikanischer Entwicklungsbank
über die Vergabe von Krediten von insgesamt 770 Mio. Dollar 25. Ohne
die ständigen Geldinfusionen wären diese Staaten bereits bankrott, ein
Zustand, der sicher nicht dem angestrebten Ziel der Befriedung
dienlich wäre. Die Gelder werden u.a. für Civic-Action Programme
(etwa: Zivile Aktionen) verwendet, d.h. für interne
Entwicklungsprogramme, die zur "Nationbuilding" (etwa: Schaffung
guerillafeindlicher Strukturen durch den Aufbau von staatstragenden
Institutionen) beitragen sollen. Wesentliche Ziele der Civic-Action
beinhalten, so der LIC-Kritiker Tom Barry: 1. Die Verbesserung der
öffentlichen Meinung über das Militär, 2. die Verbesserung der
Lebensbedingungen auf dem Lande und 3. die Förderung des Aufbaus
starker nationaler Institutionen, die in der Lage sind, internen
revolutionären Herausforderungen zu widerstehen. 26
Der Wirtschaftskrieg gegen Nicaragua dagegen ist allumfassend: Erstens
erhält Nicaragua im Gegensatz zum bankrotten Honduras keine Kredite
internationaler Kreditinstitute mehr. 27 Zweitens besteht seit Mai
1985 ein totales Wirtschaftsembargo der USA gegenüber Nicaragua mit
verhängnisvoller Wirkung auf die von US-Technik abhängigen Sektoren.
Die direkten Kosten des Embargos beliefen sich nach Angaben des
nicaraguanischen Außenhandelsministeriums im ersten Jahr auf 93 Mio.
Dollar. 28 Die Entwicklungshilfe der Nato-Verbündeten wurde
eingeschränkt bzw. völlig gestoppt, in der BRD sogar noch unter
sozialliberaler Regierung. Drittens ließ die CIA gezielt
Wirtschaftssabotage gegen unersetzliche Anlagen betreiben, wie z.B.
die Verminung der Häfen und der Angriff auf Nicaraguas einzige
Raffinerie. Die Verminung der Häfen war so stark CIA-dominiert, daß
nicht einmal nicaraguanischen Rebellen beteiligt waren. 29 Fünftens
ist ein Hauptziel des Low-Intensity Krieges durch die Contras die
Verhinderung einer ökonomischen Entwicklung Nicaraguas. Die Schäden
des Krieges belaufen sich für den Zeitraum von 1981-87 nach
nicaraguanischen Angaben auf insgesamt 1,715 Mrd. Dollar. 30 Die
inflationären Dekompensationserscheinungen und Angebotsverknappungen
auf dem Binnenmarkt lassen sich wiederum sinnvoll einbringen in die
Desinformationskampagnen im Rahmen der psychologischen Kriegsführung.
Die psychologische Ebene
Die Aufgabe der Public Relation und der Psychokrieg
Das operative Moment der LIC-Strategie stellt die Bevölkerung der
Länder dar, der Sieg die gewünschte Verhaltensänderung. Von daher
erhalten Desinformationsprogramme in Mittelamerika vorrangige
Bedeutung. "Public Relation Programme sollten sowohl in dem
betreffenden Land wie auch zu Hause erfolgen, um zu zeigen, daß der
Konflikt von dem Westen feindlich gesonnenen Kräften verursacht ist."
