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  • die befreiung der gesellschaft vom staat
    was ist anarchistischer kommunismus?

  •  1933 - sonderheft des fanal (berlin)



    II.

    der weg des anarchismus

    der wichtigste einwand gegen den anarchismus als gesellschaftliches ideal ist der zweifel, ob aus solcher freiheitslehre je mehr werden könne als ein ideal, ob zu seiner verwirklichung ein gangbarer weg überhaupt zu finden sei. die absicht dieser schrift ist nur, die meinung der anarchisten und ihre forderungen an solche menschen niederzulegen, welche die unfreiheit als übel empfinden.. wie weit die anarchistische meinung sich wird durchsetzen können und wie weit die kräfte der freiheitlich gesinnten menschen sich einmal gegen die widerstände autoritärer, zentralistischer, staatlicher machtauffassungen geltung verschaffen werden, läßt sich nicht voraussagen. es geschieht in aller menschengeschichte das, was der stärkste wille mit den stärksten mitteln erzwingt. dabei kommt es nicht darauf an, daß die stärke des willens und der mittel ziffernmäßig in erscheinung tritt, sondern darauf, daß der wille seine kraft aus der festigkeit, einheitlichkeit und wahrhaftigkeit einer idee zieht, und daß die mittel auf keine nebenzwecke hinzielen und in allen anwendungsformen der idee zugehörig bleiben.

    der kommunistische anarchismus ist in weltanschauung und zielsetzung revolutionär. da die grundsätze der gesellschaftlichen freiheit auf dem boden der kapitalistischen rechts- und wirtschaftsungleichheit keine handhaben zur verwirklichung finden, ist die vollständige umpflügung des bodens, die neuordnung aller menschlichen beziehungen, die umwälzung sämtlicher organisatorischen einrichtungen zur regelung von arbeit und verbrauch vorbedingung der umgestaltung im sinne anarchistischer gemeinschaft. gänzliche wandlung der lebensverhältnisse aller kann aber niemals auf dem wege langsamer entwicklung erreicht werden, durch die höchstens verbesserungen innerhalb eines gesellschaftssystems möglich sind. wie die entstehung von bergen und inseln in der natur nach einem langen entwicklungsvorgang von unterirdischen umschichtungen durch die plötzliche sprengung der die ausweitung hemmenden bestandteile des meeresgrundes oder des erdinnern geschieht, wie jede geburt dadurch erfolgt, daß sich ein während des vorbereitenden werdens im mutterleibe eingeschlossenes, zu eigenem sein bereites lebewesen gewaltsam den zutritt zum licht erzwingt, so kann auch das werden neuer gesellschaftszustände nur nach geeigneter vorbereitung und vorgeburtlicher entwicklung durch revolutionären ausbruch vor sich gehen. wenn schlechte, faulige, unerträgliche zustände herrschen, so ist das allerdings noch nicht genug, um der revolution die bahn frei zu machen. die vorgeburtliche arbeit an der neuen gesellschaft muß soweit gefördert sein, daß ihr befruchteter keim sich aus der umschließung befreit und die aufgabe der revolutionäre sich in der dienstleistung von geburtshelfern erschöpft, denen danach die weit schwierigere pflicht zufällt, die revolution am leben zu erhalten und ihr ein wachstum zu sichern, dem alle krankheitserreger der früheren gesellschaft ferngehalten werden, und das die ausformung des vorgestellten ideals zur wirklichkeit der lebendigen menschengemeinschaft verbürgt.

