BEWAFFNE DEN GEIST!
revolutionier deinen alltag...
ehrich mühsam
die befreiung der gesellschaft vom staat
was ist anarchistischer kommunismus?
1933 - sonderheft des fanal (berlin)
"nichts von sultanen, wesiren, statthaltern, kadis,
schatzmeistern, zollpächtern, fakiren und bonzen
zu wissen, ist ein glück, wovon der größte teil
der menschheit keine vorstellung hat."
c. m. wieland
(geschichte des weisen danischmend)
I.
das weltbild des anarchismus
anarchismus ist die lehre von der freiheit als grundlage der
menschlichen gesellschaft. anarchie, zu deutsch: ohne herrschaft, ohne
obrigkeit, ohne staat, bezeichnet somit den von den anarchisten erstrebten
zustand der gesellschaftlichen ordnung, nämlich die freiheit jedes
einzelnen durch die allgemeine freiheit. in dieser zielsetzung, in nichts
anderem, besteht die verbundenheit aller anarchisten untereinander, besteht
die grundsätzliche unterscheidung des anarchismus von allen andern
gesellschaftslehren und menschheitsbekenntnissen.
wer die freiheit der persönlichkeit zur forderung aller menschengemeinschaften
erhebt, und wer umgekehrt die freiheit der gesellschaft gleichsetzt mit
der freiheit aller in ihr zur gemeinschaft verbundenen menschen, hat das
recht, sich anarchist zu nennen. wer dagegen glaubt, die menschen um der
gesellschaftlichen ordnung willen oder die gesellschaft um der vermeintlichen
freiheit der menschen willen unter von außen wirkenden zwang stellen
zu dürfen, hat keinen anspruch, als anarchist anerkannt zu werden.
die verschiedenen ansichten über die wege, welche die menschen einzuschlagen
haben, um zur freiheit zu gelangen, über die mittel, mit denen die
der freiheit widerstrebenden kräfte zu bekämpfen und zu besiegen
sind, über die endlichen formen und einrichtungen der freiheitlichen
gesellschaft bilden meinungsgegensätze zwischen anarchistischen richtungen
innerhalb der gemeinsamen weltanschauung. ihre vergleichung und abwertung
ist nicht aufgabe dieser schrift, die sich darauf beschränken will,
die grundsätze des kommunistischen anarchismus, wie sie der verfasser
und die ihm in überzeugung und kampf am nächsten stehenden anarchisten
für richtig halten, darzulegen und der werbung zu empfehlen.
die wissenschaftliche ausdeutung des begriffs kommunismus kann
hier ebenfalls unterbleiben, zumal es den kommunistischen anarchisten nicht
so sehr um eine dogmatische festlegung der austausch- und verbrauchsregelung
der von staat und kapitalismus befreiten gesellschaft zu tun ist, als um
die schaffung freiheitlicher verhältnisse im sozialismus an stelle
des von den staatssozialisten, besonders von den marxisten, angestrebten
autoritären, obrigkeitlich geleiteten und zentralistisch verwalteten
sozialismus. wir verstehen unter kommunismus die auf gütergemeinschaft
beruhende gesellschaftsbeziehung, die jedem nach seinen fähigkeiten
zu arbeiten, jedem nach seinen bedürfnissen zu verbrauchen erlaubt.
in dieser wirtschaftsform glauben wir die sozialistische grundforderung
der gleichberechtigung aller glieder der gesellschaft sicherer verbürgt
als im kollektivismus oder im mutualismus, die den anteil am gemeinsamen
erzeugnis in ein berechnungsverhältnis zur geleisteten arbeit setzen
wollen. der freiheitliche sozialismus läßt diesen verschiedenen
möglichkeiten, die alle ihre verteidiger unter anarchisten gefunden
haben, genügend spielraum. auch darüber können erst die
versuche und erfahrungen der zukunft entscheiden, in welchem umfange etwa
die freiheit der bedürfnisbefriedigung das sondereigentum an persönlichen
gebrauchsgütern erfordert. entschiedene abgrenzung aber ist geboten
gegenüber den nur individualistischen anarchisten, die in der
egoistischen steigerung und durchsetzung der persönlichkeit allein
das mittel zur verneinung des staats und der autorität erblicken und
selbst den sozialismus wie jede allgemeine gesellschaftsorganisation schon
als unterdrückung des auf sich selbst ruhenden ich zurückweisen.
sie schließen die augen vor der naturgegebenen tatsache daß
der mensch ein gesellschaftlich lebendes wesen ist und die menschheit eine
gattung, in der jedes individuum auf die gesamtheit, die gesamtheit auf
jedes individuum angewiesen ist. wir bestreiten die möglichkeit und
auch die wünschbarkeit des vom ganzen losgelösten individuums,
dessen vermeintliche freiheit nichts anderes sein könnte als vereinsamung,
mit der folge des untergangs im sozial luftleeren raum. wir behaupten:
niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind. die freiheit aller
aber und damit die freiheit eines jeden setzt voraus die gemeinschaft im
sozialismus.
sozialismus ist, wirtschaftlich gesehen, die klassenlose gesellschaft,
in welcher der grund und boden sowie alle produktionsmittel der privaten
verfügung entzogen sind, somit weder grundrente noch unternehmerprofit
noch auch die abgeltung vermieteter arbeitskraft durch lohn oder gehalt
die schaffenden hände und hirne um den ertrag ihrer mühen berauben
können. an der stelle der privaten oder staatlichen ausbeutung steht
die planmäßige gemeinsame bewirtschaftung des gemeineigentums,
an der stelle der bevorrechtigten minderheit der besitzenden jedes landes
die zum volk geeinte gesamtheit in allen ländern.
sozialismus ist über die wirtschaftliche begriffsdeutung hinaus
ein sittlicher zustand und ein geistiger wert. denn er bedeutet nicht nur
vernünftige regelung von arbeit, verteilung und verbrauch und dadurch
sättigung und befriedigung aller natürlichen bedürfnisse
des materiellen lebens nur alle; er bedeutet auch erfüllung derjenigen
sittlichen forderung, deren mißachtung die menschen schwerer beleidigt
und bei der gewöhnung tiefer herabwürdigt als hunger und jede
andere leibliche entbehrung: der forderung der gleichberechtigung. not,
elend jeder art, die last höchster anstrengung unter frühsten
verhältnissen ist zu ertragen, wenn die last unter allen gleich verteilt
ist, wenn im lebendigen gemeinschaftsgedanken das leid des einzelnen mit
dem allgemeinen leide verschmilzt und somit auch der wille, die ursachen
des unglücks zu beseitigen, aus dem gefühl der verbundenheit
aller mit allen erwächst. nicht zu ertragen jedoch ist oder sollte
wenigstens sein die not, die der ausdruck ungerechter zustände ist.
eine gesellschaft, die kinder mangel leiden läßt, die der mehrzahl
der menschen in der entwicklung, in der blüte des lebens und im alter
das genügende sonnenlicht, die reine luft zum atmen, gesunde ernährung,
erholung, reinlichkeit, pflege des körpers und ausweitung des geistes
vorenthält, um einer minderheit reichtum und macht zu gewährleisten;
eine gesellschaft, in welcher die entbehrungsvolle arbeitsüberbürdung
der einen den mühelosen wohlstand der andern schafft; eine gesellschaft,
die nicht imstande ist, allen arbeitsfähigen und nach arbeit begehrenden
menschen selbst bei kümmerlichster entlöhnung arbeit zu geben,
und die den noch beschäftigten ausgebeuteten die ganze last der erhaltung
der erwerbslosen mitsamt der last fast der ganzen kosten des der aufrechterhaltung
dieses irrsinns dienenden verwaltungsapparates aufpackt, zu dem einzigen
zweck, die soziale ungleichheit zugunsten der nutznießer des kapitalistischen
wirtschaftsverfahrens zu verewigen; kurz eine gesellschaft wie die, in
welcher wir leben, kann nicht durch bloße veränderung ihres
materiellen gefüges in eine sozialistische verwandelt werden. die
marxisten irren in der annahme, die geistigen und sittlichen eigenschaften
der menschen erständen mechanisch aus den produktionsformen der wirtschaft,
die religiösen, rechtlichen und wissenschaftlichen erkenntnisse einer
zeit seien nichts als der ideologische oberbau der materialistischen gegebenheiten.
hier findet ununterbrochene, in der reihenfolge nicht unterscheidbare wechselwirkung
statt. der kapitalismus brauchte ebensowohl geistige wie materielle voraussetzungen,
um die herrschaft über die völker anzutreten; er mußte
den geist der ihm hörig gemachten menschen durch sorgfältigen
einfluß auf erziehung und bildung willfährig halten, das unrecht
von ausbeutung und ungleichheit als schicksalhafte unabänderlichkeit
zu ertragen. so bedarf auch der sozialismus geistiger vorbereitung zur
verwirklichung und der rechtfertigung nicht allein aus seinen materiellen
vorteilen nur die mehrzahl der menschen, sondern aus seinem geistigen gehalt.
diese rechtfertigung ist aber nur möglich, wenn der sozialismus, über
seine eignung, geistige werte zu entwickeln hinaus, selbst als geistiger
wert erwiesen und erkannt wird. die erneuerung der wirtschaftlichen beziehungen
im sozialismus kann im sinne der gleichberechtigung aller nur wirksam werden
bei gleichzeitiger erneuerung der geistigen beziehungen zwischen den menschen,
wie nur erneuerte geistige beziehungen imstande sind, im wirtschaftlichen
aus dem individualismus der ungleichheit den sozialismus der verbundenheit
zu schaffen.
indem also der kommunistische anarchismus mit alten sozialistischen
lehren einig geht in der zielsetzung der wirtschaftlichen gleichheit
als grundlage des verkehrs der menschen untereinander, betrachtet er
diese gesellschaftliche umgestaltung im gegensatz zu den nur materialistisch
gerichteten lehren des marxismus nicht als einzigen inhalt seines strebens,
sondern als eine der unerläßlichen bedingungen für die
durchgreifende und alte lebensbeziehungen erfassende neuschaffung der gesellschaft
überhaupt. der begriff der gleichheit möge nicht in der bedeutung
von gleichmacherei verstanden werden. im gegenteil ist die forderung der
gleichheit nichts anderes als die forderung: gleiches recht nur alle! das
heißt: gleiche bedingungen nur einen jeden, seine anlagen zu ihren
günstigsten möglichkeiten zu entwickeln. wirtschaftliche gleichheit
besagt soviel wie ausschaltung aller aus widrigen umständen, zumal
aus mangel, erwachsenen störungen, die die entfaltung der individualität
in ihrer verschiedenheit von allen anderen individualitäten behindern.
gleichheit, als gleichberechtigung verstanden, unterbindet nicht, sondern
ermöglicht erst das wachstum der persönlichkeit. während
die kapitalistische gesellschaft das kind des reichen in seidene steckkissen
legt, es bei gewähltester körper- und geistespflege aufzieht,
ihm hohe wissensbildung zufährt und, ohne unterschied der begabung
und des charakters, ihm die berufe der herrschenden erschließt; während
sie, ebenfalls ohne unterschied der begabung und des charakters, das kind
des ammen in trüben wohnlöchern, bei wenig licht und schlechter
luft, in trauriger, gequälter umgebung von früh an den einflüssen
und eindrücken des elends preisgibt, ihm den unterricht versagt, der
den zwecken der mächtigen abbruch tun könnte, es zur knechtsgesinnung
erzieht und zur persönlichkeitstötenden arbeit zwingt, - gewährt
die gleichheit des sozialismus jedem kinde licht, luft, lust und raum zum
gedeihen aller keime, die aus natur und bewußtsein einen menschen
in seiner besonderheit und in seiner verbundenheit mit seinen zeit-, schicksals-
und artgenossen werden läßt. der kapitalismus treibt demnach
ödeste gleichmacherei in zweierlei art, solche, die für die besitzende
klasse und solche, die für die ausgebeutete klasse gilt; der klassenlose
sozialismus hingegen scham für alle menschen die gleichheit der voraussetzungen,
auf denen jede persönlichkeit in der vollen mannigfaltigkeit ihrer
einmaligen wesenheit, aber in harmonischer zusammengehörigkeit mit
dem gesellschaftlichen ganzen nach ihren fähigkeiten werte schafft,
nach ihrem bedürfnis an der benutzung des allgemeinguts teilnimmt.
erst wenn auf solche weise der grundsatz der gleichheit geistigen sinn
und sittliche erhöhung erfährt, ist er nach anarchistischer auffassung
sozialistisch gerechtfertigt. nicht auf den ausgleich ins wanken geratener
äußerlicher verhältnisse zwischen den menschen kommt es
an, sondern darauf, daß dieser ausgleich aus innerlicher notwendigkeit
unternommen wird; und nicht die ungleichheit an sich in hinlänglicher
anlaß gleichheit zu schaffen, sondern die ungerechtigkeit, die in
der ungleichheit zutage tritt. gäbe es nur materielle erwägungen,
um über die fragen des sozialen lebens zu entscheiden, wäre die
moral in der tat nur die ideologische einkleidung handfester nutzensberechnungen,
dann müßte man sich mit den kapitalisten auf die waghalsigsten
auseinandersetzungen über die zweckmäßigkeit ihres systems
einlassen. der hinweis auf hunger leidende kinder und auf alle übrigen
erscheinungen der verelendung und verwahrlosung der werktätigen klasse
könnte ja gar nicht von der notwendigkeit überzeugen, daß
ihre ursachen abgestellt werden müssen, wenn die produktionsweise
wirklich überall und immer ausgangspunkt des menschlichen denkens,
wollens und bewußtseins wäre. die produktionsweise der gegenwart
ist kapitalistisch. daß sich im materiellen dasein hieraus für
kapitalisten wie proletarier ein bestimmtes verhalten ergibt, versteht
sich von selbst. die marxistische formel jedoch: das sein bestimmt das
bewußtsein, bei der das sein ausdrücklich als ökonomischer
zustand gekennzeichnet ist, ist höchst bestreitbar. das bewußtsein
des menschen wird außer von materiellen werten noch von vielerlei
eindrücken bestimmt und empfängt aus seelischen bewegkräften
manchmal selbst da noch die stärkste anregung, wo sich die anteilnahme
auf kapitalistische tatsachen bezieht. richtig ist daß die verhältnisse
das verhalten bestimmen, wobei keineswegs nur ökonomische verhältnisse
in frage kommen, es können auch aus dem charakter, der geistigen besonderheit,
der bindung an andere personen, dem klima, dem kosmischen geschehen entquellende
verhältnisse sein, und wobei das verhalten ganz unabhängig von
allen produktionsformen von ursprünglichen moralischen empfindungen
angetrieben werden kann.
der kapitalismus freilich ist in all seiner wirksamkeit auf nur materialistische
denkweise angewiesen. er kann der logischen erwägung, daß im
elend lebende und vom genuß der gesellschaftlichen güter in
weitem maße ausgeschlossene volksschichten eine schädigung des
sozialen wohlstandes bedeuten, ihre züchtung daher materiell unzweckmäßig
sei, seine logik entgegenstellen, wonach die ansammlung der besitzgüter
in den händen einer geringen zahl von großverbrauchern die nützlichste
verwendung der benötigten arbeitskräfte erlaube, wobei als gradmesser
der nützlichkeit natürlich die aller moralischen einschätzung
entrückten und auf machtverhältnisse gestützten materiellen
bedürfnisse der kapitalisten gelten. mit der logik allein und gar
mit der wissenschaftlich aufgepolsterten lehre vom historischen materialismus
ist das wirtschaftssystem des kapitalismus nicht zu widerlegen, noch
weniger zu bekämpfen oder durch ein besseres system zu ersetzen. von
irgendeinem unpersönlichen standpunkte aus kann man den dingen, die
sich so gut wie ausschließlich im persönlich menschlichen auswirken
und gerade durch ihre bedrückung der persönlich betroffenen als
unerträglich empfunden werden, nicht beikommen. die errichtung der
sozialistischen gesellschaft an stelle der kapitalistischen ist, obwohl
die tatsächlichen veränderungen hauptsächlich in der vollständigen
neuordnung des wirtschaftlichen gemeinschaftslebens bestehen werden, als
notwendigkeit nur unter den gesichtspunkten der den menschen angeborenen
gesellschaftlichen ethik zu erweisen. hier ist einer der entscheidenden
gegensätze zwischen der anarchistischen und der marxistischen lehre
vom sozialismus. die kapitalisten haben nie versucht, die grundsätze
ihres verfahrens zum ewigen menschheitsgesetz zu erheben. sie wenden den
kapitalismus an, weil er ihnen die macht über das proletariat und
die vorrechte ihrer ausnahmestellung sichert. die kümmerlichen rechenkunststücke,
die die ertragsunfähigkeit der erde behaupteten, kraft deren immer
nur eine erlesene minderheit wohlstand genießen könne und die
große mehrheit von der natur selbst zur entbehrungsvollen sklaverei
verurteilt sei werden sogar von dieser minderheit nicht mehr ernst genommen.