31 Die Medien für die PR-Programme sind die in Honduras und Costa Rica
installierten Contrasender "Radio 15. September", "Radio Impacto",
"Radio Liberacion", noch einige kleinere Sender und innerhalb
Nicaraguas die mit Methoden der unterschwelligen Beeinflussung
arbeitende rechtsoppositionelle Zeitung "La Prensa" und das "Radio
Catolica" der Kirche. In den USA mußten sich die Befürworter des
Kriegs gegen Nicaragua immer gegen eine liberaldenkende Opposition
durchsetzen. "Die US-Öffentlichkeit ist eines der Hauptziele der
Low-Intensity-Kriegsführung." 32
Gleichzeitig mußte das zerbrechliche Rechtsbündnis der
Reagan-Administration gestärkt werden. "Das Image von Zentralamerika
unter der Attacke von gottlosen Kommunisten wurde geschaffen, um die
schwankende Allianz zu retten. Die neue religiöse Rechte betrachtete
Nicaragua als die zentrale Schlacht im heiligen Krieg um die
Verteidigung des christlichen Westens." 33
Gegen das "am meisten Besorgnis erregende Problem", den "Kampf um die
Hirne der Menschen in den USA" 34, entstand als praktisches
Gegengewicht zur liberal-demokratischen Opposition eine
publicityträchtige Spendenkampagne der Neokonservativen und Neuen
Rechten zur Unterstützung der "Freiheitskämpfer". Diese Kampagne
sollte den Eindruck eines öffentlichen Konsenses innerhalb der USA
erwecken. Die US-Regierung benützte ihre Macht dazu, auf zweifelhafte
Reportagen gestützte Diffamierungen der Sandinisten und der
Befreiungsbewegungen medienwirksam einzusetzen. Der CIA-Agent David Mc
Michael quittierte seinen Dienst, weil er keine Anhaltspunkte für
unterstellte Waffenlieferungen Nicaraguas an die FMLN in El Salvador
finden konnte. Diese Behauptung diente und dient der
Reagan-Administration immer wieder dazu, Gelder für den Contrakrieg im
Kongreß durchzusetzen. 35 Die Inhalte der Diffamierungen sind
besonders ausgewählt und sollen spezifische Wirkungen haben, so z.B.
der Begriff "Terrorismus". Bereits 1981 hatte der Begriff
"Terrorismus" den Begriff Menschenrechte als Eckpfeiler der
US-Außenpolitik ersetzt. 36 Die Revolutionen der geopolitisch
unbedeutenden Länder Zentralamerikas stellen objektiv keine Gefährdung
der nationalen Sicherheit der USA dar. Deshalb ist es schwierig, eine
breite öffentliche Unterstützung für die menschenverachtende,
imperiale Aufstandsbekämpfungspolitik der USA in Ländern wie Guatemala
oder El Salvador zu finden. Der Begriff "Terrorismus" soll diese
angebliche Bedrohung für jeden einzelnen US-Bürger erfahrbar machen
durch das Schüren irrationaler Ängste.
Im Frühjahr 1985 eskalierte die "Terrorismus"-Rhetorik gegenüber
Nicaragua und der FMLN in El Salvador. Der Miami Herald publizierte
einen Bericht, in dem Nicaragua Verbindungen zu den Roten Brigaden,
der RAF, der ETA und der PLO nachgesagt wurden. 37 Nach der
Erschießung von vier Marines in San Salvador im Juli 1985 begannen
"Regierungsmitglieder, die salvadorenischen Guerillas und ihre
vorgeblichen Unterstützer in Nicaragua als Terroristen zu bezeichnen,
um jeden zukünftigen Militärschlag unter dem rhetorischen Regenschirm
der Reagankampagne gegen den Terrorismus zu bekommen ... Wir haben
alles Recht, gegen Terroristen vorzugehen." 38 Für antiterroristische
Maßnahmen ist es eben leichter, eine breite Unterstützung zu bekommen
als für schmutzige Aufstandsbekämpfung.
Mit der gleichen Logik verhängte Ronald Reagan am 1.5.85 bei seinem
BRD-Besuch wegen der "außergewöhnlichen Bedrohung Nicaraguas für die
Sicherheit der USA" 39 ein vollständiges Handelsembargo gegen den
"Country-Club für Terroristen". 40 Die Terrorismuskampagne gegen
Nicaragua wurde noch erweitert um den Begriff "Narcoterrorismus".
"Alle amerikanischen Eltern werden empört sein, daß führende
nicaraguanische Regierungsmitglieder tief in den Drogenhandel
verwickelt sind 41", so Ronald Reagans Behauptungen, die längst
widerlegt wurden.
Die Schaffung des Begriffs "Narcoterrorismus" und seine Verwendung
gegen Nicaragua hatte mehrere Vorteile: Erstens sollte das
"anständige" Amerika der "moralischen Mehrheit" über eine
Dämonisierung der Sandinisten als Drogendealer - als Bedrohung für die
eigenen Kinder sozusagen - die Kriegspolitik gegen Nicaragua
gutheißen, zweitens wird eben dieser Krieg als Maßnahme der
Selbstverteidigung und des Schutzes der Kinder vor Drogen legitimiert
und drittens wird von den Verwicklungen der CIA und der Contras in
Kokain/Waffengeschäfte abgelenkt. 42 Allein aus dem Kokain-Kartell in
Medellin, Kolumbien, erhielten die Contras 10 Mio. US Dollar. 43
Ein anderes Beispiel für eine psychologische LIC-Operation ist die
sogenannte Menschenrechtskampagne. Die Menschenrechtskampagne, d.h.
die fortwährenden Vorwürfe gegen Nicaragua wegen angeblicher
Kirchenverfolgung und Folterungen, war mehr für die WesteuropäerInnen
bestimmt. Sie diente als zentrales Argument, um die von einzelnen
westeuropäischen Ländern noch immer geleistete Entwicklungshilfe und
die an Bedeutung gewinnende Nicaragua-Solidarität, zwei strategische
Faktoren im Krieg, moralisch und medienwirksam angreifen zu können.