    der weg der anarchie ist somit zunächst ein weg revolutionärer vorbereitung. vorbereitung der revolution geschieht auf dreifache weise: durch werbung, indem das wesen der verwerflichen zustände aufgezeigt und zu ihrer beseitigung und zur schaffung wünschenswerter zustände ermahnt wird; durch selbsterziehung, indem die wahrnehmung schlechter einrichtungen den vorsatz weckt, sie zu ändern; endlich durch kampf. in der anarchistischen lehre ist nichts enthalten, was irgendeinen menschen von der teilnahme an den zurüstungen zur revolution ausschlösse, der sich durch sein verhalten nicht selbst ausschließt. die kommunistischen anarchisten sind indessen in wohl allgemeiner übereinstimmung davon überzeugt, daß die beseitigung übler veranstaltungen und einrichtungen nicht von denen zu verlangen ist, die sie geschaffen haben oder nutzen aus ihnen ziehen, sondern daß alle befreiung sache derer ist, die die fesseln der unfreiheit tragen. der kampf gegen die eigentumsrechte ist von denen zu führen, denen das eigentum vorenthalten wird, der kampf gegen ausbeutung und unterdrückung von den ausgebeuteten und unterdrückten, der kampf gegen herrenrechte von den sklaven und entrechteten. gleichberechtigung, gegenseitigkeit und selbstbestimmung nach maßgabe des sozialen gewissens wird kämpferisch vorzubereiten sein von denen, auf deren kosten die ungleichheit und das vorrecht, die obrigkeit und der unsoziale eigennutz sich auswirken. die befreiung der gesellschaft vom staat wird also vornehmlich von der klasse zu leisten sein, zu deren niederhaltung das kapitalistische system den staat braucht, deren gefügigkeit durch die autorität von kirche und schule, durch die machtgebilde von vaterschaftsfamilie und einehe, durch die gewöhnung an zentralistische organisationsformen zur erreichung feindlicher trennungen innerhalb aber lebensgebiete, durch die pflege nationalen und rassischen dünkels, durch gesetze, strafen, steuern, durch erwerbslosigkeit, hunger, elend, schlechte luft, bevormundung und entwürdigung betrieben wird. die befreiung vom staat ist befreiung aus der klassenknechtung, die geknechtete klasse muß trägerin des befreiungskampfes sein. der kampf für kommunistische anarchie ist daher während der zeit der revolutionären vorbereitung als klassenkampf zu führen.

    die bejahung des klassenkampfes durch die kommunistischen anarchisten ergibt sich aus dem bekenntnis zur selbstbestimmung und selbstverantwortlichkeit als notwendige folge. die klassenscheidung der gesellschaft im staate ist eine kampfmaßnahme des kapitals gegen die vermieter ihrer arbeitskraft, die proletarier. indem die arbeiter den kampf als klasse aufnehmen, betonen sie das natürliche recht auf die eigene bestimmung über ihre lebenslage. die einsicht, daß die staatlichen grenzziehungen äußerungen des klassensystems sind, indem die künstliche verfeindung der arbeiter der verschiedenen länder durch züchtung nationaler vorurteile die verbrüderung der ausgebeuteten verhindert, diese einsicht war der leitende gedanke bei der verständigung zur ersten arbeiter-internationale. der grundlegende wahlspruch aber, der sich international zusammenfindenden arbeiterklasse war das gelöbnis der selbständigkeit des proletariats in seinen meinungen und beschlüssen. die befreiung der arbeiterklasse muß das werk der arbeiter selbst sein! in dieser festlegung ist das bekenntnis zur selbstverantwortlichkeit, zur gleichberechtigung, zur gegenseitigen hilfe und zur freiwilligkeit enthalten, wie in der internationalen einigung zugleich die verneinung des staates, somit der zentralisation, der obrigkeit und der autoritären macht ausgesprochen ist. erst die durchsetzung des klassenkampfgedankens mit marxistischen lehrmeinungen brachte zugleich die klasseneinigung wie den internationalismus der arbeiter zum zerfallen. unter dem einfluß des marxismus schufen sich die arbeiter zentralistische partei- und gewerkschaftsorganisationen, bevollmächtigten beamte zur wahrnehmung der arbeiterinteressen, womit sie also ihren befreiungskampf in die hände übergeordneter vertreter legten, beteiligten sich an den wahlen zu den staatlichen parlamenten, so daß der staat mit seinen nationalen grenzen für sie wieder gegenständliche bedeutung erhielt und ließen sich sogar nur den staatlich verwalteten sozialismus einfangen. so ist der arbeiter zum staatsbürger geworden, und sein kampf gegen die ausbeutung zerschellt an dem widerspruch, daß er den die ausbeutung bedingenden öffentlichen apparat stützt und stärkt.

