noam chomsky: diktatur der medien
«es ist als ob man indien fuer die globalen drogenhaendler oeffnen wuerde...»
ein interview mit noam chomsky mit der humanistischen zeitschrift
humanscape in indien ueber die diktatur der medien.
was bedeutet die globalisierung der medien generell, und was wuerde es
fuer die presse und die anderen medien hier bedeuten?
ist globalisierung ein passendes wort? waere "transnationalismus" genauer?
ich wuerde es die ausweitung "
transnationaler firmentyrannei" nennen.
das sind tyrannische, totalitaere institutionen, megafirmen. es sind
gigantische beherrschende wirtschaften, von der spitze aus geleitet,
relativ unverantwortlich, und auf verschiedenartige weise verknuepft.
ihr hauptinteresse ist profit - aber viel weitgehender als das ist es,
eine gewisse art von publikum zu erzeugen. eines, das suechtig ist nach
einem gewissen lebensstil mit kuenstlichen wuenschen. ein publikum
atomisiert, voneinander getrennt, genug fragmentiert, damit es an der
politischen arena nicht teilnimmt, um die maechtigen nicht zu stoeren.
es ist voellig natuerlich.
sehr viele zeitungsverlage hier glauben, dass sie in eine
partnerschaft eintreten und dass die indische presse vernuenftig genug
ist, (momentan, ist auslaendischer besitz in der presse verboten, aber
die situation koennte sich aendern). das ist ein witz. wenn ein lokales
restaurant sich bei mcdonald’s beteiligt, waeren sie sehr vernuenftig.
aber mcdonald’s hat die ressourcen, sie zu ueberwaeltigen und hat ein
interesse daran, sie in ihr system zu integrieren. das ist profitabler
und hilft wieder, die art des marktes zu erzeugen, die sie benoetigen.
es ist, als ob man indien fuer die internationalen drogenhaendler oeffnen
wuerde, indem man behauptet, dass die leute vernuenftig genug seien, um
zu widerstehen. ja klar, sie koennen widerstehen. aber wenn sie es auf
schulkinder abgesehen haben, mit gratis drogen, und die kinder suechtig
werden, so spielt es keine rolle wie vernuenftig du bist. tv und
werbung sind einfach kultivierte suechte, produziert um leute auf eine
bestimmte art zu kontrollieren. tatsaechlich auf eine noch
hinterhaeltigere art und weise. drogenhaendler muessen ihren stoff
verkaufen und dich davon abhaengig machen. dies dagegen erzeugt eine
bestimmte art von leuten.
ist also die hauptfunktion der medien zu verkaufen?
lebensstile zu verkaufen, werte oder prinzipien des freien marktes...
das ist ein betrug. sie glauben an die prinzipien des freien marktes
fuer andere, nicht fuer sich selber. die groesseren firmen jeder
gesellschaft, in der tat in allen fortgeschrittenen sektoren des
marktes, verlassen sich sehr stark auf staatssubventionen und
staatsinterventionen. sie wollen dir sagen, dem freien markt
beizutreten. sie selber werden es nicht machen
wie reagierten sie auf die liberalismus debatte hier, die so gefuehrt
wird, als ob das etwas neues waere?
ich war betroffen, als ich dies in der presse hier las, die idee, dass
irgendwie etwas neues am neoliberalismus ist. es gibt nichts neues am
neoliberalismus. indien hat den neoliberalismus seit 300 jahren erlebt
- weshalb es indien ist und nicht england oder die vereinigten
staaten. weshalb ihr euch von britannien geloest haben.
dass die usa keine totale marktgesellschaft ist (ist bekannt)... aber
soziale sicherheit und aehnliche interventionen sind der rand eines
systems von staatssubventionen fuer private macht. wenn man ueber die
usa als marktgesellschaft spricht ohne das pentagon zu erwaehnen, ist
es als ob man ueber die udssr spricht und das politbuero nicht erwaehnt.
das pentagon ist der massive kern des wohlfahrtsstaates fuer die
reichen. es giesst oeffentliche gelder unter der verkleidung von
sicherheit in fortgeschrittene industrie in jedem grossen sektor der
wirtschaft.