da erschien als retter in der not der marxismus mit der verwegenen theorie
von der gesetzmäßigkeit der denk- und handlungsweise, die bisher
nur der kapitalismus bis zur letzten folgerichtigkeit ins soziale leben
getragen hatte. der materialismus, das ist die weltgestaltung aus rein
rechnerischen erwägungen, die ordnung des lebens unter nichts als
stoffwechselgesichtspunkten, - diese geistlose herabwürdigung aller
menschheitsfragen zu bloßen angelegenheiten der produktion und verteilung,
erhielt die weihe einer schicksalgewollten, unabänderlichen, ewig
gültigen einrichtung der natur. wir anarchisten bekämpfen den
kapitalismus, weil er die geistigen und sittlichen werte der menschheit
den gewinn und machtgelüsten einer skrupellos materialistisch denkenden
herrenschicht unterordnete. wir glauben, daß der klassencharakter
der gesellschaft, wie ihn der kapitalismus bis zum auseinanderklaffen der
völker in zwei verschiedene tiergattungen ausgebildet hat, nur durch
die oberwucherung des gesamten lebens von materialistischem denken und
trachten möglich wurde; daß aber umgekehrt die übersteigerung
der materialistischen triebe immer und unter allen umständen zu klassenscheidungen
der gesellschaft, mithin zur versklavung des einen teils und zur herrenmacht
des anderen teils fuhren muß. wir glauben ferner, daß die verrottung
der kapitalistischen gesellschaft, ihr hilfloses herumtorkeln in der eigenen
mißwirtschaft, ihr zufluchtsuchen bei kriegen und immer brutalerer
knechtung der enteigneten und entrechteten massen ihre tiefste ursache
im widersinn des nur materialistischen fühlens, denkens und handelns
hat. die natur läßt sich auf die dauer nicht in der weise mißhandeln,
daß die ernährung und die sicherung des physischen seins, nur
die vorsorge zu treffen voraussetzung und bedingung des lebens ist, zum
inhalt des lebens gemacht werden. daraus entsteht mit notwendigkeit raffsucht,
übervorteilung und macht, die in allen fällen zugleich machtmißbrauch
ist. wir wollen den sozialismus, weil wir in dieser gesellschaftsform die
bürgschaft erkennen, dem dasein der menschen eine grundlage der materiellen
notwendigkeiten und bequemlichkeiten zu sichern, auf der sich das gesellschaftliche
leben zu den besten möglichkeiten seelischer und geistiger verbindung
emporheben kann. und nun wird den sozialisten eine lehre gebracht, die
das wesen des kapitalismus ausgezeichnet darlegt, alle seine erscheinungsformen
erklärt und in ihren wirkungen sichtbar macht. aber aus entstehen
und walten des kapitals wird ein gesetz abgeleitet, als ob die einrichtungen,
die die menschen sich geschaffen haben, von natur wegen bedingt wären,
dieses gesetz wird umgeschmückt mit den perlen philosophischer erkenntnis
und unumstößlicher wissenschaft, und denjenigen, welche den
kapitalismus stürzen, den sozialismus an seine stelle setzen sollen,
wird gesagt: der sozialismus könne nur auf denselben grundlagen erwachsen
wie der kapitalismus; der materialismus, der der urstoff des kapitalismus
ist, müsse erkannt werden als historischer materialismus, somit als
der urstoff jeder gesellschaftsordnung. die materialistische betrachtungsweise
lehrt, daß der kapitalismus nur werden konnte, was er ist, ausdruck
der modernen sklaverei, der entpersönlichung der menschen, der unterwerfung
des willens unter den mechanismus eines nur ökonomischen getriebes,
weil er, zwar nicht theoretisch, so doch praktisch die materialistische
nützlichkeit zum hebel aller gesellschaftlichen kräfte machte.
ihr sozialisten aber, sagen die marxisten, seid den kapitalisten dadurch
noch über, daß ihr sogar die theorie habt; geht hin und schafft
den sozialismus, indem ihr die materialistische betrachtungsweise auch
eurem werk zugrunde legt!
konnte den inhabern der kapitalistischen macht ein größerer
gefallen erwiesen werden als durch solche lehre? sind sie nicht sittlich
gerechtfertigt, wenn die sozialisten die weltanschauung, auf der ihr verwünschtes
system ruht, zum sockel der eigenen welt erwählen? die mittel der
zerstörung eines schlecht befundenen gesellschaftsbaues mögen
von seinen verteidigern in die hände der angreifer gezwungen werden,
wie der kampf gegen bewaffnete kaum anders als mit waffen geführt
werden kann; wer aber zum bau einer neuen gesellschaft die bausteine der
gestürzten benutzen will, der wird zugleich dem alten geist die neuen
einzugstore bauen. der sozialismus hat mit dem kapitalismus keine gemeinschaft,
nicht in der ökonomischen struktur noch im ideologischen inhalt. daß
der sozialismus an die stelle des kapitalismus treten soll, hat seinen
grund nicht in der praktischen logik zweckdienlicher ökonomie, sondern
im moralischen gewissen der gerechten denkart. wir verabscheuen den hunger
der armen, und zwar um der gerechtigkeit willen!
jede erklärung, was gerechtigkeit sei, erübrigt sich. denn
das vermögen, zwischen recht und unrecht zu unterscheiden, ist eine
dem menschen von natur innewohnende gabe, genau wie die gabe, lust und
schmerz zu empfinden. allerdings ist lust und schmerzgefühl schon
in der ersten stunde des lebens unterscheidbar, während das gefühl
für recht und unrecht erst herangebildet werden muß. aber dies
beweist nichts gegen seine eigenschaft als instinktmäßige anlage.
auch das gehen, die unterscheidung der farben, die sprache, das urteil
über schön und häßlich muß im menschen entwickelt
werden, und doch zweifelt niemand, daß es sich hier um lauter naturgegebene
fähigkeiten handelt. das wissen von recht und unrecht ist das soziale
bewußtsein im menschen, ohne das uns fremde not gar nicht als
eigene angelegenheit berühren könnte. wie aber lust und schmerz
aus körperlichen oder seelischen anlässen entstehen, die im gegensatz
zu den gefühlen der beeinflussung und veränderung durch den menschlichen
willen unterliegen, so wird auch das soziale bewußtsein durch menschliche
veranstaltungen oder unterlassungen erregt. der in unserer geistigen wesenheit
begründete wille zur gerechtigkeit wird befriedigt oder beleidigt,
indem bestimmte grundforderungen des sozialen gewissens erfüllt oder
enttäuscht werden: die erste soziale grundforderung ist gleichberechtigung.
sie bedeutet gerechtigkeit durch gleichheit. bedingung ihrer verwirklichung
ist jedoch die verpflichtung der gleichberechtigten auf gegenseitigkeit.
der kampf der arten gegeneinander - alles leben von menschen, tieren
und pflanzen beruht auf tötung einer art durch die andere und umsetzung
der substanz der vernichteten kreatur in lebenskraft des vernichters -,
dieser kampf um die erhaltung der arten findet seine ergänzung in
der organisierten unterstützung der artgenossen zu daseinskampf, verteidigung
und gesellschaftlicher zuchtpflege. wie weit kameradschaftsbünde verschiedener
arten, beziehungsweise substanzumwandlungen innerhalb gleicher arten in
der natur vorkommen, ist in diesem zusammenhang belanglos. sicher ist indessen,
daß von allen auf gesellschaftliches zusammenwirken angewiesenen
geschöpfen allein der mensch den kampf planvoll auf die eigene art
ausgedehnt hat, und zwar nicht, wie das bei manchen tieren und bei den
kannibalen geschieht, um ernährungsschwierigkeiten zu beheben, sondern
um ungleiches recht in derselben gattung zu schaffen und dadurch machtgelüste
zu befriedigen. gegenseitige hilfe ist ebenso bestandteil der gleichberechtigung,
wie soziale ungleichheit jede gegenseitigkeitsbeziehung unmöglich
macht. die kapitalistische gesellschaft zerstört die soziale gemeinschaft
der gegenseitigkeit und setzt an ihre stelle die gegenseitige unterstützung
einer machthungrigen minderheit bei der entrechtung und ausbeutung der
in künstlicher zersplitterung gehaltenen gesamtheit der die gesellschaftlichen
werte schaffenden kräfte. wohl hat ein großer teil des proletariats
erkannt, daß auch sein heil nur in der vereinigung zur gegenseitigen
hilfeleistung gesucht werden kann, doch greift sein kampf bis jetzt in
sehr geringem maße über die abwehr der schlimmsten wirkungen
der kapitalistischen vergewaltigung hinaus, und sein kampfziel beschränkt
sich selbst da, wo die verbindung schon unter sozialistischen und kommunistischen
losungen erfolgt ist, fast überall auf nur materielle umgestaltung
des lebens. der angriff richtet sich ausschließlich gegen die erscheinungsformen
des kapitalismus gegen die wirkungen der besitzmacht auf die lebenshaltung,
die gesundheit und die soziale stellung der besitzlosen klasse aber, von
verschwindenden ausnahmen abgesehen, nirgends gegen die moralischen grundsätze,
die werden, wachsen und wirken des kapitalismus möglich gemacht haben
und deren beseitigung mit dem sturz des wirtschaftssystems zugleich erfolgen
muß, soll der geist der gleichberechtigung und der gegenseitigen
hilfe, ohne den es keinen sozialismus gibt, jemals lebendig werden.
der kommunistische anarchismus wendet seinen kampf also zugleich gegen
die wirtschaftliche unterdrückung von menschen durch menschen wie
gegen die moral, die die unterscheidung zwischen den menschen nur zulässig
hält. der kapitalismus könnte nicht sein, könnte niemals
geworden sein, wenn nicht dem verzicht auf die verfügung über
die eigene arbeitskraft, die das wesen der wirtschaftlichen verknechtung
ist der verzicht auf die selbstverantwortlichkeit der menschen vorausgegangen
wäre. alle geschichtlichen erklärungen, nach denen die kommunistisch
wirtschaftenden ackerbauern der frühzeit zur verteidigung des bodens
gegen überfälle bewaffnete männer aussonderten, welche sich
allmählich kraft ihrer überlegenheit durch den waffengebrauch
zu herren des landes machten und als bevorrechtigte klasse den arbeitsertrag
ihrer auftraggeber in persönlichen reichtum verwandelten, sich zu
eigentümern des grundes und bodens aufwarfen und die arbeitenden dadurch
ihren machtansprüchen hörig machten, - alle erforschungen der
entstehung und entwicklung des kapitalismus und der klassenkämpfe
sollen als wahr und richtig anerkannt werden. sie beweisen nichts für
das marxistische dogma, daß das ökonomische sein allein oder
doch ausschließlich bestimmend das handeln, denken und fühlen
der menschen beeinflusse. der überlassung des waffenwerks an eine
erwählte schar muß vorausgegangen sein das bewußtsein
der schwäche, der verteidigung ebenso wie der arbeit in der natürlichen
ursprünglichkeit völliger gemeinschaft nicht mehr gewachsen zu
sein. diese minderung des zutrauens in die gesellschaftliche kraft der
verbundenheit ist aber ein seelisch-ethischer vorgang, aus dem sich die
folgen auf die ökonomischen verhältnisse erst ergeben. das bewußtsein
bestimmt hier die gestaltung des seins. kein versuch, dem schwinden des
selbstvertrauens wiederum ökonomische ursachen zugrunde zu legen,
käme gegen den einwand auf, daß jede gestaltung der arbeitsleistung
und beziehungsregelung menschliche veranstaltung ist, dem tun aber notwendig
das denken, dem denken die unbewußte nervenbewegung vorausgeht, die
das seelische empfinden bezeichnet. gemeinsame lebensführung beruht
auf gemeinsamer verantwortung. die trennung der gemeinsamkeit im gesellschaftlichen
wirken kann nur auf die lockerung der gemeinschaftlichen verantwortung
zurückgehen. überträgt die gesamtheit einen der dienste,
deren verrichtung den einsatz aller kräfte verlangt, einem teil, so
schaltet sie zugleich diesen teil aus den übrigen verrichtungen des
gesellschaftlichen dienstes aus, entläßt ihn somit aus der verantwortung
für die sache der übrigen, wie sie sich selbst der verantwortung
nur den übertragenen dienst begibt. innerhalb der wirtschaftlichen
arbeit ist selbstverständlich die teilung der dienste geboten, ebenso
wie die abwehr von angriffen auf den boden und die arbeit den kämpfern
verschiedene aufgaben zuweist. der grundsatz der gemeinschaft wird dadurch
nicht verletzt. dem einen volksteil aber die arbeit überlassen, dem
andern den kampf aufhalsen heißt die lebensführung der gesellschaft
auseinanderreißen, heißt die gemeinverbindliche verantwortlichkeit
preisgeben, heißt folglich ungleichheit schaffen, die notwendig herrschaft
nach sich ziehen muß. gemeinsame verantwortlichkeit aller für
alles, das ist der eigentliche sinn des kommunismus. gemeinsame verantwortlichkeit
aller für alles bedeutet aber genau dasselbe wie selbstverantwortlichkeit
eines jeden für das ganze, und das ist der eigentliche sinn des anarchismus.
damit ist die frage der wechselbeziehung von gesellschaft und persönlichkeit
aufgeworfen. der marxismus will die soziale gleichheit herstellen,
indem er die lebensformen des einzelnen menschen in das streckbett der
nur ökonomisch auswägbar gehaltenen nutzzwecke der gesamtheit
zwingt. der individualismus will umgekehrt den ungekürzten lebensraum
des individuums zum maß der gesellschaftlichen daseinsform machen
ohne rücksicht auf gleichheit und gesamtnutzen. beide auffassungen
nehmen also einen gegensatz zwischen gesellschaft und mensch an und kommen
nur bei der abschätzung der frage, wessen rechtsanspruch ans leben
wichtiger sei, zu verschiedenen ergebnissen. der kommunistische anarchismus
lehnt die unterscheidung zwischen gesellschaft und persönlichkeit
ab. er betrachtet die gesellschaft als summe von einzelmenschen und die
persönlichkeit als unlösliches glied der gesellschaft. eine soziale
gleichheit, bei der der individuelle betätigungsdrang des seines eigenwertes
bewußten menschen beeinträchtigt ist, die sich mit der beseitigung
des mehr oder weniger in der verfügung über die irdischen güter
begnügt, schafft allein nicht die gesellschaftliche gleichheit, die
die forderung der gerechtigkeit erfüllt, die gleichheit, die auf gegenseitigkeit
in allen, nicht bloß den materiellen dingen, und die auf dem gefühl
der verbundenen verantwortung aller und der selbstverantwortlichkeit jedes
einzelnen beruht. die herstellung einer gleichheit, die in wahrheit die
bedeutung der gleichberechtigung hat, ist nicht die einfache lösung
einer ökonomischen rechenaufgabe. in der erkenntnis, daß hier
seine schwäche liegt, flüchtet der marxismus in die gefilde der
philosophischen tröstungen und redet den sozialisten den gedanken
der persönlichen verantwortung im gesellschaftlichen geschehen mit
der alten tempelweisheit der gebundenheit des willens und der vorbestimmung
alles werdens und waltens aus; einer lehre, deren übersinnliche verstiegenheit
dadurch um nichts besser wird, daß sie anstelle der göttlichen
fügung den historischen materialismus, also die abhängigkeit
des menschlichen tuns von den jeweiligen produktionsformen setzt. die wirtschaftlichen
verhältnisse beeinflussen selbstverständlich die entschließungen
der menschen, außer ihnen aber bilden noch eine fülle anderer
gegebenheiten, die aus geographischen, biologischen, in stamm und überlieferung
begründeten oder sonstigen eigentümlichkeiten quellen, den seelischen
mischkessel, den wir charakter nennen. mag die bewußtseinsbildung
somit vielfachen sozialen bedingungen unterliegen, die persönlichkeit
wird davon in ihrer fähigkeit zur unmittelbaren einwirkung auf das
gesellschaftliche sein und in ihrer ermessensfreiheit nicht betroffen.