    die besondere taktik der anarchisten gegenüber den marxisten in allen einzelheiten darzustellen, ist hier nicht der ort, da diese seiten nur einen allgemeinen überblick über das wesen des anarchismus umreißen sollen. die führung des klassenkampfes unter anarchistischen gesichtspunkten bedarf aber nur der anwendung der anarchistischen gesinnung, um ihm die aussicht auf die befreiung des proletariats zu sichern. zur organisatorischen zusammenfassung besteht für kommunistische anarchisten weder eine verpflichtung, noch ist die idee des anarchismus mit der schaffung einer organisation unverträglich. nur wäre die bildung zentralistischer vereinigungen und bürokratisch geleiteter zusammenschlüsse im widerspruch zu der grundlehre des anarchismus, daß nur da gesellschaftliches leben ist, wo jeder persönlichkeit der willensbewußte einfluß auf alle festlegungen und unternehmungen zusteht. die führung des klassenkampfes in eigenen gewerkschaften, wie ihn die anarcho-syndikalistische bewegung betreibt, ist vom standpunkte des freiheitlichen sozialismus völlig unangreifbar, und nicht derjenige verletzt anarchistische grundsätze, der sich mit gleichstrebenden genossen in wirtschaftlichen kampfverbänden zusammenschließt, sondern derjenige, der föderalistisch aufgebaute berufs- oder betriebsorganisationen angreift, weil er selbst aus noch so wohlerwogenen gründen ihnen nicht beitreten mag. hierin gerade ruht die kraft des föderalistischen gedankens, daß niemand gehalten ist, sich einem programm unterzuordnen, das er nicht selbst mit aufgestellt hat und dem er nicht in allen punkten zustimmt. der beliebte marxistische angriff auf die anarchisten, bei ihnen gäbe es dutzende von verschiedenen richtungen und ansichten, schlägt nicht allein deshalb fehl, weil auch der marxismus sich in zahllose gruppen spaltet, sondern vor allem, weil ein kameradschaftliches nebeneinander erst dadurch ermöglicht wird, daß jeder meinung die art ihrer vertretung und die form ihres kampfes völlig freigestellt bleibt, ohne daß deswegen streit und vorrangsanspruch entstehen müßte. die zentralen bürokratien der marxistischen gruppen müssen trotz ihrer nahen verwandtschaft in allen politischen und allgemeinen anschauungen erbittert gegeneinander kämpfen, weil gegenseitige duldsamkeit immer der autorität abbruch tut, und weil jede abgrenzung von herrschbereichen notwendig feindselige abgrenzung bedeutet. föderalistische gruppenbildungen hingegen fördern die nachbarliche eintracht, indem sie freundschaftliche trennungen bewirken, wo keine übereinstimmung vorhanden ist, was das zusammengehen in den übrigen angelegenheiten um so ersprießlicher macht. wenn hier und dort auch zwischen benachbarten anarchistischen vereinigungen unverträglichkeit und ränkesucht vorkommt, so ist das keine widerlegung der föderation, es ist nur ein beweis dafür, daß die überlieferung des zentralismus, des machtgelüstes, der unduldsamkeit ihre krallen noch nicht überall von den geistern selbst solcher menschen gelöst hat, die mit dem verstande die vorteile des föderalismus begriffen haben.

    die von unten aufgebaute organisation führt personen zu bünden zusammen, oft die gleichen personen zu verschiedenartiger verbündung. man organisiert sich unter dem gesichtspunkt der unmittelbaren zusammengehörigkeit nach gesinnung, aufgaben und örtlichkeit. die gesinnungsgenossen, die zu gemeinsamer tätigkeit verbundenen, die in häusern, straßen, gemeinden, städten auf gleichmäßige bedingungen angewiesenen halten bei völliger selbständigkeit in allen entschlüssen gute fühlung zu bünden ähnlicher beschaffenheit. es findet dauernde gemeinsame beratung in betrieblichen, beruflichen, weltanschaulichen dingen statt, der grundsatz der gegenseitigen unterstützung ist für alle gemeinschaftlichen maßnahmen verbindlich, ohne der selbstverantwortung jeder persönlichkeit und jeder gruppe abbruch zu tun. es entsteht ein netzartiges gewebe bis ins einzelglied selbständiger, einander wechselseitig durchwirkender arbeits-, gesinnungs- und nachbarsbünde, deren einfluß- und raumgebiet von hof zu hof, von dorf zu dorf, von bezirk zu bezirk, von provinz zu provinz, von land zu land, oder auch von werkstatt zu werkstatt, von betrieb zu betrieb, von industrie zu industrie, kurz in jeder wirtschaftlichen und geistigen beziehung von mensch zu volk und gesellschaft ausgreift und in lebendiger gemeinschaft alle beteiligten allen anderen beteiligten kameradschaftlich zuteilt. die anarchistische organisation hat stets so auszusehen, daß sie im kleinen das bild der erstrebten freiheitlichen gesellschaftsorganisation vorführt.