(Siehe dazu: "Menschenrechtskampagne") In den USA ist diese Kampagne
weniger erfolgreich wegen der intensiv arbeitenden unabhängigen
Menschenrechtsgruppen wie "Witness for Peace", "Washington Office of
Latin America", "Americas Watch" und anderen. Außerdem bekennt sich
die US-Regierung im eigenen Land viel offensiver zu den imperialen
Grundlagen ihrer Politik. "Mit der Menschenrechtssituation im
somozistischen Nicaragua oder derzeit in El Salvador konfrontiert,
dürfen wir nicht nur an die interne Situation denken, sondern müssen
überlegen, wie das fragliche Land in das System der Ost-West
Beziehungen eingefügt ist. Ich kann hier bestätigen, daß die Regierung
ihre Menschenrechtspolitik in den Ost-West Kontext stellt ..." 44, so
der Unterstaatssekretär im US-Außenministerium Elliot Abrams.
"La Prensa", Desinformation und unterschwellige Propaganda
Nachdem wir die psychologische Kriegsführung in den USA und in
Westeuropa im Rahmen der LIC-Strategie untersucht haben, wenden wir
uns der "Inneren Front" Nicaraguas zu. Die Oppositionszeitung "La
Prensa" arbeitet dort - zensiert oder unzensiert - mit den
CIA-Techniken der Desinformation. Desinformation bedeutet Propaganda
in Nachrichtenform verpackt, und damit als solche nicht ohne weiteres
zu erkennen, unterschwellige Beeinflussung bedeutet die Veränderung
von Affekten und Gefühlen der Lesenden, ohne daß sie sich dessen
bewußt werden. Diese Techniken existieren bereits seit Jahrzehnten,
sie wurden von der LIC-Strategie übernommen und perfektioniert. Daß
"La Prensa" nicht nur CIA-Techniken verwendet, sondern unter direkten
Einfluß der "Company" steht, weiß auch der ehemalige FDN-Sprecher
Edgar Chamorro zu berichten: "Sehen Sie sich die Zeitung an: den
Titel, die Aufmachung. Da steht eindeutig die CIA dahinter. Sie
bringen Meldungen, die das Scheitern des mittelamerikanischen
Friedensplans zum Ziel haben." 45
Kurz nach dem Sieg der Sandinisten wechselten etwa 70% der Belegschaft
von "La Prensa" zum neugegründeten, prosandinistischen "Nuevo Diario".
Die Art der Berichterstattung und das Lay-Out von "La Prensa" änderten
sich völlig, aus einer eher konservativen Zeitung wurde ein
Sensationsblatt. Die Hauptschlagzeilen erhalten negative lnhalte: das
wirtschaftliche Chaos, (geschaffen durch die ökomische Kriegsführung
der USA, durch Embargos usw.) und das soziale Chaos, das in Form von
immer wieder geschehenden, "irrationalen" Ereignissen wie Gewalt,
Chaos, übernatürliche Vorgänge, Omen ... auf die Titelseite gebracht
wird. Diese Aufmachung der Titelseiten, die stark an Flugblätter aus
dem Vietnam- oder dem Zweiten Weltkrieg erinnert, schafft ein Klima
der Spannung. Als nächster Schritt wird die Ideologie der Regierung
für das Chaos verantwortlich gemacht, dann die Regierung selbst,
anfangs aber nur verdeckt, d. h. in Form von Scherzen und bildlicher
Insinuation (damit ist beispielsweise das Nebeneinanderstellen von
Fotos von Regierungsmitgliedern neben ausgeprägte Negativschlagzeilen
oder Fotos von Ermordeten gemeint). Bei diesen Regierungsmitgliedern,