innerhalb eines charakters ist der wille frei.
den einzelwillen jedoch in die mitte alles geschehens zu stellen, ihm
die dinge der gesamtheit unterzuordnen in dem glauben, der sinn der gesellschaft
erschöpfe sich in der befriedigung der materiellen und geistigen bedürfnisse
der ihres einmaligen ichs bewußten persönlichkeit, bedeutet
ebenfalls nichts als die flucht aus der wirklichkeit in die vorgestellte
welt einer sozial zusammenhanglosen menschheit. wie unteilbar aber die
einheit von mensch und menschheit ist und von jedem menschen empfunden
wird, erhellt sich, um ein einziges beispiel zu nennen, aus dem bestreben
aller menschen, zeugnisse des individuellen lebens über den tod hinaus
ins gesellschaftliche leben zu verpflanzen. für das einzelwesen besteht
die welt nur, solange sie sich seinen sinnen bemerkbar macht. das sterben,
das mit dem individuum sein ganzes bewußtsein und alle persönliche
wahrnehmung auslöscht, wäre ohne die vollständige verflechtung
des persönlichen mit dem gesellschaftlichen leben nur den einzelnen
das ende der dinge überhaupt. eine gegenseitigkeitsbeziehung zwischen
den menschen auf abruf kann es nicht geben. der im instinkt der menschen
begründete drang, den schaffenden eifer im dienste der menschheit
zu betätigen, aus dem eigenen die materiellen, geistigen und sittlichen
schätze der gesamtheit zu mehren, wäre vollkommen sinnlos, wenn
das individuum ein lösbarer teil des ganzen wäre. alle regsamkeit
der persönlichkeit empfängt den antrieb aus dem bewußtsein
der gemeinsamkeit. die gesellschaft ist der ursprung des lebens, wie sie
zugleich sinn und inhalt des lebens ist. da die gesellschaft indessen sich
zusammensetzt aus dem lebendigen gemeinsamen sein der einzelnen, sind ihre
wirksamen eigenschaften nicht unterschieden von denen der menschen, der
tiere oder der pflanzen, die miteinander gesellschaft bilden, aus ihr geworden
sind und sie unausgesetzt neu aus sich erzeugen.
gesellschaft und mensch ist demnach als einheitlicher organismus zu
begreifen, und jeder fehler in der wechselbeziehung der menschen zu einander
muß sich als gesellschaftlicher schaden, jeder mangel in der gesellschaftlichen
ordnung als krankheitserscheinung im sozialen getriebe und somit als benachteiligung
von individuen in erscheinung setzen. diese untrennbarkeit eines ganzen
von seinen gliedern, dieses ineinanderverstricktsein der teile, deren jedes
ein organismus mit den eigenschaften des ganzen ist, dieses miteinander-
und durcheinander-bestehen des einzelnen und des gesamten ist das merkmal
des organischen seins in der welt und jeder verbindung in der natur. wie
der wald aus bäumen besteht, deren jeder sein eigenleben hat, mit
eigenen wurzeln im erdreich steckt, sich selbst ernährt, lebensunfähig
gewordene äste absterben läßt und neue triebe entwickelt,
im welken der blätter und hervorbringen neuer keime, im ausstreuen
des samens und im allmählichen verbrauchen der lebenskraft jungem
nachwuchs platz schafft, und wie in diesem werden und vergehen und in der
wechselseitigen kraftübertragung der einzelnen bäume das leben
des waldes als zusammenfassung zu einem ganzen wiederum völlig den
charakter eines lebenden, sterbenden, sich stets von neuem schaffenden
individuellen wesens erhält, so ist jede gemeinschaft ein organismus
aus organismen, ein bund von bünden, eine zur einheit gewordene vielheit
von einheiten. der kommunistische anarchismus will diese natürliche
verbindung von persönlichkeit und gesellschaft mit gleichberechtigung,
gegenseitiger unterstützung und selbstverantwortlichkeit aller einzelnen
im bewußtsein der gesamtverbindlichkeit und gemeinsamen verantwortung
fürs ganze wieder zur lebensform auch der menschheit werden lassen.
dazu erforderlich ist aber die vollständige neugestaltung der organisationsgrundsätze
im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen verkehr.
solche auf natürlichen zusammenschluß der teile zum ganzen
und auf die kraft des ganzen als lebensquelle der teile gestützte
vereinigung stellt die organisationsform des föderalismus dar
im gegensatz zum zentralismus, der die künstliche organisationsform
der macht und des staates ist, wie sie der kapitalismus bis zur restlosen
vernichtung der persönlichkeit, der gleichheit, der selbstbestimmung,
der selbstverantwortung und der gegenseitigkeitsbeziehung emporgezüchtet
hat. föderalismus verhält sich zu zentralismus wie organismus
zu mechanismus, das heißt wie gewachsenes, naturgewordenes, wesenhaftes
zu geknetetem, zusammengebasteltem, nachgemachtem. föderalismus ist
gemeinschaft der lebendigen teile zum gefüge eines lebendigen ganzen,
zentralismus ist aneinanderkettung der teile zur willenlosen lenkung durch
ein unbeseeltes triebwerk. im föderalismus wirkt die übereinkunft
der individuen, ihren unterschiedlos auf den eigenen wie auf den gesamtvorteil
gerichteten willen zur vernünftigen herstellung des bedarfs, zu seiner
vernünftigen verteilung und verwendung und zur gerechten gestaltung
aller übrigen lebensbeziehungen zu verbinden; im zentralismus wirkt
das von außen gegebene gesetz der jeweiligen macht, welche die vorrichtungen
zur niederhaltung des gemeinschaftswillens in den händen hält.
der föderalismus baut den gemeinschaftskörper von unten auf,
indem er die schaffenden kräfte selber in unmittelbarer verständigung
die maßnahmen treffen läßt von denen das wohl der einzelnen
und das gemeinwohl abhängt und die die bürgschaft gewähren,
daß das gemeinwohl das wohl des einzelnen in sich schließt.
der zentralismus bewegt die nur äußerlich zusammengebundenen,
aber aus keiner inneren notwendigkeit einander vertrauten einzelnen von
oben her, indem er den persönlichkeitswillen lähmt und ihm die
leitung durch einen gemeinschaftsfremden, der prüfung entzogenen willen
aufzwingt. föderalismus ist organisation durch natürliche ordnung;
zentralismus ist ersatz der ordnung durch überordnung und anordnung.
die föderalistische organisation entspricht den forderungen der gerechtigkeit,
der gegenseitigkeit, der gleichheit, der gemeinsamen selbstverantwortung,
der gemeinschaft aus einzelnen. die zentralistische organisation entspricht
den bedürfnissen der macht, der obrigkeit, der ausbeutung des klassenzwiespalts,
der bevorzugten. föderalismus ist ausdruck der gesellschaft; zentralismus
ist ausdruck des staates. staat und gesellschaft nämlich ist
zweierlei. weder ist die gesellschaft eine zusammenballung aller verschiedenen
organisationen und verbindungen, innerhalb deren die menschen ihre gemeinschaftlichen
angelegenheiten ordnen und unter denen der staat neben anderen einrichtungsformen
besteht noch ist der staat von etlichen möglichkeiten eine der organisationsarten,
in denen sich die gesellschaft verkörpern kann. es ist in aller eindeutigkeit
so, daß wo gesellschaft besteht für den staat kein raum ist,
wo aber der staat ist, er als pfahl im fleische der gesellschaft steckt,
ihr nicht erlaubt, volk zu bilden und gemeinschaftlich ein- und auszuatmen,
sie statt dessen in klassen trennt und dadurch verhindert, gesellschaft
zu sein. ein zentralisiertes gebilde kann nicht zugleich ein föderalistisches
gebilde sein. ein obrigkeitlich zugerichtetes verwaltungswesen ist regierung,
bürokratie, befehlsgewalt, und dies ist das merkmal des staates; eine
auf gleichberechtigung und gegenseitigkeit aufgebaute gemeinschaft ist
in den grenzen der räumlichen verbundenheit der menschen volk, als
allgemeine lebensform der menschheit betrachtet, gesellschaft. staat und
gesellschaft sind gegensätzliche begriffe; eins schließt das
andere aus.
vom klassenstaat reden, heißt von hölzernem holz reden. staat
ist nichts anderes, kann nichts anderes sein als zentralisierter ausführungsdienst
einer vom volk gelösten klasse zur beherrschung des entrechteten und
zur beherrschten klasse erniedrigten volkes. das staatliche verwaltungsverfahren
teilt also die menschliche gesellschaft in gesellschaftsklassen, indem
es grund und boden nebst den von menschen geschaffenen produktionsmitteln
als eigentum der bevorzugten klasse schützt, die zulassung zur benutzung
des eigentums durch die fast die gesamtheit umfassende klasse der besitzlosen
nach den grundsätzen der unantastbarkeit des eigentumvorrechts und
der wahrung des charakters der arbeitsleistung als verdingung der arbeitskraft
regelt. ausschließlich zu diesem zweck ist der staat geschaffen,
niemals hat er einem andern zweck gedient, niemals könnte er anderen
zwecken nutzbar werden. nur wo herrenrecht gegen sklavenrecht steht, hat
der staat sinn, findet er aufgaben der betätigung. erst mit dem entstehen
persönlichen eigentums zur ausbeutung von menschen konnte der staat
werden, ist er geworden. mit der entfaltung des kapitalismus, der die materiellen
ausbeutungsgrundsätze der eigentümer zum mittelpunkt des gesamten
lebens der menschen machte, vergrößerte und vergröberte
der staat beständig das netz von gesetzen, aufsichts- und zwangsmaßregeln,
durch welche das proletariat in der hörigkeit der bevorrechtigten
klasse gehalten werden soll. wieder aber sind es die marxistischen sozialisten,
welche nebst der materialistischen weltbetrachtung auch die zentralistische
organisationsform, dieses eigentliche wesensmerkmal des kapitalistischen
staates, als grundriß nur den aufbau der vom kapitalismus befreiten
gesellschaft übernehmen wollen.
es ist dargelegt worden, daß die allgemeinen verhältnisse
das verhalten der menschen bestimmen, daß hingegen diese verhältnisse
zum erheblichen teil aus willensgelenkten veranstaltungen der menschen
selbst entstehen, somit auch das verhalten die verhältnisse schafft.
allgemein kann gelten, daß gleichartige verhältnisse gleichartiges
verhalten zur folge haben, gleichartiges verhalten also ebenso gleichartige
verhältnisse bewirkt. hat der kapitalismus zur kräftigung seiner
herrschaft über die menschen eine zentralisierte staatsverwaltung
eingerichtet, die bei steter steigerung des obrigkeitlichen drucks die
macht des kapitals dauernd vermehrt hat und rückwirkend eine ständige
erweiterung der staatlichen befugnisse zum schaden der arbeiter und zum
nutzen der bevorrechtigten verursachte, so bedeutet das, daß der
von oben geleitete staat die allein geeignete organisationsform zur erhaltung
und förderung kapitalistischer wirtschaftsführung ist; zugleich
aber bedeutet es, daß nur kapitalistische verhältnisse mit dem
staatlichen zentralismus im sinne der beabsichtigten wirkung schalten können,
und daß ferner jede staatliche zentralmacht kapitalismus entwickeln
und, wo er etwa nicht oder nicht mehr vorhanden ist, neu erzeugen muß.
wenn daher gewisse auslegungen der marxistischen lehre davon überzeugen
wollen, daß das wesen des kapitalismus durch die verfügung privater
ausbeuter über die produktionsmittel bedingt sei, ihre bewirtschaftung
durch den staat jedoch bereits als kennzeichen des sozialismus gedeutet
werden dürfe, so kann nicht heftig genug gegen eine solche verfälschung
und umkehrung des sozialistischen grundgedankens einspruch erhoben werden.
staatskapitalismus, auch wenn man ihn staatssozialismus nennen
will, hat mit wirklichem sozialismus nicht das allergeringste zu tun, ist
im gegenteil die dem gemeinschafts-, gegenseitigkeits- und selbstverantwortungsgeist,
ohne den kein sozialismus sein kann, feindlichste form der kapitalistischen
verknechtung.
dabei ist es völlig gleichgültig, ob der staat vom proletariat
erobert wird, um ihn in allmählicher umgestaltung nur sozialistische
lebensbedingungen herzurichten, oder ob man anstelle des durch revolution
zerstörten privatkapitalistischen staates einen anderen schafft, in
dem von vornherein staatsgewalten die obliegenheiten des nutznießers
der der eigenen verfügung und auswertung entzogenen arbeitskraft der
werktätigen menschen versehen. auch das zugeständnis an die natürliche
einsicht der sozialisten, die die unvereinbarkeit von staat und gesellschaftlicher
gleichheit erkennen, ist wertlos, wonach der mit dem streben zu sozialistischen
wirtschaftsformen regierte staat die eigenschaft habe, mit dem hinschwinden
des kapitalismus sich selbst überflüssig zu machen, abzusterben
und einer gesellschaft föderativ verbundener gleichberechtigter den
weg zur vollendung des sozialismus freizumachen. ein staat stirbt nicht
ab, sondern festigt sich, indem er die grundlagen, auf denen er ruht, ausbaut.
die grundlagen des staates sind die kapitalistischen klassenverhältnisse,
und es macht keinen unterschied, ob die klassengegensätze aus der
privatverfügung weniger über die erde und die arbeitsmittel stammen
oder durch die übertragung derselben verfügung auf eine auslese
staatlicher befehlshaber herbeigeführt werden. mag es immerhin moralisch
befriedigender sein, die ausbeutungsrechte nicht in den händen persönlicher
habgier zu wissen, - es kommt darauf an, daß alle ausbeutung ausgetilgt,
nicht darauf, daß sie entpersönlicht wird. für den schaffenden
menschen ist es ohne bedeutung, ob seine leistung einer aktiengesellschaft
zugute kommt, die den nutzen daraus in form von gewinnanteilen leuten zuführt,
welche mit der arbeit selbst gar keine berührung haben, häufig
nicht einmal wissen, was in dem werk, dessen mitinhaber sie sind, überhaupt
hergestellt wird,—oder ob der staat seinen arbeitsertrag einzieht. die
wirkung ist für ihn ganz gleich: das erzeugnis seiner arbeit gehört
nicht ihm, es ist seiner verfügung entzogen, und sein vorteil liegt
überhaupt nicht darin, daß das erzeugnis da ist, sondern nur
darin, daß er für die herstellung lohn erhält. am lohnsystem
ändert sich durch die überführung des privatkapitalismus
in staatskapitalismus nicht das geringste, das lohnsystem aber ist das
kennzeichen der ausbeutung.
die behauptung, durch die beschlagnahme der arbeitskraft von staatswegen
werde, wenn auch die wirtschaftsweise ausbeuterischen charakter zu tragen
scheine, die sozialistische ordnung auf die weise hergestellt, daß
das arbeitserzeugnis gemeinschaftszwecken diene, fälscht den grundgedanken
des sozialismus. abgesehen von dem anspruch der kapitalisten, auch ihrerseits
werte erarbeiten zu lassen, die dem allgemeinen bedarf angepaßt sind,
und den überschuß zum größten teil wiederum in bedarfsteigernde
produktion umzusetzen, fehlt hier wie dort die selbstbestimmung der arbeiter
über die verwendung ihrer leistung. damit entfällt zugleich die
berechtigung des einwands, daß kapitalistische arbeit, gleichviel
ob eine privatperson oder der staat auftraggeber sei, jemals dem gesellschaftlichen
nutzen untergeordnet wäre. denn wo immer die zuständigkeit von
auftraggeber und beauftragten getrennt ist, kann von keinem gemeinschaftlichen
nutzen die rede sein. es trifft für den staat in noch höherem
maße als nur den privaten unternehmer zu, daß in allen seinen
maßnahmen, zumal bei der zuteilung von arbeitsaufträgen, die
festigung seiner stellung als verfügungsmacht über die arbeitsmittel
leitender beweggrund ist. die versorgung des marktes mit lebensnotwendigem
bedarf ist in jeder art kapitalswirtschaft nur insoweit bestimmend, wie
sie zur stärkung dieser machtstellung beiträgt. wo das vorrecht
der verfügung mit dem bedürfnis des volks in widerspruch gerät,
ist in allen fällen, ohne unterschied zwischen privat- und staatskapitalismus,
die versorgung der gesamtheit benachteiligt.