wie unterscheiden sich die arten der medien und gedankenkontrolle der
usa von solchen totalitaerer staaten?
gibt es irgendein reales meinungsspektrum in der usa?
ueber saddam hussein gab es kein spektrum. als er sich bereit erklaerte,
sich aus kuwait zurueckzuziehen, gab es eine uebereinstimmung der
medien, das nicht zu erwaehnen. darum wurde das unterdrueckt. aber es
gibt ein spektrum.... nimm das groesste thema in der amerikanischen
politik - das budget zu balancieren. die medien sagen dir, dass die
amerikaner dafuer gestimmt haetten. die republikaner wollen es in sieben
jahren und die demokraten in 7 1/2 jahren erledigt haben. das ist dein
spektrum. die mehrheit der amerikaner sind dagegen. aber ihre meinung
ist kein teil des spektrums.
uebrigens, das budget des pentagon steigt. die oeffentlichkeit ist mit 6
zu 1 dagegen, aber das macht nichts. das ist das informationssystem
und die wirtschaft, die es vertritt. dies bildet das spektrum. darin
gibt es gewisse unterschiede.
einige leute sind optimistisch ueber die moeglichkeit des internets....
mehr demokratie, weniger kontrolle. glauben sie, dass das geschehen
wird?
der zustand des internets heute ist wie der zustand der elektronischen
medien in den 1920 er jahren. in den meisten staaten wurde das radio
oder ein grosser teil davon dem oeffentlichen interesse uebergeben. so
bekommst du bbc oder "canadian broadcasting" und das ist so
demokratisch wie die gesellschaft ist. in den usa gab es einen kampf
darum. kirchliche gruppen, vereine und andere wollten ein aehnliches
system. aber sie wurden durch private macht ueberwaeltigt. und das radio
wurde groesstenteils an riesige firmen uebergeben. spaeter geschah das
gleiche mit dem fernsehen, es gab ueberhaupt keinen kampf mehr. sie
gaben es einfach der privaten macht.
jetzt hast du das internet. wie der ganze rest der modernen
technologie wurde es durch die oeffentlichkeit bezahlt, es kommt vom
pentagon und der nationalen wissenschaftsstiftung usw. wie die
computer und der rest der elektronik. die oeffentlichkeit zahlt und
dann wird es an die private macht uebergeben.
sogar bei den printmedien gab es in england und der usa frueher in
diesem jahrhundert eine grosse unabhaengige presse. in england war es
auf der ebene der kommerziellen presse. sie wurden schrittweise durch
die macht der firmen ueberwaeltigt. mit dem internet muessen wir warten
und beobachten. wird die wirtschaft machen koennen was sie will? sie
wuerden es gern in einen shopping service von zu hause aus verwandeln
und mehr leute suechtig danach machen, sogar noch staerker. nun, ein
grosser teil des volkes hat andere ideen. es wird einen kampf geben,
und man kann das resultat nicht voraussagen.
wie steht es mit dem inhalt? wie ueberall sonst gab es auch hier einen
wandel des schemas der berichterstattung: unterhaltung, das interesse
anregen, selektive skandalmeldungen. wo bleibt da der journalismus,
von der art, der ueber die heutige realitaet, oder das leben der leute
zu berichten pflegte?
nun mit den medien in der usa, in england und in europa ist es ganz
klar. der inhalt wird abgeschwaecht, reduziert und homogenisiert. so
erscheint nun die europaeische presse zunehmend eine schlechte kopie
der new york times und der washington post zu sein. es ist wie mit den
fernsehnachrichten. gesamthaft wird viel weniger geld in die
reportagen investiert. es wird unwesentlich. nun, falls sie der
besitzer des westinghouse, ein mega unternehmen und ein riesiger
inserent sind, ist es das, was sie wollen.
warum stellt sich die gebildete klasse am schnellsten hinter die von
den medien konstruierte realitaet? sagen wir, in der debatte ueber die
liberalisierung in indien?
das ist weit verbreitet. es ist natuerlich.