der Zielscheibe des Angriffs, handelt es sich meist nicht um den
Staatspräsidenten, sondern z.B. um den Außenminister Pater Miguel
D'Escoto. Er ist ein wichtiger Angriffspunkt im Hinblick auf eine
Entfremdung zwischen christlicher Bevölkerung und der Regierung. Ein
breites Mißtrauen in der Bevölkerung gegen die als moralisch integer
angesehenen Geistlichen in der Regierung wäre bereits ein wichtiger
Etappensieg für die LIC-Strategen. Bereits am 16.8.1981 berichtete "La
Prensa", daß Pater Miguel D'Escoto die katholische Kirche beschimpft
und beleidigt hätte, eine Meldung, die vom Pater kategorisch
dementiert und niemals von anderer Seite bestätigt wurde. Durch
Verwendung von retuschierten Fotos, Symbolen und Schlüsselworten
sollen mit Hilfe von Assoziationsketten die vertrauten
Persönlichkeiten mit neuen Begriffen besetzt werden (im Sinne einer
Konditionierung nach der behaviouristischen Verhaltenstherapie). "La
Prensa" veröffentlichte am 18.3.1981 ein Photo vom Außenminister, das
durch Retuschierungen sein Doppelkinn stark hervorhob, mit der
Bildunterschrift "sehr gesund und sehr optimistisch". Direkt darunter
befand sich das Foto einer Nicaraguanerin auf dem Krankenbett mit der
Überschrift: "Golgatha einer Unschuldigen. Hat unser Volk dafür
gekämpft?" Der wohlgenährte, pharisäerhafte Minister und der Kreuzweg
eines leidenden Volkes. Solche und ähnliche Parabeln werden immer
wieder unter Zuhilfenahme christlicher Symbolik - des Kreuzes und die
heiligen Jungfrau - von der "La Prensa" verwendet. Zum Symbol des
Keuzes das Handbuch der US-Armee für psychologische Operationen:
"Unter Christen ist das christliche Kreuz als Symbol wirkungsvoll,
weil es graphisch das Leiden und Sterben Christus für die Menschen
repräsentiert." Die Ziele dieser Desinformation gegen den
nicaraguanischen Außenminister sind also das Schaffen von Mißtrauen
gegen ihn, einen Vertreter der Volkskirche, und die Stärkung der
"Inneren Front" Nicaraguas durch die katholische Kirchenhierarchie. 46
Auch durch die jüngsten Entwicklungen hat sich nichts an Stil und
Inhalt der "La Prensa" verändert. Allerdings ist sie offener, da
völlig unzensiert, in die LIC-Strukturen integriert. Beispielsweise
arbeiten 4/5 der Journalisten im Dienst der Contrasender in
Tegucigalpa, San Jose und Miami. Pedro Joaquin Chamorro, der
Vorsitzende der sog. "Resistencia Nicaragüense", dem
Contradachverband, kann sich freimütig auf 3 Seiten über den
bewaffneten und unbewaffneten Kampf gegen die "sandinistische
Diktatur" 47 äußern.
Die militärische Ebene
Die "begrenzte Anwendung von militärischer Gewalt" wird in der
LIC-Strategie in dreifacher Form eingesetzt, in Form von
"Surrogatarmeen", zu denen die Armeen verbündeten Länder gehören oder
irreguläre Streitkräfte wie die Söldnertruppe der Contras, in Form von
Spezialeinheiten der US-Armee für unkonventionelle Kriegsführung, den
Special Operation Forces (SOFs) und in Form von konventioneller
Drohung durch Manöver. Wir wollen uns hier nicht den Contras zuwenden,
die ja auch als Spezialtruppe der USA betrachtet werden können,
sondern den SOFs selbst.