das vorrecht muß also beseitigt werden. es kann nur beseitigt
werden, indem an die stelle der arbeitsregelung von oben die selbstverwaltung
der arbeitenden menschen tritt. selbstverwaltung ist nichts anderes
als selbstverantwortung gleicher auf gegenseitigkeit, nichts anderes als
föderative organisation anstelle zentralistischer. in welcher weise
die föderative arbeits- und verteilungsorganisation der kommunistischen
anarchie durch das rätewesen, die einzig vorstellbare form
der wirtschaftlichen selbstverwaltung, zu verwirklichen sein wird, soll
im zweiten abschnitt gezeigt werden. hier genügt die aufstellung des
allgemeingültigen satzes: eine gesellschaft, in welcher die beziehungen
von arbeit und verbrauch, der menschen untereinander und des gesamten geistigen
und materiellen verkehrs unter wahrung der gleichberechtigung, selbstverantwortlichkeit
aller und gegenseitigen unterstützung geregelt werden sollen, verlangt
für alle verrichtungen föderalistische verwaltung, das ist unmittelbare
verständigung der beteiligten untereinander. zentrale verbindungsstellen
dienen einzig den zwecken der buchhaltung und der übermittlung von
aufträgen, niemals solchen der selbständigen amtsausübung
und irgendwelcher vorgesetzten behörde, deren vollständige ausmerzung
voraussetzung aller selbstverwaltung ist.
der versuch, mittels eines übergangsstaates vom kapitalismus zum
sozialismus zu gelangen, ist durch das wesen des staates als anordnende
zentralgewalt zum scheitern verurteilt. die staatliche ordnung beruht auf
dem verfahren der übertragung der öffentlichen dienste auf eigens
zu diesem zweck aus der gesamtheit ausgesonderte beamte. wollte nach dem
sturz der kapitalistischen gesellschaftsordnung der sozialismus seine daseinsformen
nach demselben verfahren einrichten, so würde sich die wiederholung
des vorgangs ergeben, der bei der teilung der gesellschaftlichen obliegenheiten
in landbebauung und landverteidigung die unterdrückung der werktätigen
durch die waffentätigen menschen, damit die klassenschichtung des
volkes und folgerichtig die enteignung der gesamtheit durch die starkgemachte
minderheit, die ausbeutung, den kapitalismus herbeiführte. die vom
ganzen losgelöste verwaltung müßte, genau wie die waffenführer
der frühzeit sich als adel selbständig machten und das volk,
das sich ihnen anvertraut hatte, in ein lehnsverhältnis zwangen, in
kürzester zeit selbstzweck werden. selbst unter den gegenwärtigen
zuständen, wo die beamtenschaft sich in völliger abhängigkeit
von der viel stärkeren macht der eigentümer des landes und der
produzierenden mittel befindet, strebt der staat in eifriger anstrengung
danach, den wettstreit der kapitalisten mit obrigkeitlichen eingriffen
in verwaltungsrechtliche bindungen zu bringen, während die kapitalisten
sich im gegenteil über die ländergrenzen hinweg föderativ
vereinigen, sich demgemäß aus den zentralistischen staatseinengungen
zu befreien suchen und die gesetzgebenden und ausführenden sachwalter
des staates, mit je mehr vollmachten sie sie zur niederhaltung der arbeitenden
klasse versehen, um so entschlossener darauf bestehen, daß sie sich
auf die ausübung der justiz, polizei und abgabeneintreibung sowie
auf die sicherung der eigenen herrschaft über das nichtbesitzende
volk beschränken. die enteignung des privatkapitals zugunsten des
staates würde den ertrag der arbeit zwar in andere kanäle leiten,
aber nicht die abhängigkeit der arbeitskräfte von ausbeutenden
gewalten mindern, sondern nur die abhängigkeit des staates von anderen
als seinen eigenen machtbedürfnissen aufheben. die staatsverwaltung,
die beamtenschaft, der regierende apparat würde sich immer ungeheurer
aufblähen und wie jede herrschaft die neigung hat, sich zur unabsetzbaren
und unauslösbaren dauermacht zu entwickeln, alle tätigkeit mit
erzieherischen und gewaltsamen mitteln auf das ziel richten, das wohl der
obrigkeit als das wahre wohl der gesamtheit erscheinen zu lassen. am ende
dieses weges steht die erblichkeit der bürokratie, die die zurückführung
der ausbeutung in den nutzen einer oberklasse notwendig mit sich führt,
also die restlose wiederherstellung des privatkapitalismus mit bloß
ausgewechselten eigentümergruppen und veränderter ausdrucksweise
zur täuschung der massen.
der marxismus vertritt im staat und in den eigenen organisationen den
standpunkt des starrsten zentralismus. er bekämpft die obrigkeit des
gegenwartsstaates, nicht weil sie das volk in seiner selbstbestimmung entrechtet,
sondern weil sie die unterdrückung nicht auf die herrschende klasse
ausdehnt. wir sehen also diesen tatbestand: der kapitalismus hat den staat
nötig zu dem einzigen zweck, zu dem er sich eignet, selbständige
entscheidungen der arbeitenden menschen in ihren eigenen angelegenheiten
zu unterbinden; er hat ihn hierzu mit außerordentlich weitreichenden
vollmachten ausgestattet. die staatsgesetze dienen dem schutz der kapitalistischen
einrichtungen und sind so gehalten, daß sie der form nach für
die angehörigen beider gesellschaftsklassen verpflichtend sind. mit
der entwicklung des individualistischen kapitalismus zu körperschaftlichen,
über die staatsgrenzen hinauswachsenden ausbeutungsverbindungen haben
sich die staatlichen einheitsbestimmungen für die angehörigen
der besitzenden klasse allmählich als zu eng erwiesen: sie streben
daher für sich die lockerung der staatsbefugnisse an, zur besseren
beherrschung der mit der vervollkommnung der technik immer bedrängteren
klasse der besitzlosen ihre noch straffere gestaltung. der staat ist natürlich
mit der vermehrung seiner macht über die mehrheit zufrieden, wehrt
sich aber seiner machtminderung bei der wahrung der eigentlichen vorteile
der herrschenden klasse, solange nicht das gesamte staatsgefüge nach
dem bedürfnis des international und körperschaftlich ausgebauten
kapitalismus umgewandelt ist (diese umwandlung ergibt das bild des faschistischen
staates). die zentralistischen sozialisten aber stellen sich auf die seite
des staates in seinem bemühen, sich nichts von seiner allmacht wegnehmen
zu lassen, greifen ihn aber an, weil er - und hier bestimmt, da es sich
um einen musterfall kapitalistischer erscheinungen handelt, wirklich das
ökonomische sein das bewußtsein - vor den ansprüchen der
besitzenden klasse trotzdem schritt für schritt zurückweicht,
und glauben, die rücksichtslose machtentfaltung der obrigkeit gegenüber
der armut habe seinen grund in der schwäche des staates gegenüber
dem reichtum, nicht aber im wesen der staatlichen obrigkeit selbst. sie
wenden sich gegen die obrigkeit nicht, weil sie obrigkeit ist, sondern
weil sie eine andere obrigkeit wollen, gebildet von leuten ihrer meinung,
von leuten, die sich als führer ihrer parteien oder gewerkschaften
gewöhnt haben, zentralistisch zu regieren, vorschriften zu erlassen,
zucht und gehorsam zu fordern, sich menschen zu unterwerfen und sie zugleich
glauben zu machen, sie würden zu ihrem eigenen nutzen, nicht zu dem
der regierer, regiert. an obrigkeit und drill, an zentrale lenkung und
abgabe des willens an übergeordnete personen gewöhnt, zu staatsglauben
und führervertrauen erzogen, werden die staatssozialisten dem staatskapitalismus
erwünschte staatsbürger sein. nur wird dieser staatskapitalismus
aller eigenschaften des sozialismus ermangeln, der gleichheit und der gerechtigkeit,
der selbstverantwortlichkeit und der gegenseitigen förderung, der
verbundenheit der menschen untereinander und der selbstverwaltung im gesellschaftlichen
zusammenwirken. eine allmächtige bürokratie wird von oben her
jede selbständige regung der menschen unterdrücken und ausdruck
sein eines staates, der so wenig ähnlichkeit mit einer echten gesellschaft
hat wie alle früheren staatsgebilde und der alle keime einer klassengespaltenen
ausbeuterwirtschaft von anbeginn in sich trägt.
was nämlich den staat zum staate macht und was einen staat dem
andern bei allen übrigen unterscheidungen gleichwertig an die seite
stellt, bleibt auch jedem sozialistenstaat erhalten: der ersatz der unmittelbaren
verbindung der menschen untereinander durch die überantwortung von
macht an menschen zur beherrschung von menschen. die verneinung
der macht in der gesellschaftlichen organisation ist das maßgebliche
wesensmerkmal der anarchie, oder, um dieser verneinenden erklärung
die bejahende form zu geben: der anarchismus kämpft anstatt für
irgendeine form der macht für die gesellschaftlich organisierte selbstverfügung
und selbstentschließung der menschen. unter macht ist jede inanspruchnahme
oder einräumung von hoheitsbefugnissen zu verstehen, durch die die
menschen in regierende und regierte gruppen getrennt werden. hierbei spielt
die regierungsform nicht die geringste rolle. monarchie, demokratie, diktatur
stellen als staatsarten nur verschiedene möglichkeiten im verfahren
der zentralistischen menschenbeherrschung dar. wenn die demokratie sich
darauf beruft, daß sie dem volksganzen die beteiligung an der öffentlichen
verwaltung mit gleichem stimmrecht für alle gewährt, so ist daran
zu erinnern, daß gleiches stimmrecht nichts mit gleichem recht zu
tun hat und daß die aussonderung von abgeordneten eben die beteiligung
der aussondernden an der verwaltung verhindert und ihre vertretung durch
einander ablösende machthaber bedeutet. wo es vorrechte des besitzes
gibt, kann kein formales gleichsetzen von stimmen wirkliche gleichheit
schaffen, ebensowenig wo die selbstbestimmung der menschen sich durch verleihung
von macht ablösen läßt. macht beruht immer auf wirtschaftlicher
überlegenheit, und die abschaffung wirtschaftlicher überlegenheit
bei gleichzeitiger aufrechterhaltung von macht bewirkt unter allen umständen
das bestreben derer, die über die macht verfügen, sie durch neugewinnung
wirtschaftlicher überlegenheit zu sichern. jeder auch nur zeitweilige
gesetzgeber, sei er landesoberster, minister oder parlamentarier, fühlt
sich über diejenigen, denen er vorschriften machen darf, emporgehoben,
wird also, auch wenn er es vorher nicht war, sachwalter einer vom ganzen
gelösten oberschicht mit anderen, gesteigerten bedürfnissen und
lebenszielen, hört auf, der klasse anzugehören, die sich nach
den gesetzen und vorschriften zu richten hat. das zeigt sich schon bei
den zentralistisch organisierten arbeitervereinigungen. hier wird eine
beamtete führerschaft mit dem vorrecht ausgestattet, die richtlinien
für das verhalten und die verpflichtungen der übrigen zu bestimmen,
es entsteht befehlsgewalt, obrigkeit, macht. dadurch entsteht weiterhin
eine grundsätzliche scheidung der interessen mit der folge, daß
der kopf der organisation ein eigenleben gegenüber den gliedern führt
und daß die verwaltung der organisation selbstzweck wird und stets
seine bedürfnisse wichtiger nimmt als die aufgaben, derentwegen die
organisation geschaffen wurde.
es liegt im wesen der macht, nicht nur ihre erhaltung mit allen mitteln
zu verteidigen, sondern sich materiell und ideell immer stärker zu
machen, ja, ihre ausdehnung und kräftigung als einzigen inhalt allen
ihrer handlungen zugrunde zu legen. menschen und gesellschaftlich lebenden
tieren ist das machtstreben nicht angeboren. erst jahrtausendelange gewöhnung
an vorrecht und entrechtung hat die menschen, nur sie, zu dem glauben gebracht,
es sei in ihrer natur bedingt, daß der wettstreit um den platz an
der sonnenseite des daseins in der form von machtkämpfen geführt
werden müsse. gerade aber erst die machtkämpfe haben mit der
spaltung des menschengeschlechts in herrschende und beherrschte verursacht,
daß es eine sonnenseite und eine schattenseite des lebens gibt. macht
kann nicht sein, wo keine ohnmacht ist. wer nach macht strebt, kann sein
ziel nur erreichen, indem er andere ohnmächtig macht. die größte
und umfassendste macht der bisher erlebten geschichte ist die vom kapitalismus
entwickelte macht. zweck der halt- und grenzenlosen kapitalshäufung
ist jedoch keineswegs, dem kapitalisten bloß ein wohlleben zu verschaffen.
seine absicht, in reichtum zu leben und aufwand zu treiben, läßt
sich erreichen, ohne daß milliardenwerte, ungeheure ländereien,
bergwerke, ganze industrieausbeuten unter die verfügung eines einzelnen
zu gelangen brauchten. der großkapitalist rafft seine güter
durchaus nicht zusammen, um sich ein bequemes leben zu schaffen; er verwendet
im gegenteil außerordentlich mühevolle tätigkeit auf die
erhaltung, vermehrung und vervielfältigung seines kapitals, obwohl
er weiß, daß sich durch die ausdehnung seines eigentums an
seiner lebensführung gar nichts ändern wird und obwohl jede vergrößerung
seines reichtums größere anforderung an seine organisatorische
spannkraft stellt.
der kapitalist weiß sogar, daß bei gerechter und natürlicher
bewirtschaftung der erde im sozialismus, bei gleicher berücksichtigung
aller in der regelung des verbrauchs, nur niemanden, also auch für
ihn nicht, eine verarmung im sinne von mangel an gütern und freuden
eintreten würde. denn der boden trägt, wenn er sozialistisch
gepflegt wird, genügend, um guten wohlstand für alle menschen
zu verbürgen, und wir kämpfen für die kommunistische anarchie
nicht, um den reichtum, sondern um die armut abzuschaffen. der kapitalist
macht sich reich, um andere arm zu machen. sein antrieb zur kapitalanhäufung
ist nicht habsucht, sondern machtgier. je mehr menschen er durch seinen
reichtum in armut treibt, um so mehr menschen macht er sich hörig.
je ärmer jemand ist, um so abhängiger ist er, je abhängiger
er ist, um so besser kann er beherrscht werden. darum bleibt es sich auch
für den arbeitenden menschen ganz gleich, ob seine arbeitskraft von
einem privatmann oder einer ausbeutergesellschaft gedungen wird oder vom
staat. dadurch, daß ihm der ertrag seiner leistung vorenthalten bleibt,
wird macht geschaffen, von der er abhängig ist. die staatsmacht braucht
seine armut genau so wie der private, um durch sie macht auszuüben.
die macht des staates ist aber gefährlicher als jede andere macht,
weil sie mit dem anspruch auftritt, ausdruck des allgemeinen willens zu
sein und die von ihr der arbeit abgenommenen reichtümer dem allgemeinen
nutzen zuzuführen in wahrheit dienen diese reichtümer ausschließlich
der erhaltung des staates selbst, das heißt der macht der obrigkeit,
die die ohnmacht der regierten braucht.
in der erkenntnis, daß macht, gleichviel wer sie ausübt,
gleichviel zu welchem vorgegebenen oder wirklichen zweck sie begründet
wurde, ausbeutung in sich trägt, ferner daß und zentralisation,
gleichviel, welche sozialen ziele sie sich gesetzt haben, einrichtungen
der macht sind und also ausbeutung betreiben müssen, stellt sich der
anarchismus die aufgabe, die macht als form des gesellschaftlichen lebens,
demnach jede art staat von grund aus zu zerstören und statt dessen
die föderative gemeinschaft gleichberechtigter aufzubauen. der oft
erhobene einwand, die zerstörung der macht setze durch ihre vollzugsmittel
doch wieder machtanwendung voraus, beruht auf unklarem denken. die worte
macht, zwang und gewalt bezeichnen nämlich völlig verschiedene
begriffe, deren gleichsetzung und verwechslung selbst schon in den reihen
der anarchisten verheerende irrtümer hervorgerufen hat. gewalt ist
ein kampfmittel, das sich von andern kampfmitteln wie überredung,
überlistung, passiven widerstand usw. gar nicht grundsätzlich
unterscheidet. die behauptung, der anarchistische gedanke sei unvereinbar
gerade mit dem kampf, der die anwendung körperlicher kraft oder ihre
mechanische verstärkung durch waffengebrauch vorsehe, ist eine willkürliche
verfälschung des anarchistischen gedankens. wem gewalt im kampfe unangenehm
ist, mag sie vermeiden, mit anarchismus hat solche persönliche geschmacksrichtung
nichts zu tun. da der anarchismus den kampf bejaht, kann er nicht eine
abstufung zwischen den äußeren kampfformen vornehmen und eine
grenze ziehen, jenseits deren der kampf verneint wird. auch die anwendung
von zwang ist nicht allgemein im widerspruch zu anarchistischem verhalten.