sagen sie damit, dass die schule und das gymnasium ein teil dieses
trainings sind?
kann es so eine totale trennung geben zwischen dem, was millionen von
leuten denken und diesem dialog?
ja. in einer von der wirtschaft gefuehrten gesellschaft. wenn man ein
paar billionen dollars fuer oeffentliche beziehungen ausgibt, will man
wissen, wie man die sachen anpacken muss, um die oeffentliche
opposition zu ueberwaeltigen...oeffentliche haltungen sind normalerweise
ganz getrennt vom spektrum der gebildeten meinung, sie weichen oft
sehr stark ab. uebrigens ueber 80 prozent der amerikanischen
oeffentlichkeit glaubt, dass es keine funktionierende demokratie gibt
und dass die regierung nur fuer ein paar spezielle interessen arbeitet.
das ist ein grund, weshalb die leute sich nicht die muehe nehmen um zu
waehlen.
wo bleiben da die journalisten, in der hauptrichtung, welche die werte
der wirtschaftsorientierten medien nicht teilen? verschwenden wir
unsere zeit?
nein. ganz und gar nicht. zum beispiel die usa. ich bin sehr kritisch
ueber die medien aber sie sind besser als vor 30 jahren. grundsaetzlich
fuehrte der aktivismus der 60er jahre zu beachtlichen unruhen, woraus
wichtige veraenderungen in der amerikanischen kultur resultierten... es
gibt immer populaere wahlkreise, die sich mit einzelnen journalisten
verbinden und die sich gegenseitig unterstuetzen. sie erhalten
informationen und geben informationen.
lohnt es sich eine art guerilla aktion zu inszenieren innerhalb eines
solchen medien systems?
es lohnt sich immer ein totalitaeres system an seine grenzen zu
bringen, offensichtlich.
es gibt diese romantisierende idee der amerikanischen medien, dass sie
den krieg beendet haetten und dass sie watergate enthuellt haetten. wie
sehen sie das?
die medien haben immer sehr viel verbreitet ueber vietnam. die medien
waren immer sehr fuer den krieg... um 1970 fanden ca. 70 prozent der
bevoelkerung, dass der krieg grundsaetzlich falsch und unmoralisch sei
und kein fehler sei, was staendig in den abstimmungen blieb bis in die
fruehen 90er jahre, als die letzten besiegt wurden. und dieser punkt
wurde praktisch nie in den medien erwaehnt. der kritischste kommentar
in den medien war der von anthony lewis von der new york times, der
auf eine art ausserhalb des spektrums war. 1969 entschied er, obwohl
der krieg mit den nobelsten absichten angefangen wurde, dass es fuer
die usa nun zu viel kosten wuerde. so hatte er sich nun gedanken
darueber gemacht, ob man nicht aufhoeren sollte.
ist es ein mythos?
ein totaler mythos. in der tat, falls es sie interessiert, ich habe
seitenweise dokumentationen, welche die berichterstattung der medien
zeigen. fall ueber fall waehrend des ganzen krieges. in den fruehen 70er
jahren zum beispiel als angenommen wurde, dass die medien ablehnend
waren, begann die usa kambodia zu bombardieren. es war die schlimmste
bombardierung von zivilpersonen in der geschichte. hundert tausende
wurden getoetet. wahrscheinlich flohen eineinhalb millionen fluechtlinge
nach pnom penh. wir wissen nichts darueber. weil sidney schanberg und
andere, die das gewissen der presse genannt wurden, in pnom penh
sassen - und sich weigerten die strasse zu ueberqueren um einen
fluechtling zu interviewen. jene waeren die falschen geschichten
gewesen.
und watergate?
watergate war eine tee-party. in der tat, watergate war fast ein
kontrolliertes experiment. die nixon administration sammelte ein paar
unbedeutende gauner, die in das hauptquartier der demokratischen
partei eindrangen, ohne bekannten grund, und entwendeten ein paar
ordner. gerade zur gleichen zeit gab es andere sachen. es gab eine
liste der feinde. privat gab nixon einigen leuten schlechte namen -
mir zum beispiel. ich war auf der liste der feinde. aber es passierte
niemandem etwas, die auf der liste der feinde waren. das ist
watergate.