SOFs gibt es in allen drei Zweigen der Armee. Im Heer gehören z.B. die
Ranger und die Green Berets dazu, bei der Luftwaffe die sogenannten
Air Commandos und bei der Marine die SEAL-Truppen, d.h. leichte Teams
für den kombinierten See-, Boden- und Luftkampf. 48 Die SOFs werden
vor allem für chirurgische Schläge, "gegenterroristische" Maßnahmen,
psychologische Operationen, Manöver und im speziellen Fall Nicaragua
für den geheimen Aufbau und die Belieferung der Contras gebraucht. 49
Beispiele für chirurgische Schläge und "gegenterroristische" Maßnahmen
sind die Invasion Grenadas im Oktober 1983 oder der gescheiterte
Versuch zur Befreiung der US-Geiseln im Iran 1980. Die SOFs stellen
praktisch das militärische Rückgrat der LIC-Strategie dar. Dem daraus
resultierenden erhöhten Bedarf an Spezialeinheiten hat die US-Armee
durch einen verstärkten Ausbau der SOFs Rechnung getragen. Seit 1980
gibt es ein gemeinsames Oberkommando der SOFs in Fort Bragg
(Carolina). Die Ausgaben der SOFs haben sich seit 1981 nahezu
vervierfacht, die Anzahl der Soldaten stieg um 30% (SOF-Stärke:
weltweit ca. 30.000). Bis 1990 soll die Truppenstärke der SOFs um 80%
steigen. 50
Eine besondere psychologische Aktion der SOFs ist die Ausarbeitung und
Verteilung des Handbuchs "Psychologische Operationen im
Guerillakrieg". Dabei handelt es sich um ein überarbeitetes Handbuch
der Schule für unkonventionelle Kriegsführung in Fort Bragg, das 1968
für die Green Berets erarbeitet wurde 51. Dieses gleichermaßen infame
wie durchdachte Buch sollte die Contras zu selektiver Gewaltanwendung
gegen die Bevölkerung veranlassen. Wegen der international bekannt
gewordenen Grausamkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung "mußten sie
erzogen werden". In diesem Buch, dessen Autoren sich viel mit den
Schriften Mao Tse Tungs, Che Guevaras usw. beschäftigt haben, wird der
Charakter der LIC-Strategie besonders deutlich. Im Idealfall sollen
die Contras praktisch als politisch-militärische Kraft wie eine
Guerilla kämpfen.
Die Bedeutung der Manöver
Rund 70.000 US-Soldaten nahmen in den letzten fünf Jahren an den
Dauermanövern in Honduras teil. 52 Die Funktion der Manöver
verdeutlicht das Beispiel des "Big Pine II"-Manövers im Oktober 1983
in Honduras, das mit einem gemeinamen Vormarsch von US-Truppen,
salvadorenischen, hondurenischen und Contraverbänden auf die
nicaraguanische Grenze endete.
Diese Manöver waren nicht die Vorbereitung eines Krieges oder einer
Invasion gegen Nicaragua, wie viele im Anschluß an die Landung von
US-Truppen auf Grenada befürchteten, sie waren und sind Krieg wegen
ihrer umfassenden, spezifischen Wirkungen auf das Militär, die
Ökonomie und die Politik Nicaraguas. Sie dienten zum Ausbau der
militärischen Infrastrukur der USA in Honduras und gleichzeitig
konnten die Contras unauffällig mit dem benötigten Kriegsgerät
ausgestattet werden, was sogar der rechtsgerichtete
Lateinamerikareport zugibt. "Kürzlich mußten die US-Streitkräfte
erklären, warum so viele Waffen bei den Manövern verlorengehen.
Gerüchteweise heißt es, daß besagte Waffen auf Schleichwegen den
antisandinistischen Contras zugespielt würden." 53 Und natürlich sind
diese Manöver materielle Invasionsdrohung. Dieser durch die USA nun
schon jahrelang aufrechterhaltene Zustand zwingt Nicaragua, mehr als
50 Prozent seiner Staatsausgaben für Verteidigung auszugeben, für den
Aufbau und die Aufrechterhaltung konventioneller
Verteidigungskapazitäten. Das bedeutet eine relative Verminderung der
Mittel für die unkonventionellen Einheiten des Heeres. Gerade diese
Einheiten aber, z.B. die BLIs werden aber wegen ihrer Flexibilität und
dem regionalen Bezug zur Bevölkerung als effektivstes Mittel gegen die
Contrabanden gebraucht. Als Folge der Invasionsdrohungen mußte die
Regierung zur unpopulären Maßnahme der Wehrpflicht greifen.
Durch die hohen Verteidigungsausgaben hat sich die Versorgungslage der
Bevölkerung massiv verschlechtert, haben die Sozialprogramme Kürzungen
hinnehmen müssen. Parallel zu dem Manöver Big Pine II verteilten die
Contras Flugblätter und sendeten Radioberichte mit dem Inhalt, "daß
die Revolution nichts gebracht hätte außer Hunger und niedrigen
Löhnen." 54 Mit solchen Maßnahmen soll die Unzufriedenheit in der
Bevölkerung erhöht werden. Politisch stellten die Manöver einen
Versuch dar, den Contadora-Friedensprozeß zu blockieren. Die
Verhandlungen sollten in ihrer Bedeutung nicht über die
Invasionsverhinderung hinaus geführt werden können. Damit konnte gut
vom realen Krieg abgelenkt werden.