ein im kampf bezwungener gegner muß selbstverständlich verhindert
werden, den kampf weiterzuführen. ein sozialer schädling muß
genötigt werden, sich in die notwendigkeit der gemeinsamen lebensgestaltung
einzufügen. solche verhinderung und nötigung ist zwang. unzulässig
im sinne anarchistischer auffassung werden gewalt und zwang erst, wenn
sie im dienste einer befehlshoheit stehen, und daraus erklärt sich
eben die oberflächliche gleichsetzung der drei begriffe, daß
der staat kraft seiner macht den alleingebrauch von zwang und gewalt für
sich in anspruch nimmt. der anarchismus ist gegen staatsgewalt und staatszwang,
weil er gegen staatsmacht ist. um der sauberkeit des denkens willen muß
aber unterschieden werden: gewalt ist kampfhandlung, bloßes mittel
zur erreichung eines zwecks; zwang ist maßregel im kampf und mittel
zur sicherung des erreichten kampfzweckes; macht ist ein dauerzustand von
gewalt und zwang zur niederhaltung von gleichheitsgelüsten, ist das
von oben her verfügte zwangs- und gewaltmonopol der herrschaft.
macht bezeichnet somit die tatsächliche gegebenheit, die aus jedem
zentralistischen, obrigkeitlichen, gesetzgebundenen, staatlichen verhältnis
erwächst. als sittlicher grundlage ihrer herrschbefugnisse bedient
sie sich des den menschen eingeimpften glaubens an die berechtigung und
notwendigkeit der autorität. autorität ist die maßgeblichkeit
fremder erkenntnis für das eigene urteil. der anspruch auf autorität
bedeutet also die forderung, daß menschen auf eine meinung verzichten
sollen, an deren stelle die blinde anerkennung fertig gelieferter gedanken,
regeln und grundsätze zu treten hat. die hinnahme von autorität
bedeutet demgemäß preisgabe der denkkraft und des willens, unterordnung
der persönlichkeit unter von außen zugetragene glaubenssätze
und vorschriften. es ist ohne weiteres klar, daß macht nicht ertragen
würde, wäre der menschliche geist nicht zuvor der einwirkung
der autorität zugänglich gemacht worden. wo autorität eingang
hat, kann sich macht festsetzen; wo macht waltet, schafft sie der autorität
immer neue zugänge. seit menschen andern menschen macht über
sich eingeräumt haben und dadurch machthunger sich zum wichtigsten
gestalter gesellschaftlicher beziehungen zwischen den menschen entwickeln
konnte—im machtgelüst liegt das hervorstechendste unterscheidungsmerkmal
des menschen gegenüber den tieren, bei denen das natürliche gesellschaftsdasein
nirgends von machtverhältnissen innerhalb der gleichen gattung verdrängt
werden konnte -, seit den anfängen der heranbildung von vorrechten
unter den menschen ist zu allen zeiten der glaube an autorität bei
denen großgezüchtet worden, die ein machtwille sich zur beherrschung
ausersehen hatte. denn autorität gründet sich auf seelische beeinflussung,
auf zubereitung des geistes, glauben und vertrauen auf kosten von denken
und urteilen gelten zu lassen. wer so weit gebracht ist, zu glauben ohne
zu prüfen, und sei es selbst das unmögliche und vernunftwidrige,
der wird auch bereit sein, zu gehorchen ohne sich aufzulehnen, selbst wo
das zweckwidrigste und seinem vorteil entgegengesetzte von ihm verlangt
wird.
der älteste und bis heute bewährteste weg, autoritätsglauben
zu erwecken, ist die vortäuschung überirdischer, göttlicher
mächte, deren gebot der mensch willfährig, deren urteil er verantwortlich
zu sein hat. das ursprüngliche gefühl von recht und unrecht ließe
keinen angriff auf die menschliche selbstbestimmung zu. das bewußtsein,
daß nur gleichheit und gegenseitigkeit wirkliches gesellschaftliches
recht ermöglicht, schlösse jede machtbetätigung von menschen
über menschen aus. dem unverbildeten gemüt des naturverbundenen
menschen konnte der sinn nur obrigkeitsvorrecht und untertanenverpflichtung
daher nicht anders beigebracht werden als durch die vorstellung, außerweltliche,
himmlische wesen seien die schöpfer und lenker aller dinge, ihnen,
nicht sich selbst oder seinesgleichen sei der mensch in allem tun und lassen
verantwortlich. wem der glaube an göttliche allmacht begreiflich gemacht
war, der konnte für den glauben an menschliche macht gewonnen werden.
dazu bedurfte es nur der einflüsterung, die götter übertrügen
den wachdienst über das verhalten der menschen mit höheren weihen
versehenen irdischen stellvertretern. so gelang es die autorität der
priester sicherzustellen und damit jeder weiteren autorität zutritt
zum gesellschaftlichen bewußtsein zu schaffen. in guter kenntnis
der menschenseele wußten die priester, daß die natürliche
abwehr jeder autorität im selbstgefühl begründet ist, das
auf selbstbestimmung und gleichberechtigte übereinkunft hinweist.
selbstgefühl und stolz kann nur durch erregung von furcht gebrochen
werden. darum wurde mit dem glauben an die götter zugleich die angst
vor ihnen den gemütern eingeflößt. die furcht, sonst allgemein
als kläglichkeit betrachtet, wurde den unsichtbaren göttern gegenüber
zur tugendhaften pflicht erhoben. wer aber einmal gottesfurcht gelernt
hat, der wird auch priesterfurcht, königsfurcht, gesetzesfurcht und
eigentumsfurcht lernen und sich nach belieben regieren lassen.
außer dem selbstbewußtsein mußte auch das angeborene
rechtsgefühl, das sozialen ursprungs ist, gebrochen werden, um auf
autorität macht begründen zu können. die verletzung des
sozialen rechtsempfindens geschieht durch verweigerung der gleichberechtigung
oder aufhebung der gegenseitigkeit im gesellschaftlichen leben. da jedoch
die autorität ungleichheit und abhängigkeit zur lebensbedingung
hat, mußte der begriff des unrechts von seiner selbstverständlichen
bedeutung abgebogen werden. die priester ersannen dazu die von der beziehung
zur gesellschaft losgelöste und nur in beziehung zur gottheit festgelegte
sünde. unrecht ist die verfehlung gegen die menschliche gemeinschaft,
sünde die verfehlung gegen die göttliche, mithin gegen die priesterliche
autorität. während jedoch der bestand der sozialen gemeinschaft
durch alles die gegenseitigkeit störende unrecht bedroht wird, ist
das begehen sündiger handlungen lebensbedingung für
die autorität derer, die über menschenseelen herrschen
wollen. sie brauchen die schuld ihrer gläubigen, weil nur die zerknirschte
seele sich himmlischen machtsprüchen unterwirft. alle priesterschaft
lebt vom schlechten gewissen der menschen, aber nur die vorstellung von
strafen nach dem tode und von beaufsichtigung auch der geheimsten gedanken
und regungen hält die furcht dauernd rege, selbst bei gerechtestem
wandel im verkehr mit dem mitmenschen von den göttlichen geboten abzuirren.
liegt es doch in der natur jeder autorität, alle moralischen verpflichtungen,
die das soziale gewissen fordert, aufzuheben - anders konnte ja keine obrigkeit
ihre eigene verletzung der gleichheitsidee sittlich rechtfertigen - und
die volle verantwortung in allen dingen unter außerhalb der persönlichen
würdigung stehende feste gebote zu stellen.
das soziale bewußtsein unterscheidet rechtliche und widerrechtliche
handlungen; ihr prüfstein ist die achtung oder mißachtung der
gleichberechtigung. die autorität dagegen unterscheidet erlaubte und
verbotene handlungen; ein den beherrschten zugänglicher prüfstein
für ihre moralische verschiedenheit ist nicht vorhanden. die gottheit,
die priesterschaft, in der folge der herzog, der fürst, der adel,
die führung befiehlt, verbietet, macht schuldig, straft, besteuert,
nutzt aus. das gesetz tritt an die stelle der selbstbestimmung, der glaube
an die stelle des urteils, der gehorsam an die stelle der verantwortung,
die demut an die stelle des mutes, die jenseitsfurcht an die stelle
des diesseitskampfes. die soziale gemeinschaft dankt ab zugunsten der unmündigen
bereitschaft, schuld zu häufen, zu bereuen und abzubüßen,
macht anzubeten und macht anzustreben, die persönlichkeit mitsamt
der gesellschaft zu töten und das irdische leben an ein überirdisches
himmelreich zu verraten. wer aber im tode in den himmel will, der will
im leben an die macht und wer im leben die macht hat, der tröstet
seine opfer mit dem himmelreich nach dem tode.
solange die völker sich unbefangen der natur verschwistert fühlten,
in gesellschaftlicher gegenseitigkeit schufen und genossen, gab es bei
ihnen noch keine zentrale gottheit mit unbeschränkter autorität.
das kindliche verehrungsbedürfnis gab den gestirnen und den naturkräften
götternamen, aber die heidnischen religionen verteilten die segenvollen
eigenschaften, die sie den sinnbildern und geistern beimaßen, unter
die vorgestellten höheren wesen, und so konnten auch die priester
jeweils nur auf dem gebiet autorität geltend machen, auf dem ihre
götter anbetungswürdig schienen. erst das judentum zentralisierte
den gottgedanken, erst die jüdisch-christliche religion stellte eine
allmacht über der menschheit auf, schuf den begriff der gottesknechtschaft,
unterwarf denken, fühlen und handeln den unantastbaren satzungen einer
jeder absetzbarkeit, ja, jeder anzweiflung entzogenen einheitlichen autorität.
die priester des allmächtigen, allwissenden, allgegenwärtigen
gottes erlangten dadurch die schrankenlose macht über die seelen der
gläubigen, eine macht, der sie durch die errichtung der kirche den
halt der vollkommensten zentralisation gaben.
daß der anarchismus mit dem glauben an eine außerhalb der
persönlichkeit wirkende bewußte und willensbegabte kraft unvereinbar
ist, bedarf keiner besonderen darlegung. der begriff der religion könnte
nur insofern mit anarchistischer denkweise in übereinstimmung gebracht
werden, wie er als hingebung und versunkenheit des ich in seiner beziehung
zu menschheit und weltall gemeint wäre. wo aber, wie es hier und da
geschieht, von christlichem anarchismus geredet wird, liegt immer der verdacht
nahe, es solle damit zwar die ablehnung des staates und der irdischen obrigkeit
zum ausdruck kommen, hingegen der sich selbst mißtrauenden seele
die zuflucht zu einer jenseitigen schöpfer- und bewacherautorität
offengehalten werden. jede wirkliche oder vorgestellte autorität ist
aber preisgabe der selbstverantwortlichkeit an eine über der persönlichkeit
wirkende macht mit der bedeutung von aufsicht, befehlsgewalt und gerichtsbarkeit.
es ist nur folgerichtig, daß die staatliche autorität sich
als moralischer machtstütze stets und überall der kirchlichen
gebotsformen bedient; ebenso, daß die kirche nach bester möglichkeit
die staatlichen machtmittel zum schutze der göttlichen autorität
in anspruch nimmt. die der staatsmacht in jahrhundertelangen kämpfen
von den sich gegen jeden gewissenszwang immer wieder aufbäumenden
völkern abgetrotzte formale anerkennung der glaubensfreiheit ist den
gesetzgebern fast nirgends ein hindernis, den jüdisch-christlichen
eingott als tatsächlich vorhanden anzunehmen und unter besonderen
schutz zu stellen. der kampf gegen die kirchlichen lehren von freiheitlichen
gesichtspunkten aus ist auch in ländern, die in technik und wissenschaften
weit vorgeschritten sind, größeren erschwerungen unterworfen
als sogar der kampf gegen den staat und seine gesetze und einrichtungen.
angriffe mit den wirksamen mitteln des spottes und der zornigen grobheit
werden von gott und seinen irdischen stellvertretern unter einsatz schwerster
staatlicher straf- und unterdrückungsmittel abgewehrt. denn die religion
liefert dem staate dank ihrer berufung zur seelsorge, welche alles irdische
glück aus willigem glauben, aus befolgen bestimmter vorschriften nur
alles fühlen und verhalten und aus der vorbereitung eines ewigen bewußten
lebens nach dem tode herleitet, die sittliche grundlage, die ihm gestattet,
auf den gehorsam gegen seine regierung zu rechnen. so ist es auch kein
widerspruch, daß der staat seine gesetze keineswegs durchweg, wie
es die nurmaterialisten meinen beweisen zu können, nach den unmittelbaren
bedürfnissen der kapitalisten herrichtet. von der aufrechterhaltung
der strafen, welche zum beispiel das geschlechtliche verhalten außerhalb
der ehe bedrohen, die bestimmte veranlagungen verfemen oder die leibesfrucht
der eigenen entschließung der frauen entziehen, hängen die ausbeutungsrechte
der grund-, haus- und maschineneigentümer schwerlich ab. in diesen
und ähnlichen fällen dient das staatsgesetz einfach der unterstützung
der kirche, in ihrer aufgabe, den wandel der menschen in den privatesten
angelegenheiten zu überwachen und eine verselbständigung der
persönlichkeit gegenüber den göttlichen regeln zu verhindern.
indem der staat die macht der kirche dadurch befestigt, daß er
das, was sie sünde nennt, mit seinen zwangsvorrichtungen unterbindet,
verbreitert er gleichzeitig sein eigenes machtgebiet über die grenzen
des ihm ursprünglich zugedachten beherrschungsbereichs des öffentlichen
ordnungsdienstes hinaus. der kirche kann dieser staatliche machtzuwachs
aus zwei gründen nur erwünscht sein: einmal verdingt sich ihr
der staat als vollstreckungsorgan mit seinen physischen kräften da,
wo ihr eigene ausführungsgewalt nicht zur verfügung steht; ferner
aber ist keine macht imstande, sich für die dauer stark zu erhalten,
wenn sie nicht mit der ausübung von macht die verleihung von macht
verbindet. die kirchenmacht läßt die staatsmacht in ihre bezirke
ein, um ihrerseits wiederum macht über dinge zu erwerben, die in den
weltlichen geschäftskreis des staates zu gehören scheinen. die
macht über die seelen, die sie kraft der religiösen beeinflussung
der menschen ausübt, ergänzt sie durch erringung politischer
macht im staat. dadurch macht sie sich den ökonomischen machthabern
unentbehrlich, die nun der kirche die wege zu weiterer entfaltung von autorität
öffnen. sie liefern der kirche die schule aus und erreichen so, daß
die jugend im geiste der autorität erzogen wird, somit brauchbaren
stoff zum beherrschtwerden, willigen ausbeutungsnachwuchs hergibt und frühzeitig
den drang pflegt, selbst machtinhaber zu werden. sie wissen, daß
nur der ein guter knecht ist, der selbst knechtet oder doch knechten möchte,
wie die kirche weiß, daß nur der mit leidenschaft herr sein
kann, der noch einen herrn über sich fühlt. also: mit dem erwachen
von machtsucht schufen sich die menschen die gottheit. sie unterwarfen
sich ihrer herrschaft, um andere menschen der eigenen herrschaft unterwerfen
zu können. jeder unterworfene wird wiederum mit macht ausgestattet,
damit er um so leichter beherrscht werden kann. jede unterwerfung und beherrschung
führt zu materieller ausbeutung jede ausbeutung zu autorität,
zentralismus, staat. gott und der staat sind die beiden pole der macht,
die auf der verneinung von gleichberechtigung, gegenseitigkeit und selbstverantwortung
beruht.