zur selben zeit wie watergate, fand man heraus, dass im gericht in
klassifizierten dokumenten, unter dem gesetz der informationsfreiheit,
dass vier verwaltungen, eisenhower, kennedy, johnson und nixon nicht
nur ein paar unbedeutende gauner aufgelistet hatten, sondern die
nationale politische polizei fbi, um legale und legitime, die anderer
meinung sind anzugreifen und zu schwaechen.
der cointelpro skandal, wie er genannt wurde, bekam absolut keine
wichtigkeit. dies obwohl die fbi direkt involviert war in der
politischen ermordung von zwei schwarzen fuehrern. nicht nur erlangte
es nicht die gleiche wichtigkeit, es existierte offensichtlich auch
nicht, so wie es behandelt wurde.
wurden die nachrichten total gesperrt?
nun gut, es mag hin und wieder ein paar zeilen gegeben haben. aber es
war nicht interessant was etwas sehr einfaches zeigt. die leute der
medien interessierten sich nicht fuer demokratie oder freiheit oder
irgend etwas anderes. worum sie sich sorgten, war der schutz der macht
vor den leuten. als fred hampton, ein schwarzer organisator durch fbi
und die polizei von chicago ermordet wurde das war o.k., das war kein
problem.
aber thoma watson, der kopf von ibm... du kannst ihm nichts nachsagen,
(wie es nixon tat auf seinen tonbaendern: ps). mach das und die
demokratie wird zusammenbrechen. wenn die medien watergate als ein
beispiel ihrer gegner praesentieren, mutige charaktere, kann man sogar
kaum lachen. ferner koennen sie es nicht verstehen wenn man es ihnen
einmal sagt, weil sie so indoktriniert sind.
sie haben einen tag auf dem land in bengal verbracht. was halten sie
davon?
sehr interessant. ich habe viele laendliche entwicklungsprogramme
gesehen und dieses war sehr bemerkenswert. es gab viele
verpflichtungen und es ist offensichtlich, dass die dorfbewohner die
sachen unter kontrolle haben. sie schienen die fragen, die man ihnen
stellte sehr leicht und gut zu beantworten.
glauben sie, dass es eine demokratische selbstaendigkeit auf der ebene
eines dorfes ist?
so weit wie ich es beurteilen kann. ich meine es sah sicher so aus wie
eine sehr aktive teilnahme mit vielen leuten, die wissen was passiert
und die eifrig darueber sprechen.
nun, das ist nicht so wie es die medien hier betrachten.
nein? das ist ihr problem. aber ich kann ihnen nur sagen, was ich
gesehen habe.
ein herausgeber schrieb ueber noam chomsky: "in einer gesuenderen welt
haetten ihm seine unermuedlichen anstrengungen, die gerechtigkeit
voranzubringen schon lange den friedens nobel preis eingebracht, aber
das komitee gibt ihm weiterhin an leute wie henry kissinger".
die herausragendste gestalt der linguistik des 20. jahrhunderts, noam
chomsky lehrt am "massachusetts institute of technology (mit)" in
boston, wo er mit 32 jahren professor wurde. ebenfalls zu hause in
politischer wissenschaft, zeitgenoessischen internationalen beziehungen
und aktivismus, fuellt er die saele ueberall auf der welt - an treffen,
die oft auf jahre hinaus geplant werden.
mindestens eine amerikanische zeitung hat ihn "den wichtigsten
lebenden intellektuellen" genannt. noam chomsky ist sicherlich der von
intellektuellen am meisten zitierte lebende autor.
dennoch leidet chomsky gluecklicherweise nicht am "intellektualismus".
in einem interview mit den medien von hyderabad begann ein teilnehmer
mit einer langwierigen frage ueber den "post-modernismus". chomskys
antwort: "post-modernismus?" ich weiss nicht was das heisst. aber ich
vermute es ist etwas, dass intellektuelle sich ausgedacht haben, um
beschaeftigt zu bleiben ![]()
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