Low Intensity Warfare, Soft War oder Hardcore?
Die LIC-Strategie hebt die Trennung von Politik und Krieg auf, sie
bedeutet die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Im Prinzip
ist sie ein neuer Aufguß der Counterinsurgency-Politik der 60er Jahre.
Es bedurfte der neuen Begrifflichkeit, um den bitteren Nachgeschmack
der Niederlage in Vietnam zu vertuschen. Allerdings geht sie in
Zielsetzung und Methoden über die herkömmliche Aufstandsbekämpfung
hinaus. Zunächst einmal ist in LIC-Situationen der Einsatz von
konventionellen US-Truppen, anders als in der klassischen
Counterinsurgency zu Zeiten des Vietnamkriegs, nur kurzfristig und in
Ausnahmesituationen vorgesehen. "Im Low Intensity War sind keine
US-Truppen verwickelt. Außerdem kostet er nur eine geringe Summe Geld.
Es ist LOW-risk-(niedriges Risiko, d.V.) Kriegsführung mit einem
enormen politischen Profit." 55 Die LIC-Strategie ist damit also
wesentlich risikoärmer, da der Nichteinsatz von US-Kampfverbänden
antiamerikanische Stimmungen in den USA und international begrenzt. Im
Idealfall liegt der Krieg praktisch unter der Wahrnehmungsschwelle der
Weltöffentlichkeit. Nur deshalb kann er als Krieg "niedriger"
Intensität beschönigt werden. Die Bevölkerung Mittelamerikas hat bei
100.000 Toten, 2 Millionen Flüchtlingen und 3-4 Mrd. Dollar Kosten
sicherlich eine andere Wahrnehmung. Dennoch ist die LIC-Strategie die
aggressivere Doktrin, eine Neuauflage des "roll-back", da ihre
Strategen mit Hilfe der "Surrogatarmeen" die Rückgewinnung
verlorengegangener Länder erhoffen (bzw. über ökonomische Zerrüttung,
aktuelles Beispiel: Mozambique).
Die Strategie hat sich dem Stand der Technik angepaßt. Die
Möglichkeiten der Datenverarbeitung und die übergreifende
Koordinierung aller an der Kriegsführung Beteiligten durch die
"Interagency Groups" erfordern umfassende Information. Waghelstein
beschreibt das so: "Beim LIC darf man drei Dinge nicht vergessen,
Nachrichtendienst, Nachrichtendienst und Nachrichtendienst." Der
Zentralcomputer der Polizei in Guatemala Stadt ermöglicht es
beispielsweise, einen Teil der städtischen Aufstandsbekämpfung in den
Bereich des ausgebauten Polizeisektors zu verlagern. Das ermöglicht
einen präziseren und selektiveren Einsatz staatlicher Gewalt, als die
provozierenden Einsätze der Militärs. Diese Verpolizeilichung des
Krieges erleichtert es den Militärs, bei Wahrung ihrer traditionellen
Machtpositionen den Übergang zur "Demokratie" zuzulassen.
Die nun reichlich fließende Wirtschaftshilfe ermöglicht begrenzte
Reformen. Diese Reformen sind Voraussetzung für die Bildung
staatstragender Schichten, die sogenannte "Nationbuilding". Mittels
der Demokratisierung soll die Bevölkerung in Staatstragende und
Aufständische gespalten werden.
Der Erfolg der LIC-Strategien kann erst in einigen Jahren beurteilt
werden. Die fehlenden militärischen Erfolge der Contra erklären sich
nicht in einem Schema des kalten Krieges. Ihre militärische Niederlage
ist auf keinen Fall als Parameter für ihre konterrevolutionäre
Effektivität zu deuten, auch wenn sie nie eine breite Basis in der
Bevölkerung Nicaraguas erlangt haben. Welch fatale Wirkung hätte
beispielsweise ein Waffenstillstand oder der Stopp der ausländischen
Hilfe für die Contras? Die Söldnertruppe würde sich als temporäres
Problem erweisen, während beispielsweise die FMLN bei vergleichbaren
Maßnahmen niemals in ihrer Existenz gefährdet wäre.