gott und der staat mit allen ihren ausdrucksorganen, kirche, regierung,
gerichtsbarkeit, militär, polizei, bürokratie, sultanen, wesiren,
statthaltern, kadis, schatzmeistern, zollpächtern, fakiren und bonzen
sind die vollkommensten verkörperungen zentralistischer autorität.
die föderative gesellschaft der anarchie kann keinen bestandteil enthalten,
der diesen beiden grundformen der macht nicht stracks entgegengesetzt wäre.
ihr gefüge muß von der wurzel aus anders aussehen und anders
wachsen als das gefüge jeder obrigkeitlichen organisation. von der
wurzel aus: die wurzel des staates aber, die keimzelle der autorität
ist die familie.
die obrigkeitlich geschützte und nach einheitlichen grundsätzen
geregelte familie ist muster und sinnbild der zentralisation, vollendete
verkörperung des machtgedankens, im engen umkreis modell von kirche
und staat, urform und inbegriff ausübender und hinnehmender autorität.
diese eigenschaften der von kirche und staat geschaffenen, betreuten und
beaufsichtigten familie sind gewährleistet durch die einrichtung der
vom staat beglaubigten, von der kirche mit göttlichen weihen versehenen
ehe und durch die festlegung des vaterrechts als ausdruck der beziehung
des stammes zur allgemeinheit, der beziehung der familienangehörigen
zueinander. die begründung der vaterschaftsfamilie erfolgt in der
form der priesterlichen oder behördlichen vornahme einer trauung der
beiden personen, welche sich zur gemeinsamen lebensführung und erzeugung
von kindern verständigt haben. die heirat, gleichviel ob es sich um
kirchliche einsegnung oder um ziviltrauung handelt, bedeutet also die einschaltung
der öffentlichen macht in die private entschließung zweier menschen,
miteinander geschlechtlichen verkehr zu pflegen. um ein solches eindringen
obrigkeitlicher gewalt in den allerpersönlichsten und verschwiegensten
menschlichen willensvorgang erträglich und berechtigt erscheinen zu
lassen, bedurfte es der vollständigen verbildung des natürlichen
wissens um selbstbestimmung in den angelegenheiten des eigensten erlebens.
sie wurde erreicht durch die verfälschung der moral von einem sozialen
wertmaß der rechtsgleichheit und des anständigen gegenseitigen
verhaltens in eine richtschnur zur innehaltung des richtigen abstandes
zwischen machtgebot und abhängigkeit. die beziehung der geschlechter,
dieser durch die natur selbst jeder einmischung dritter entzogene urquell
des lebens, mußte, um der macht dienstbar werden zu können,
im gewissen der menschen zum herd ständiger innerer not gemacht werden.
gelang das, so war nur den seelsorger der weg frei, der liebe vorschriften
zu machen; die priesterschaft, mithin die kirche, der staat und jede autorität
konnte sich als macht da einnisten, wo der machtbegriff für jedes
gesunde empfinden aufhören müßte, geltung zu haben. es
gelang durch die erfolgreiche bemühung, den geschlechtstrieb als eine
von anbeginn sündige versuchung der menschenseele zur erregung fortwährender
gewissensqualen zu benutzen; denn nur so konnte die vorstellung erweckt
werden, daß die befriedigung des sinnlichen verlangens unreines werk
sei, solange nicht äußere gewalten ihr eine genau zu befolgende
dienstordnung gesetzt hätten. das leben verteilt in seinem natürlichen
verlauf last und lust in dem ausgleich, der durch den charakter einer persönlichkeit
bedingt ist. den zur erringung des materiellen daseins erforderten anstrengungen
und gefahren steht gegenüber die freude am schaffen gesellschaftlicher
werte sowie die genußfähigkeit beim betrachten und einatmen
der natur, bei der aufnahme künstlerischer schöpfungen und bei
der sinnlichen begegnung mit dem andern geschlecht. die macht- und ausbeutungsveranstaltungen
der menschen haben die anstrengungen und gefahren bei der arbeit zur hervorbringung
der güter auf die beherrschte klasse abgewälzt, der überdies
durch die formen der kapitalistischen produktionsweise die freude am schaffen
gründlich vergällt ist, da der proletarier weder beschließen
kann, was er schafft, noch dank der teilarbeit unter seinen händen
etwas nützliches entstehen sieht, noch gar irgend einen vorteil von
seiner arbeit hat oder auch nur mitbestimmen kann, welchem verwendungszweck
sie zugeführt wird. der genuß der natur ist ihm infolge ungesunder
wohnverhältnisse, entrechtung bei der festsetzung seiner freizeit,
ungenügender ernährung und allgemein unfroher lebensbedingungen
wesentlich geschmälert, die künstlerischen schöpfungen sind
ihm ohnehin kaum zugänglich, da die zulassung zu ihnen fast immer
von geldaufwand abhängig ist und die herrschende klasse auch durch
die verschiedene schulung dafür gesorgt hat, daß der beste teil
der kunst und dichtung ganz und gar ihrer sinnesart angemessen ist und
folglich dem verständnis der arbeitenden massen verschlossen bleibt.
die einzige freude, welche im erleben selbst schlechterdings einem teil
der menschheit durch den anderen nicht gekürzt werden kann, weil die
natur keine stufenleiter der lustfähigkeit nach maßgabe der
menschlichen rechtsunterschiede eingerichtet hat, ist die beglückung
der sinne durch die liebe und den geschlechtsrausch. hier mußte erst
nachhaltige einwirkung auf die seele der menschen erfolgen, hier mußte
schlechtes gewissen geschaffen werden, um selbst in dem einzigen lebenskreis,
der dem armen noch das gefühl des glücks und der beseligung läßt,
die selbstbestimmung zu beseitigen, die amtliche bewachung durchzusetzen,
macht und autorität zu entfalten.
mit hilfe der unbezweifelbaren und unentrinnbaren autorität gottes
wurde den menschen weisgemacht, die befriedigung ihres geschlechtstriebes
könne von der brandmarkung als laster nur befreit werden, wenn sie
sich innerhalb der bindung der beiden eheteilhaber als pflichtmäßige
zweckhandlung zur kindererzeugung vollziehe; diese bindung müsse auf
lebenszeit geschlossen werden, bedürfe der zustimmung und abstempelung
durch kirche oder staat, und jede körperliche vereinigung zwischen
mann und frau außerhalb der genehmigten ehe sei sträfliches
tun, im falle der ehelichen gebundenheit eines der beiden schändlicher
ehebruch. die sicherung dieser bindung erfolgte durch die naturwidrige
erhebung der vaterschaft zum geschützten öffentlichen
rechtsgut. naturwidrig ist das aus der vaterschaft abgeleitete gesellschaftliche
recht deshalb, weil der erzeuger eines kindes immer nur der mutter bekannt
sein, niemals von dritten festgestellt werden kann, auch ähnlichkeit
und vermeintliche vererbung von eigenschaften über vermutungen hinaus
keine beweiskraft haben. erst die übertragung vorbehaltloser befehlsgewalt
auf den mann ergab die möglichkeit, die vaterschaftsfamilie dadurch
zu befestigen, daß die frau und die kinder in sklavenhafter abhängigkeit
gehalten und unter eine aufsicht gezwungen werden, die alle selbstbestimmung
zum ungehorsam, das begehen selbstgewählter wege zur gefahr macht.
um also die geschlechtsbetätigung unter die macht der öffentlichen
zentralstellen zu bringen, stattete man den kindererzeuger innerhalb der
familie mit zentralen machtbefugnissen aus, machte ihm das aufpassen auf
die frau in ihrem gesamten triebleben und der frau das gleiche aufpassen
auf den mann in seinem geschlechtlichen verhalten zur sittlichen pflicht,
erzog zugleich die kinder im geiste strenger unterordnung vom anfang des
lebens an und erweckte in ihrem nachahmungsdrang mit dem vorbilde der väterlichen
machtvollkommenheit von frühauf das streben, selbst macht zu erwerben.
auf keinem anderen gebiet ist die abtötung der natürlichen
lebensinstinkte in dem maße gelungen wie im bezirk der geschlechtlichkeit.
selbst bei anhängern autoritätsfeindlicher lehren trifft man
vielfach die neigung, dem recht auf selbstbestimmung, selbstverantwortung
und gleichheit im eigenen familienkreise den einlaß zu verwehren.
das wird mit der behauptung erklärt, die eifersucht sei ein angeborenes,
darum unbedingt gültiges gefühl, in der liebe naturhaft begründet
daher als stütze der gegenseitigkeitsbeziehung den gattenanspruch
auf ausschließlichkeit der geschlechtsgemeinschaft moralisch rechtfertigend.
aus solcher sinnesart spricht nichts als völlige verfangenheit in
den autoritären vorstellungen, wie sie kirche, staat und schule in
jahrtausendlanger inbrünstiger mühe den zur beherrschung auserkorenen
gemütern eingeflößt haben. wer auf die geschlechtshingabe
eines anderen menschen einen rechtsanspruch erhebt, verlangt die preisgabe
der eigenen verfügung eines anderen menschen über sich selbst,
will besitzer einer zweiten person sein, ist sklavenhalter; wer umgekehrt
den anspruch eines anderen auf seinen körper anerkennt, begibt sich
notwendig des rechtes auf sich selbst in allen lebensbeziehungen und wird
sklave eines nebenmenschen. wer aber irgendwo sklavenhalter oder sklave
sein kann, der kann es überall sein und wird es überall sein.
eifersucht ist besitzneid, bezogen auf die liebesempfindungen eines anderen
menschen. neid wird allenthalben als eine der erbärmlichsten eigenschaften
der menschen ausgegeben, sofern er sich auf güter erstreckt, die der
reichtum der armut vorenthält. neid gilt also als schande, wo er der
ungleichheit in der von menschen veranstalteten verteilung des sachlichen
eigentums abbruch zu tun droht. der neid hingegen, der der anderen person
aus eigennutz die selbständige entschließung über das ureigenste
verhalten in den privatesten dingen mißgönnt, dieser neid wird
mit dem heiligenschein einer liebestugend umkränzt, ihm wird allerorts
ehrfurcht erwiesen, an ihn klammert sich der sonst hoffnungslos verknechtete
unterdrückte mit seiner herrschsucht und seinem machtwahn.
es hat zeiten gegeben, in denen die vaterschaftsfamilie unbekannt war.
bevor es einen staat gab, bevor das priestertum und die waffenträger
vorrechte und macht über die menschen brachten, galt das mutterrecht,
das der frau die wahl ließ, wer jeweils vater ihrer kinder werden
sollte. damals erfuhr offenbar die geschlechtliche eifersucht nicht die
einschätzung eines berechtigten anspruchs einer person auf die andere.
ganz allmählich, in langen übergangszuständen ist aus der
völlig ungebundenen männer- und frauengemeinschaft, bei der die
zahl der gatten und die dauer der verbindung im belieben aller beteiligten
stand, die familie entstanden, zuerst in der form, daß die mutter
den vater ihrer kinder zur teilnahme an der hausgemeinschaft zuließ,
dann in gestalt der sippenehe, bei der männer und frauen innerhalb
der verwandtschaft einander verfügbar waren, schließlich, in
engem zusammenhang mit der entwicklung der eigentumsvorrechte, in gestalt
der vaterherrschaft. aber erst mit der ausbreitung des jüdischen gottglaubens,
wo ja die vaterautorität deutlich versinnbildlicht ist, erhielt die
den zentralistischen grundgedanken von kirche und staat angepaßte
einrichtung der vaterehe die weihen der heiligkeit.
der kommunistische anarchismus ist schlechterdings als gesellschaftliche
wirklichkeit nicht vorstellbar, ohne daß dem staat und jeder art
zentralismus und ausbeutung durch die entfernung, ja durch die achtung
familiärer macht- und hoheitsverhältnisse die grundlage entzogen
wäre. wollen zwei menschen ihr leben gemeinsam führen, so ist
das sache ihrer eigenen übereinkunft; sobald aus dieser übereinkunft
ein gegenseitiges oder einseitiges besitzrecht oder gar alleinbesitzrecht
entsteht, ist im engen kreise ein machtzustand geschaffen, der mit unausweichlicher
notwendigkeit andere personen in mitleidenschaft zieht, zunächst diejenigen,
auf die sich das verlangen eines der gatten richtet. macht ist aber eine
seuche, die sich aller umgebung mitteilt und sie in irgendeiner weise in
abhängigkeit bringt, folglich ungleichheit schafft, die wiederum obrigkeit
und ausbeutung nach sich zieht. die moral der anarchisten muß daher
ausgehen von der bedingungslosen billigung alles dessen, was auf geschlechtlichem
gebiete in unbeeinflußter übereinstimmung selbstverantwortlicher
erwachsener menschen geschieht. unsittlich ist nie, was zwei menschen tun,
um einander freude zu bereiten, unsittlich ist stets die einmengung eines
dritten in ihre verständigung.
kein mensch, weder mann noch frau, ist von der natur so eingerichtet,
daß er sich sein leben lang sinnlich nur zu einem passenden individuum
hingezogen fühlen sollte. der geschlechtstrieb läßt sich
nicht befehligen, ohne verdorben zu werden, und er läßt sich
nicht verbieten oder einengen, ohne zu verkümmern. die eifersucht
sichert die ausschließlichkeit der hinneigung eines menschen zum
andern nur bei völlig machtbefangenen menschen, bei selbständig
empfindenden, der autorität unzugänglichen naturen zerstört
sie die unbefangenheit des verhaltens und verursacht dadurch fast immer
das gegenteil dessen, wofür sie eifert. alle liebesverständnisse
beruhen auf gegenseitigkeit. aber die gegenseitigkeit wird nicht von dem
teil aufgehoben, welcher verschiedene verständnisse unterhält,
sondern von dem, welcher vom andern die innehaltung einer zwangsbindung
ausschließlich an seine person verlangt. aus dem zusammenfinden sinnlich
bewegter menschen, sei es zur führung gemeinschaftlicher häuslichkeit,
sei es im überschwang eines augenblicks zur erfüllung eines vorübergehenden
begehrens, lassen sich allgemeine regeln und moralische gesetze überhaupt
nicht ableiten. die angelegenheiten der geschlechtlichkeit haben mit sozial
begriffener sittlichkeit nicht das geringste zu tun, sofern nicht gewalt,
mißbrauch wirtschaftlicher abhängigkeit oder verführung
unentwickelter kinder und der willensfreiheit beraubter den verkehr zur
machthandlung erniedrigt, das verhältnis gleichberechtigter gegenseitigkeit
zerstört und damit den privaten vorgang gemeinschädlich auf die
gesellschaft zurückwirken läßt.
die religiösen gebote und in ihren spuren die staatsgesetze haben
das geschlechtliche verhalten, das sich, sozial gesehen, für ihre
machtzwecke kaum verwenden ließe, der öffentlichen moral insgesamt
zugrunde gelegt; sie haben die menschen gewöhnt, unter sittlichkeit
die einordnung der sinnlichen bedürfnisse in die vorgeschriebenen
beschränkungen zu verstehen. nur so war es möglich, die autoritäre
ehe, die lebenslängliche zwangsbindung zur familie zur unbestrittenen
selbstverständlichkeit der privaten lebensorganisation zu machen.
die vatermacht im hause gab der priestermacht der kirche, der regierungsmacht
im staate, der kapitalsmacht in der ökonomie die moralische weihe;
sie konnte daher nicht streng genug gewahrt werden. dabei ist zwischen
dem orientalischen recht der männer, beliebig viel frauen zu heiraten
und dem christlichen und europäischen grundsatz der einehe, kein unterschied
des wesens sondern nur der abstufung. die vielehe ist nur dem mann erlaubt,
sie ist also der krasseste ausdruck der unbeschränkten vaterautorität
in der familie und schützt den mann auch im geschlechtsleben vor jedem
dreinreden innerhalb seines herrschaftsbezirks. in der einehe ist zwar
die frau ebenfalls ganz der befehlshoheit des mannes unterstellt— die bürgerlichen
gesetzbücher, ebenso wie das kirchenrecht weisen der ehefrau noch
in unsern tagen die rolle der gehorsam dienenden untergebenen und zur widerspruchslosen
hingabe verpflichteten bettgenossin des gatten an -, aber durch das verbot,
sich mehr als eine ehesklavin zu halten, steht in bezug auf sein sinnenleben
auch der mann unter aufsicht, ist seine gottähnlichkeit in der familie
in einem punkt eingeengt, und die frau, was noch wichtiger ist, wird in
sehr schmalem raum ebenfalls als machthaberin zugelassen, tränkt sich
mit dem stolz, irgendwo auch autorität betonen zu dürfen und
wird um so zuverlässiger die kinder im autoritären geiste
erziehen und sich der autorität des mannes, der kirche und des staates
unterwerfen.