Die unterdrückte Bevölkerung Zentralamerikas wird "Demokratisierungen"
skeptisch gegenüberstehen, solange sie in ihrem Kampf um Partizipation
dem alten Repressionsapparat ausgesetzt ist. Demokratie heißt für sie
zunächst einmal die verwirklichung der elementaren Grundrechte auf
Leben, Arbeit, Bildung, Gesundheit usw. Hier liegt die Hauptschwäche
der LIC-Strategie, aber auch jeder anderen möglichen US-Strategie,
nämlich in den unauflösbaren Widersprüchen zwischen dem Interesse des
US-Kapitals und der Bevölkerung Mittelamerikas. Die Ursache der
Befreiungskämpfe liegt nicht in einer sowjetisch/kubanischen
Verschwörung begründet - wie die Reagan- Administration so gerne ihre
Politik legitimiert - sondern in der Frage der Besitz- und
Unterdrückungsverhältnisse und der nach nationaler Unabhängigkeit von
den USA. Dies haben die LIC-Strategen richtig erkannt. Nur die soziale
Revolution kann diese Widersprüche überwinden, die LIC-Strategie dient
zur Vernebelung. Angesichts der unauflösbaren Widersprüche müssen die
USA zwangsläufig die militärische Auseinandersetzung forcieren, bzw.
den Zustand der indirekten Intervention auf unabsehbare Zeit
verlängern. Bei einer Fortsetzung der jetzigen Politik müssen wir in
den nächsten Jahren deshalb mit verschärften militärischen
Konfrontationen in Zentralamerika rechnen.
Anmerkungen
Zur Einführung ins Thema empfehlen wir besonders: Michael T. Klare.
Peter Kornbluh, Low Intensity Warfare, Pantheon Books, New York 1988
oder Jochen Hippler, Krieg im Frieden, Köln 1986
- Caspar Weinberger, The Phenomen of Low Intensity War, 14/15.1.86
zit.n. Jochen Hippler, Krieg im Frieden, Köln 1986, S. 44
- US-TRADOC, Okt. 1985, Pam 525-44
Im wesentlichen besteht ein 2-Parteienkonsens in den USA über die
Anwendung der LIC-Strategie in Zentralamerika. Ihre unterschiedlichen
Gewichtungen in der Politik ergänzen sich in der LIC-Strategie beinahe
ideal. "Die amerikanischen Konservativen achten im wesentlichen auf
zwei Faktoren, den ökonomischen und den militärischen, ..., die
Liberalen ebenfalls, auf den politischen und den sozial-gerechten.
Wenn du einen Aufstand bekämpfen willst, mußt du alle Faktoren
beachten." (LIC-Spezialist Andy Messing in einem Interview mit "Mother
Jones", April/Mai 1986). Genau dieses Zusammenkommen aller Faktoren
erreichte die Zweiparteien- oder Kissinger- kommission zu
Zentralamerika bereits im Januar 1984. In ihrem Bericht wird ganz
offen das Ziel der kontrollierten Kriege und Entwicklungsprogramme in
Zentralamerika formuliert: Wiederansiedlung der durch den Krieg
entstehenden internen Flüchtlingsmassen in kontrollierten städtischen
Quartieren, damit eine Durchkapitalisierung der Staaten durch
Vernichtung der Subsistenzwirtschaft und Ansiedlung von
Weltmarktfabriken in freien Produktionszonen an südostasiatische
Modelle angelehnt erfolgen kann.
- Military Review, Januar 1986
- Jeanne Kirkpatrick, The role of the Sovjet Union in Low Intensity
War, in: Proceedings of the LIW-Conference, 14/15.1.1986, Department
of Defense
- Robert Kuppermann Assoc., Low Intensity War, Studie für US-TRADOC,
1983, S.21
- Oberst Waghelstein, ehem. Leiter der US-Militärs in El Salvador,
zit. nach: NACLA, April/Mai 1986, S. 19
- ebd.
- General Morelli und Major Fergusson, LIW, an operational
perspective, ebd.
- Oberstleutnant Caldon, US-Südkommando, ebd.
- Jeffrey Wright, zit. n. Tom Barry, Low Intensity Conflict,
Albuquerque, USA, 1986, S. 28
Das Resource Center, Box 4506, Albuqu., NM 87 196 vertreibt
hervorragende Materialien zum LIW und zu Zentralamerika in Englisch
und Spanisch
- ebd.
- ebd., S. 29
- ebd.