der verzicht auf die amtliche beglaubigung einer ehe ändert natürlich
am charakter der familie nur dann etwas, wenn die überkommene moral
des gegenseitigen machtverhältnisses darin keine auferstehung erlebt.
jede auf pflichtschuldige fügsamkeit, auf unterbindung der selbstbestimmung
und verbot außerehelicher beziehungen gegründete verbindung
trägt alle wesenszüge der zentralistischen obrigkeitsorganisationen,
der kirche und des staates, in sich. der mann, der familienvater verfugt
über eine fast unbegrenzte autorität, die ihm von den öffentlichen
gewalten ausdrücklich gewährleistet wird. er hat das züchtigungsrecht
über frau und kinder, er vertritt sie vor den organen des staates,
er bestimmt über wohnsitz und vermögen; ihm tritt auch kein gesetz
in den weg, wenn er sie kapitalistisch ausbeutet. nur das leben der seinen
darf er nicht auslöschen; daran hat der staat anteil, der arbeitskräfte
braucht, um sie beherrschen zu können. mit dieser regelung der familienrechte
wird erreicht, daß der überall gefesselte mensch in seinem engsten
lebenskreise selbst fesseln kann, ihm folglich die schändung der persönlichkeit
durch jedwede verknechtung nicht zum bewußtsein kommt. er gewinnt
geschmack am zentralismus, da er selbst irgendwo zentralgewalt ausübt.
für die nie ganz ausrottbare sehnsucht nach selbstverantwortung und
gegenseitigkeit wird ihm in seinem heim eine von staats wegen genehmigte
stätte überlassen, wenn auch die gegenseitigkeit nur in der befugnis
der gatten besteht, einander unter polizeiaufsicht zu halten. im übrigen
wird die gottähnlichkeit der eltern den kindern gegenüber durch
kirchlich und staatlich verordnete sittenlehren befestigt und durch die
verleihung des erbrechts auch nur die kapitalistischen machteinflüsse
nutzbar gemacht. endlich aber wird durch die einrichtung der in sich geschlossenen
familien ein sippenstolz gezüchtet, der dieses verkleinerte abbild
des staates immer wieder anspornt, sich in der abkapselung mehr zu dünken
als die nachbarsfamilie, was die neigung in sich schließt, sich auf
ihre kosten zu bereichern. so wird jede föderative gemeinschaft von
unten auf schon in der gesellschaftlichen keimzelle verhütet, das
streben nach allgemeiner gleichberechtigung durch den anreiz zum geltungswettstreit
unterbunden, die grenzlinie zwischen den gemeinsamen opfern einer größeren
macht verstärkt, der gedanke der feindlichen abgrenzung, ohne die
es kein zentrales gebilde geben kann, im boden des privaten machtinteresses
der einzelnen verwurzelt. mit dieser eigenschaft jedoch, als umzäunte
burg selbstgerecht und selbstsüchtig sich mit ihren zugehörigen
gegen die anderen sippschaften abzuschließen, erfüllt die autoritäre
familie ihre eigentliche aufgabe, der heranwachsenden jugend mit dem familiensinn
den staatssinn, den willen zur macht des eigenen staates, die feindschaft
gegen andere staaten, das verlangen nach eroberung, unterdrückung,
ausbeutung der völker jenseits der staatsgrenzen, den nationalismus
aufzupfropfen.
nation ist völkerschaft, also eine räumliche verbundene, durch
gemeinsame lebensbedingungen, sprache und gewohnheiten zusammengehörige
menschengemeinschaft. die begriffe nation und volk decken sich ungefähr,
sofern sie einfach zur unterscheidung der verschiedenen in ländern
zusammengefaßten menschheitsteile gebraucht werden. nationalität
bedeutet zugehörigkeit zu einem volk. in keinem dieser worte ist mehr
enthalten als ein bestimmungsmerkmal, keins drückt einen abmeßbaren
wert aus. erst mit der zerspaltung der völker in klassen, mit ihrer
unterwerfung unter den krieger-, den priester-, den grundherrn-, den kapitalistenstand
gewann die nation den sinn eines moralisch gestützten herrschaftsgebildes,
und heute ist nation längst die feierliche bezeichnung nur den nüchternen
machtbegriff staat. nationalismus ist die gesinnung, die den eigenen staat
für den vor allen anderen ausgezeichneten hält, welcher kraft
der tugenden des in ihm organisierten volkes das sittliche anrecht habe,
seine grenzen ständig zu erweitern, seine gesetze und sittlichen lehren
anderen völkern als maßgeblich aufzuzwingen und fremden arbeitsertrag
den eigenen machthabern nutzbar zu machen. nationalismus ist die weihevolle
verklärung des staatsgedankens, die übertragung der autoritären
familienmoral auf die völker.
hält sich in der zur gesellschaftlichen einrichtung erhobenen und
gesetzlich geschützten vaterschaftsfamilie der machtgedanke hinter
rührseligen vorwänden als züchtigkeit. angehörigenliebe,
blutsverbundenheit verborgen - lauter dinge, die vorhanden sein können
oder auch nicht, die aber niemals von äußerlichen rechtssatzungen
abhängen -, so erklärt der nationalismus die macht offen zum
sittlichen grundsatz und erhöht den befehlsapparat der arbeitsmitteleigentümer,
den staat, zum erhabenen träger der also geheiligten macht. um des
nation oder volk genannten staates willen wird der artbegriff der menschheit
aus dem bewußtsein der menschen gestrichen, an stelle der gleichberechtigung
aller artgenossen das vorrecht nur das in den eigenen landesgrenzen zentralistisch
regierte volk begehrt, der anspruch auf unterjochung, beherrschung, versklavung
der anderen völker verkündet, die kriegerische gewalttat, die
beraubung, ja ausrottung jenseits der landesgrenze wohnender bevölkerungen
zur pflicht gemacht, grausamkeit, tücke, lästerung, mordbrennerei,
verleugnung aber angeborenen sozialen empfindungen nur tapferkeit und nationales
recht ausgegeben und jeder machtvorteil des eigenen staates unterschieds-
und bedenkenlos heilig gesprochen.
es ist gewiß richtig, daß alle kriege, alle staatlichen
grenzerweiterungen und nationalen ansprüche materiellen nutzen erzielen
sollen. aber es trifft hier wie überall zu, daß der machtzweck
allen materiellen zwecken übergeordnet ist, daß die beherrschung
von menschen durch menschen der leitende beweggrund aller unterdrückung
ist, wenn auch allerdings die wirtschaftliche überlegenheit unentbehrliches
mittel zur erlangung von macht bleibt. beweis für das übergewicht
des machtstrebens über das bloße bereicherungsbedürfnis
ist der stets erfolgreiche anruf der nationalen gesinnung im falle drohender
machtschmälerung oder angeblicher beleidigung der nationalen würde,
unter welcher nichts anderes verstanden werden kann als geltung, maßgeblichkeit,
autorität. die zum nationalen kampf bereiten massen haben für
sich selbst ökonomische vorteile so gut wie nie zu erwarten, mit dem
versprechen ausmünzbarer belohnung werden sie auch nur in beschränktem
maße in begeisterung versetzt; aber ihre zugehörigkeit zur nation
wird ihnen als seelischer wert einleuchtend gemacht, das heißt, das
ihnen aus dem kirchenglauben und dem familiensinn geläufige autoritätsbewußtsein
wird zum nationalen machtrausch gesteigert, indem jedem individuum der
stolz geschwellt wird, sich selbst als teil einer weltwichtigen autorität
fühlen zu dürfen. so wird dem ausgebeuteten volk das machtgelüst
auf einen ideellen nenner gebracht, in seiner vorstellung das räumlich
abgesteckte staatsgebiet zu einem religiösen begriffswert erhoben,
der zentralisierte regierungskörper priesterlich umschmückt,
als ob er nicht das regelnde organ kapitalistischer machtverhältnisse,
sondern das sinnbild ehrfurchtgebietender schöpferkraft wäre;
und zugleich verständigt sich die ausbeutende oberschicht über
alle ländergrenzen hinweg zur gemeinsamen wahrung ihrer eigentumshoheit,
schließt vereinbarungen ab, die ihre klassenstellung zur wirklichen,
von keinem nationalismus eingeengten macht durch gewinn und reichtum festigen.
die machtverständigung der oberklasse erstreckt sich über alle
wirtschaftsgebiete mit einschluß der herstellung der kriegswaffen,
welche dazu dienen sollen, den völkern im gegenseitigen abmetzeln
ihren nationalen machtdünkel lebendig zu halten, sie also durch eingebildete
autorität der fühlbaren autorität willfährig zu machen.
der nationalismus, das ist der hochmut, der sich auf volks- und staatszugehörigkeit
stützt, hat dieselbe quelle wie jedes wertgefühl, das statt auf
persönliche leistung und soziales verhalten auf umstände gegründet
ist, die außerhalb des willens des einzelnen liegen: die autorität,
die kritiklose anerkennung fordert, um macht ausüben zu können,
und die autorität und scheinmacht verleiht, um dem machtgedanken die
gefahr des zweifels an seiner berechtigung fernzuhalten.
die jüdische religion, die den einzigen, allmächtigen, allgerechten,
allgegenwärtigen gott mit dem finster drohenden verlangen über
die menschen setzt, in unaufhörlichem gebet angefleht, bewundert,
der hingegebenen verehrung versichert und für alles, selbst für
jede qual und demütigung bedankt zu werden, schuf den westlichen völkern
die voraussetzung zur hinnahme der vaterschaftsfamilie mit der gottähnlichen
stellung des über die seinen herrschenden oberhauptes. diese autoritären
vorbilder haben auch dem staat mit seiner nationalistischen ideologie die
bereitwilligkeit der menschen zur untertanschaft unter eine zentralistisch
schaltende macht zum verzicht auf selbstverantwortung, selbstbestimmung
und gleichberechtigung in den dingen des gesellschaftlichen zusammenlebens
erschlossen. gottvater, vater, vaterland—die einwirkung auf die gefügigkeit
der menschen geschieht überall auf die gleiche weise, indem sie die
soziale gegenseitigkeitsverknüpfung, die natürlich weder an hausmauern
noch an landesgrenzen aufhören kann, übersieht und die überheblichkeit
durch die verpönung aller glaubenslehren außer der eigenen durch
die vergottung der eigenen familie mit ihren vorfahren und eigentümlichkeiten,
durch die heiligsprechung der eigenen nation und die feindschaftspflege
gegenüber anderen völkern aus moralischer verpflichtung großzieht.
es ist das verhängnis der juden, daß sie, die die autorität
in ihrer verwegensten vollkommenheit als höchsten ausdruck der lebensgestaltung
über die menschheit gebracht haben, die wirkungen ihrer lehren am
bittersten spüren müssen. sie haben den glauben an den einzigen
allgott, die gottgewollte vaterautorität und folgerichtig die nationalistische
formel vom auserwählten volk gottes in die welt gesetzt. wer vom vaterland
spricht, spricht in jüdischer denkweise, denn er bekennt sich zur
verherrlichung einer, nämlich seiner nation, er bekennt sich zum auserwählten
volk. aus diesem bekenntnis leitet er das recht ab, andere völker
zu hassen, zu verachten, zu vergewaltigen, und die juden, ehedem selbst
eine in räumlicher umzäunung zentralistisch organisierte nation,
werden, über alle länder verstreut. von nationalistisch besessenen
nachfahren ihres geistes, aber anderen stammes, als eindringlinge, feinde
und verächtliche fremde verfolgt, beschimpft, verleumdet und mißhandelt.
das natürliche rechtsgewissen wird durch national- und rassenüberhebung
vernichtet. gleiche herkunft, gleicher stammbaum, gleicher wohnsitz und
versklavtsein an denselben herrn genügt zur ächtungsgemeinschaft
gegen die nachkommen anderer ahnen und die sklaven anderer herren.
es bedarf nach allem schon gesagten keiner begründung mehr, warum
der anarchismus mit nationalen oder rassischen wertunterscheidungen unverträglich
ist. anarchie bezeichnet eine menschengesellschaft, deren föderalistischer
aufbau die internationale ausweitung aller verbindungen, auch der gefühlsmäßigen,
ohne weiteres bedingt. die organisation der arbeit und des zusammenlebens
von unter herauf fußt auf der kultur der persönlichkeit, die
sich mit anderen persönlichkeiten im gleichen streben zur kameradschaft,
zur gemeinde, zum wirtschaftsverband, zum geistigen austausch im sprachbezirk,
im umkreis wissenschaftlicher, künstlerischer, technischer, sportlicher,
internationaler verbände, zur weltgemeinschaft zusammenfindet. die
persönlichkeit zieht aber ihre werte aus sich selbst, um nach ihrer
charakterbildung und ihrem schaffen im sozialen zusammenhange beurteilt
zu werden. die haar-, augen- und hautfarbe der vorfahren, die frage, ob
jemand diesseits oder jenseits eines flusses geboren sei, ob seine sprache
und lebensform von diesen oder jenen geschichtlichen, geographischen, klimatischen
umständen gestaltet wurde, kann nur von machtlüsternen und machthörigen
als urteilsmaß für menschenwerte verwendet werden. denn hier
waltet der drang, grenzlinien zu schaffen, um allen menschlichen organisationen
die pyramidenförmige gestalt, das zusammenlaufen aller fäden
in eine spitze, also zentralisation, also lenkung von oben herunter zu
sichern, mit der wiederum mißgunst und feindlicher wettbewerb mit
der nachbarorganisation und ihrer zentralen spitze verbunden ist.
eine geistig-seelische zusammengehörigkeit des menschen mit dem
boden gibt es natürlich; aber nur da, wo arbeit und leben unmittelbar
aus dem erdboden wächst. nur noch der bauer hat diese innige berührung
mit dem lande, die es zu einem stück seiner selbst macht, wie er sich
als bestandteil des von ihm beackerten grundes empfindet. aber der bauer
hat deshalb kein staatsbewußtsein, sondern heimatliebe. die vermengung
der begriffe heimat und vaterland gehört zu jenen umnebelungskünsten,
mit denen die machtzentralisten alles natürliche denken zu verwirren
suchen. vaterland ist ein vorgestelltes ideal ohne gedankliche bestimmbarkeit,
sachlich bezogen auf ein genau abgestecktes ländergebiet, dessen zusammenhalt
einzig in gemeinsamen, von einer zentralen regierung diktatorisch oder
demokratisch erlassenen, auf die machtverhältnisse und eigentumsrechte
zugeschnittenen gesetzen ruht. die grenzen dieses ländesgebietes sind
veränderlich, und um sie zum zwecke der machtvergrößerung
verändern zu können ist die vaterlandsidee in die von religiöser
und familiärer überlieferung hinlänglich zur aufnahme autoritärer
einflüsse vorbereiteten gemüter hineingesenkt worden. vaterlandsgefühl
ist ein künstlich hervorgebrachtes, in der seelischen veranlagung
der menschen nicht ursprünglich begründetes, machtbetontes geltungsbedürfnis,
gleichbedeutend mit staatsbewußtsein, das nichts anderes ist als
wissen um die zweckmäßigkeit staatlicher macht für die
machthaber im staate. es kann kein vaterlandsgefühl geben, das nicht
seine nahrung zöge aus der feindseligkeit gegen andere vaterländer.
die erziehung der jugend geschieht von früh auf im geiste der nationalen
traberhebung, indem das eigene land an hand der machtgeschichte der vergangenheit
als das einzige zur machtausübung berufene vaterland vorgeführt
wird. der von kirche und familie gepflegte geist der unterordnung unter
die autorität wird hier ergänzend auf die einbildung abgerichtet,
zugehörigkeit zu einem volke, staatsbürgertum innerhalb der eigenen
staatlichkeit berechtige zum herrschen über andere völker. solcher
staatsbürgerdünkel wird zur sittlichen pflicht gemacht, dadurch
aber, daß jede staatsmacht den dünkel für die eigene nation
heischt, daß jede rasse sich als die einzig auserwählte, des
vorrechtes werte ausgibt und niemandem erlaubt wird, sich beim vergleich
der werteigenschaften für eine andere nation als die eigene zu entscheiden,
wird neben der für die erhaltung jeder staatsmacht notwendigen feindschaft
zwischen den völkern die haltbarste stärkung des autoritätsgedankens
erreicht; geglaubt wird nicht was in selbständigem urteil erkannt
wird, sondern was zu glauben vorschrift ist.
heimatliebe hat mit vaterlandsverehrung nichts zu schaffen. daß
sich die vaterlandsprediger auf heimatsempfindungen beziehen, hat seinen
grund eben darin, daß der naturnahe mensch naturmäßige
hinweise braucht, um naturfremde wertsetzungen ins gefühl aufnehmen
zu können. heimatliebe hat der mensch, dessen wachstum aus landschaftlichen
und klimatischen reizen gefördert wurde. jedes nicht aus seiner natürlichen
umgebung gerissene tier empfindet heimatliebe, ohne sie je in vaterlandsgefühle
umzudeuten, ohne je für seine heimat erweiterte oder umpanzerte grenzen
zu wünschen. ein tier ohne heimat wird füglich auch keine heimatliebe
spüren, höchstens sehnsucht nach heimat. nicht anders ist es
beim menschen. kann der mangelhaft ernährte, in einem ungesunden kellerloch
aufwachsende junge mensch seine trübe kindheitsumgebung als lockendes
heimatbild über seinem lebensweg leuchten lassen? kann er - und dies
ist doch wohl das erkennungszeichen der heimatliebe - in der ferne vom
verlangen bewegt werden, vom dunstkreis seiner herkunft wieder umfangen
zu werden? wessen jugend kein heim hatte, wessen heim keine freude barg,
der hatte auch keine heimat, mit der ihn eine liebe verbinden könnte.
eine pflicht zur liebe aber gibt es nicht, und daß man heimatliebe
zur pflicht erhebt, indem man dem, dessen fuß nie ein heimatliches
stück besonnten landes berührt hat, von einem vaterlande zu überzeugen
vermochte, das seine hingabe, seine liebe, seinen heldensinn, sein blut
und sein leben fordern dürfe, das zeigt, bis zu welchem grade der
verzerrung der autoritätswahn die menschliche seele hat verunstalten
können.
der bauer, soweit er nicht schon als ausgebeuteter, dem großgrundbesitz
und der staatskasse verschuldeter oder auch selbst zum kapitalistischen
ausbeuter erniedrigter dem bäuerlichen naturgefühl entfremdet
ist, hat heimatliebe, weil er wirkliche heimat hat. ein bestimmtes stück
land umfängt ihn, ernährt ihn, ist ihm in sorge und freude vertraut;
seine arbeit verschmilzt mit seinem ganzen persönlichen leben, seine
scholle ist sein nest, die natur, ganz gebunden an die landschaft ist sein
besitzgut, und von ihr hängt das gedeihen oder das mißlingen
seines daseins ab. der bauer fühlt sich nicht als eigentümer
seines bodens, sondern als besitzer; er sitzt darauf mit denen, die viel
weniger seine machtunterworfene familie als seine in gegenseitiger verpflichtung
verbundenen helfer sind. wohl hat das priestertum auch in der bauernschaft
den geist der autorität hochzüchten können, so daß
bei der beharrlichkeit des bäuerlichen denkens die grundsätze
der ehelichen gebundenheit und der vaterhoheit, zumal in ihrer geschickt
gefädelten verquickung mit den regelungen des familien- und erbrechts
die welterneuerung auch auf dem lande noch genügend vorurteile der
macht zu überwinden haben wird. dennoch hat hier der kommunistische
anarchismus nicht das unzugänglichste, sondern das dankbarste feld
seiner zukunft zu erkennen.
die bauernschaft nämlich ist bis auf zeitliche erschütterungen
durch politische bearbeitung, die sich jedoch auf erregung von mißverständnissen
zur stimmengewinnung beschränken mußte, auch nur verhältnismäßig
geringe massen der bauernbevölkerung überhaupt erreichte, gegen
das eindringen nationalistischer einflüsse stets giftfest geblieben.
grade die tiefe verwurzelung mit der heimat schließt das vaterlandsgefühl
im landvolk ganz aus, das ihm mit dem vorgeben zugemutet wird, die heimat
erstrecke sich über das ganze jeweils staatlich beherrschte land,
welches, dem heimischen acker gleich, innerhalb der geltenden staatsgrenzen
zu lieben sei, wobei vor und nach kriegen das mit solcher liebe zu umfangende
gebiet in neuen, engeren oder weiteren grenzen ins heimatgefühl einbezogen
werden müsse. der bäuerliche geist kennt weder eine seelische
zusammengehörigkeit mit menschen, zu denen gar keine gemeinsamen lebenswege
laufen, mögen diese menschen immerhin innerhalb der gleichen staatsgrenzen
wohnen, noch kennt er haß und geringschätzung gegen fremde,
die nicht schädigend in seine kreise einzudringen suchen, mögen
diese fremden diesseits oder jenseits eines gebirgszuges hausen, mögen
sie eine hautfarbe, eine kopfform, eine ahnenreihe haben wie sie wollen.
dagegen sträubt sich die natur des bauern aufs heftigste gegen alles,
was ihm die selbstbestimmung in seinem schaffensbezirk schmälern will,
was den geist der gegenseitigen verständigung auf dem lande durch
obrigkeitlichen befehl zu ersetzen sucht, gegen jedes dreinreden einer
zentralstelle in seine angelegenheiten, gegen beamtentum und bürokratie,
gegen den staat, wo das dorf in frage steht, gegen das gesetz, wo verträge
möglich sind. jeder bauer ist, ohne es zu wissen, anarchist, und der
kommunistische anarchismus hat die größte anwartschaft, einmal
von bauern verwirklicht zu werden, da der gedanke, daß in voller
gleichberechtigung und unter ausschließung des zentralen gebotes
jeder nach seinen fähigkeiten arbeiten, jeder nach seinem bedarf verbrauchen
soll, den naturwillen enthält, wie er bei aller verleugnung durch
menschliche machtveranstaltungen unverlierbar fortbesteht und wie ihn die
bauern in allen ländern und gegenden im gefühl am leben wissen.
das bauerntum hat kein staatsbewußtsein und wird keines lernen, denn
es hat das bewußtsein der eigenen kraft, das ist das bewußtsein
der persönlichkeit und der föderativen, bündnishaften gemeinschaft
von persönlichkeiten zur versorgung der gesellschaftlichen geschäfte.
die anarchie wird ihre stätte zuerst auf dem lande finden, weil das
land nie ganz aufgehört hat, in anarchie zu leben und zu wirtschaften.
in anarchie leben, in anarchie wirtschaften heißt aber dem leben
und der wirtschaft die ordnung der freiheit schaffen. das nämlich
ist die erkenntnis der anarchistischen lehre: es gibt keine ordnung ohne
freiheit, und staat und zentralismus, autorität und macht sind nicht
allein unvereinbar mit aller freiheit, sie sind auch unvereinbar mit aller
wirklichen ordnung im lebendigen gesellschaftsgeschehen. was im vorigen
als die wesensform des föderalismus zu bestimmen versucht wurde, kann
im allgemeinen zugleich als die organisation freiheitlicher ordnung gelten.
unter ordnung versteht der sprachgebrauch die innehaltung einheitlicher
gesichtspunkte im gesellschaftlichen handeln. wo zentralismus, also die
regelung der dinge nach obrigkeitlichen anweisungen, waltet, unterliegen
die gesichtspunkte des gesellschaftlichen handelns den wechselnden nutzzwecken
der macht, ihre einheitlichkeit ist daher nicht verbürgt. das ineinandergreifen
der schaffenden kräfte, die das einzige merkmal lebendiger ordnung
ist, wird zur mechanischen geschäftigkeit, zum zwangsdienst zusammenhangloser
leistungen verdorben. zusammenhanglosigkeit aber ist das gegenteil von
ordnung, nämlich unterordnung, drill, zucht, unfreiheit, knechtschaft.
eine geordnete gesellschaft besteht durch verbundenen willen der menschen
zur erfüllung einheitlich erkannter, gemeinsamer aufgaben, setzt also
gleichheit, gegenseitigkeitsverpflichtung und soziales verantwortungsbewußtsein
jedes einzelnen voraus. mit einem wort: ordnung im sinne anarchistischer
auffassung kann nur wachsen aus der selbstbestimmung derer, die ordnung
halten sollen. ordnung aus selbstbestimmung aber ist gleichbedeutend mit
gesellschaftlicher freiheit.
freiheit ist der inbegriff alles anarchistischen denkens und
wollens. um der freiheit willen sind wir anarchisten, um der freiheit willen
sozialisten und kommunisten, um der freiheit willen kämpfen wir nur
gleichheit, gegenseitigkeit und selbstverantwortlichkeit, um der freiheit
willen sind wir international und föderalistisch gesinnt. dennoch
ist das wort freiheit in dieser aufzeichnung eines grundrisses des anarchistischen
weltbildes bis jetzt mit bedacht vermieden worden. das geschah, weil der
wille zur freiheit so ursprünglich und tief in den seelen der menschen
steckt, daß keine noch so autoritäre lehre ohne die anwendung
des freiheitsbegriffs und die behauptung, sie sei die eigentliche inhaberin
des freiheitsgedankens, auskommen kann. sogar jeder staat, sei er demokratisch,
faschistisch oder bürokratisch regiert, beruft sich auf die freiheit,
wenn er gesetze erläßt, kriege führt und gesinnungen unterdrückt.
alle revolutionen werden unternommen, weil die unfreiheit unerträglich
geworden ist, und ihr belebender kampfruf gilt immer der freiheit. aber
noch alle revolutionen sind verlorengegangen oder doch von dem wege abgeglitten,
den die revolutionäre gehen wollten, weil das verlangen nach freiheit
unerfüllt geblieben ist. denn keine partei, die sich an die spitze
einer revolution stellt, um sich an die spitze des volkes zu stellen, das
heißt, um die macht über die menschen zu ergreifen, geht in
ihrer freiheitswerbung je über das versprechen hinaus, sie werde den
zustand beseitigen, in dem sich das fehlen von freiheit gerade in die erscheinung
setzt. niemals erfahren ihre anhänger in faßlicher bestimmtheit,
wie die verkündete freiheit insgesamt beschaffen sein soll. im besten
falle werden freiheiten versprochen, die in einzelnen punkten erleichterungen
gegen das bestehende darstellen, nicht aber ein freiheitliches gesellschaftsbild
insgesamt zeigen.
freiheit ist indessen nichts, was gewährt werden kann. freiheit
wird genommen und gelebt. auch ist freiheit keine summe von freiheiten,
sondern die alle lebensumstände umfassende einheit der von jeder obrigkeit
und jeder autorität gelösten ordnung der dinge. es gibt keine
freiheit der gesellschaft, wenn die menschen in unfreiheit leben. es gibt
keine freiheit der menschen, wenn die gesellschaft unfrei, zentralistisch,
staatlich, machtmäßig organisiert ist. die freiheit der anarchie
ist die freie verbündung freier menschen zu einer freien gesellschaft.
frei ist der mensch, welcher freiwillig handelt, der alles, was er tut,
aus der eigenen einsicht der notwendigkeit oder wünschbarkeit seiner
tat verrichtet. die voraussetzung dafür, daß jeder mensch nur
in freiwilliger entschlossenheit das seinige tut, ist eine gesellschaft,
die keine vorrechte durch macht oder eigentum kennt. alles eigentum und
alle ideelle macht schafft abhängigkeit, hebt somit die freiwilligkeit
aller in allem beschließen und handeln auf, ist also mit wirklicher
freiheit unvereinbar. daher haben die individualisten unrecht, wenn sie
den satz aufstellen, jeder mensch habe den anspruch auf freiheit, doch
ende dieser anspruch bei der freiheit des nebenmenschen. wo das recht auf
freiheit nur den einzelnen irgendeine schranke findet, besteht keine gesellschaftliche
freiheit. wenn nämlich die begriffe freiheit und freiwilligkeit völlig
gleichgesetzt werden, kann die freiheit des einen niemals durch die freiheit
des anderen beeinträchtigt werden. andernfalls liefe ja die die freiheit
des mitmenschen störende handlung auf inanspruchnahme eines vorrechtes
hinaus, es bestände also der zustand der macht und der unterordnung.
wer jedoch vorrecht und macht ausüben will, ist dabei auf die willfährigkeit
von mitmenschen angewiesen, handelt also selbst nicht mehr unabhängig.
auch hieraus wieder ergibt sich die vollständige einheit von gesellschaft
und persönlichkeit und die richtigkeit der oben aufgestellten behauptung,
daß niemand frei sein kann, ohne daß es alle wären. es
bliebe noch der alte einwand zu entkräften, daß die freiheit
der menschen an der erfahrungstatsache scheitere, die die unselbständigkeit
der meisten und ihr angewiesensein auf einen führer erweise.
abgesehen davon, daß die unselbständigkeit der mehrzahl das
erziehungsergebnis sämtlicher autoritären mächte ist, die
je seelen und arbeitskräfte der menschen ausgebeutet haben, kann die
unzweifelhafte richtigkeit des gemeinplatzes, daß es verschiedene
begabungen gibt, und daß für manche erfordernisse anweisungen
geeigneter sachkundiger zweckmäßig sind, als beweis für
die naturbedingtheit gesellschaftlicher unfreiheit nur von leuten geltend
gemacht werden, die unter dem einfluß autoritärer erziehung
jeden glauben an freiheit verloren haben und selbst nach macht streben.
wir anarchisten verabscheuen eine führerschaft mit befehlsgewalt und
auf dauer gesicherter wirksamkeit, also jede staatsregierung, beamtenschaft
und parteizentrale, jede diktatur und jede klüngelherrschaft. aber
wir leugnen weder die nützlichkeit des spielleiters im theater noch
des vorsitzenden einer versammlung oder des kapitäns auf einem schiff.
hier teilen persönliche eigenschaften dem geeigneten bestimmte aufgaben
in bestimmten fällen zu. im politischen kampf und ebenso beim aufruhr
oder in der abwehr bewaffneter angriffe gilt dasselbe. wie eine wandernde
herde dem leittier folgt, das nicht gewählt ist, sondern voran geht,
weil es sich die beste witterung zutraut, aber ermüdet sogleich von
jedem anderen tier abgelöst werden kann, so verhält es sich bei
den menschen auch. es gibt wortführer, es gibt rädelsführer,
das sind personen, denen gefolgt wird, weil sie am klarsten den willen
aller zum ausdruck bringen oder am entschlossensten ans werk des handelns
gehen. führer ist, wer vormacht, nicht wer gesetze gibt oder eine
gefolgschaft am halfter hinter sich herzieht.
führerschaft im augenblick der tat und ohne anspruch auf dauer
und verzicht der andern auf urteil und selbstbestimmung schließt
keine freiheit aus, solange die freiwilligkeit der diensteinteilung keine
freiwillige verknechtung bedeutet. sie kann es nicht bedeuten, falls freiheit
und freiwilligkeit immer als der umfassende begriff für alle anarchistischen
gesellschaftswerte aufgefaßt wird. es gibt keine freiheit ohne gleichheit,
es keine gleichberechtigung ohne freiheit gibt. völlige freiwilligkeit
ist nur möglich beim bewußtsein wachster selbstverantwortlichkeit
und bei lebendiger wege gesellschaftlicher gegenseitigkeitshilfe. gegenseitigkeit
aber und selbstverantwortung, selbstvertrauen, selbstbestimmung können
nur gedeihen, wo die freiwilligkeit die triebkraft alles lebens ist.
anarchismus ist die lehre von der freiheit. wo ausbeutung ist, wo macht
ist, wo autorität waltet, wo zentralismus besteht, wo der mensch den
menschen bewacht, wo befohlen und wo gehorcht wird, ist keine freiheit.
die zerstörung aller obrigkeit, aller vorrechte, aller eigentums-
und versklavungseinrichtungen kann nur aus freiheitlichem gemeinschaftsgeist
erfolgen. die staatlose gemeinschaft freier menschen,—das ist kommunismus,
die verbundenheit gleicher in freiheit, das ist anarchie!
!!! FIGHT SEXISM!!!!!
SMASH PATRIARCHY !