- Guatemala-Komitee Berlin, Polizeiterror in Guatemala - Made in
Germany, Berlin 1987, z. bez. über Lateinamerikazentrum, Crellestraße
22, 1000 Berlin 62 (ausführliche Dokument. zum Thema)
- George Shultz, zit. n. NACLA, Juli/August 1986, S. 15
- Dr. Sam Sarkesian, zit. n. Tom Barry, a.a.O., S. 15
- General Gordon Sumner, zit. n. NACLA, April/Mai 1986, S.46
- Zusammenfassugng ,der Vereinbarungen von Esquipulas II in ILA.Info,
Dez. 1987, Tagesspiegel, 16.10.1987
- Edgar Chamorro, ehem.FDN-Sprecher, zit. n. NACLA, Juli/August 1986,
S.25
- TAZ, 23.11.1987, 20 Tote, darunter einige Kinder bei Überfällen der
letzten Tage (trotz Amnestie von 984 Häftlingen
- s. Kap. zu Stiftungen in diesem Buch
- die Tageszeitung, 26.8.1987
- Die TAZ, 2.2.1987, die USA finanzieren etwa die Hälfte des
Staatshaushalts von El Salvador (TAZ, 18.9.1987)
- IDES Nr. 336, 1.5.1987
"El Salvador bekommt von der BRD 148 Mio. DM als finanzielle und
technische Hilfe. Dieses Geld wird im Rahmen des
Aufstandsbekämpfungsplans 'Unidos Para Reconstruir' ausgegeben. So ist
die Einrichtung eines Fernmeldesystems in der Provinz La Paz
vorgesehen mit einer starken militärischen Infrastruktur. Die
Verbindung mit der Hauptstadt San Salvador, La Paz und dem
Militärflughafen Ilopango soll gerichtet werden." BMZ Förderung für
das Projekt: 13,8 Mio. DM
- IDES Nr. 363, 20.11.1987
- Tom Barry, a.a.O., S. 41
- z.B. Veto der USA in der Bank für inneramerikanische Entwicklung am
29.6.1983 auf ein Kreditgesuch Nicaraguas, Instituto de
Investigaciones Economicas y Sociales, (INIES), Cronica de una guerra
no imaginaria S. 30
- nic. Außenhandelsmin. Alejandro Martinez, zit. n. Mittelamerika
Aktuell, Nr. 20, 1986
- INIES, aaO., S.31 f
- Angaben der UNO-Vertretung Nicaraguas
- Tom Barry, a.a.O., S. 13
- ebd., S. 59.
- NACLA, Juli/ August 1986, a.a.O., S. 16
- George Tanham, ehem. Präsident der Rand Corporation, LIW-exp. zit
n. NACLA April/Mai 1986, a.a.O., S.40
- Noam Chomsky, Turning the Tide, Boston 1985, S. 110
- Alexander Haig, zit. n. NACLA, April/Mai 1986, S.40
- ebd., S. 41
- ebd.
- Chomsky, a.a.O., S. 144
- NACLA, April/Mai 1986
- Robert Oakley, zit. n. Tom Barry, a.a.O., S. 30
- ausführlich darg. in: Covert Action Information Bulletin. Who deals
Drugs?, CAIB, Nr. 28, 1987
- Die TAZ, 1.7 1987
- Elliot Abrams, zit. n. Jenseits der Propaganda, Die Lage der
Menschenrechte in Mittelamerika, Wuppertal 1987, S. 7 f
- TAZ, 31.10.1987
- Zum Abschnitt La Prensa bez. s. alle Quellen auf Fred Landis: CIA
Media Operations in Chile, Jamaica und Nicaragua, CAIB, Nr. 16,
deutsche Übersetzung Heinz Dietrich: Der Weg in den Krieg,
US-Strategie in Zentralamerika, Oberursel 1982
- Tom Barry, a.a.O., S.23
- ebd.. S. 22
- ebd., S. 23
- Joane Omang, Aryeh Neyer, Psychological Operations in Guerilla
Warfare, New York 1985, S. 28
- CIA-Agent John Kirkpatrick ebd., S.27
- Lateinamerikareport 11, 87, S. 33 (Diese Zahl ist enorm
untertrieben, allein im Herbst 1987 sind rund 50.000 US-Soldaten
eingesetzt)
- ebd.
- NACLA, April/Mai 1986, a.a.O., S. 31
- NACLA, Juli/August 1986, S. 16
mehr gibts demnaext ...
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