    ebenso wie bei der gestaltung der organisationsformen gilt auch für das gesamte übrige verhalten der anarchisten die allgemeine regel: der weg zum vorgesteckten ziel soll geradeaus führen, das heißt, es soll kein umweg benutzt werden, bei dem das ziel je aus den augen verloren werden kann. schon beim ersten vorbereitenden schritt und weiterhin ohne unterbrechung bis zum ausbruch der sozialen revolution und in allen entwicklungsstufen beim aufbau der freien kommunistischen gesellschaft haben für die anarchisten die leitenden grundlehren der gleichberechtigung, der selbstverantwortung, der sozialen gerechtigkeit, des föderalismus und der vollständigen freiwilligkeit im wollen und handeln das vorgehen zu bestimmen. alles tun ist aufs letzte und aufs ganze gerichtet; jede maßnahme erfolgt in der erkenntnis, daß persönlichkeit und gesellschaft eine materielle und sittliche einheit ist; der einzelne anarchist, der anarchistische bund, der bund anarchistischer bünde richtet in werbung, erziehung, in kampf und benehmen seinen ganzen willen auf die verwirklichung der staatlosen sozialistischen freiheit, schaltet nebenzwecke aus und lebt im verpflichtenden bewußtsein, durch sein beispiel in der gegenwart die möglichkeit eines freiheitlichen und gerechten lebens der künftigen menschheit zu beweisen.

    aus dieser allgemeinen regel ergibt sich das verhalten der anarchisten in der politik von selbst. die behauptung, die anarchisten verneinten den politischen kampf überhaupt, ist eine törichte, durch nichts gerechtfertigte unterstellung. politik ist beschäftigung mit den öffentlichen dingen. der vorsatz, die öffentlichen dinge zu ändern, ist also allein schon und erst recht in verbindung mit der planmäßigen verfolgung dieses vorsatzes, bestandteil der politik. es handelt sich hier um eine marxistische verdächtigung, um den anarchismus wegen seiner ablehnung einer politik, die den sozialismus auf dem wege der teilnahme an der verwaltung des staates herbeiführen möchte, als unkämpferisch oder kampfunfähig erscheinen zu lassen. die anarchistische formel für den politischen kampf war von jeher: ablehnung jeder politik, die nicht unmittelbar und direkt die befreiung der arbeiterklasse zum ziele hat. damit ist klar ausgedrückt, daß gerade die marxistische politik der parlamentarischen tätigkeit in den vom kapital eingerichteten staatlichen machtorganen von den anarchisten als kampfhemmend angesehen wird, da sie nicht nur die abgeordneten von ihrer klasse loslöst und zur oberschicht macht, sondern noch dazu den staatlichen verwaltungsorganen den belebenden auftrieb einer opposition schafft, keinerlei nutzen für das werktätige volk im sinne sozialistischer förderung bewirken kann und die proletariermassen mit der einbildung füttert, die übertragung ihrer initiative auf mit weitreichenden vollmachten versehene vertreter ersetze den notwendigen selbstverantwortlichen kampf der arbeiterklasse selbst. gar nicht davon zu reden, daß die abordnung von parlamentariern, regierungsorganen, stadträten, staatsbeamten die autorität jeder zentralen obrigkeit befestigt und den machtgedanken im proletariat ungeheuer stärkt. die anarchisten verweigern dem staat jede art hilfe. ihre politik erschöpft sich im einsatz jedes einzelnen individuums und aller autoritätsfeindlichen vereinigungen zum unmittelbaren, auf das ziel gerichteten kampf gegen den staat, gegen die staatlichen einrichtungen und regen alle zentralen machtgebilde.

    damit beschränkt der anarchismus nicht etwa seine kampfmittel; er scheidet nur aus ihnen die waffen aus, die er als stumpf erkannt hat. die sich aus der anarchistischen weltanschauung von selbst empfehlende kampfesweise ist die des unmittelbaren eingreifens. da die macht des kapitalismus in der produktionsweise und den eigentumsrechten der bestehenden gesellschaft gipfelt, bevorzugt die anarchistische lehre den politischen kampf in wirtschaftlichen formen. der vereinigte wille der menschen, deren hände die hebel der maschinen bewegen, ist imstande den gesamten kapitalistischen apparat stillzulegen. der streik, die unmöglichmachung der arbeit (sabotage), der passive widerstand durch übertrieben genaue beobachtung der betriebsvorschriften, durch behinderung von streikbrechern, durch absichtliche pfuscharbeit, die sperre (boykott) für gewisse waren sind methoden der sogenannten direkten aktion, alles maßnahmen, die an den opferwillen und die entschlußkraft des einzelnen hohe anforderungen stellen. der anarchismus schließt kein kampfmittel aus, das der persönlichkeit des kämpfenden die aufgabe stellt, unmittelbar einzugreifen oder seine mitwirkung an gemeinschädlichen maßnahmen, an unsozialen arbeiten, an herausfordernden zumutungen unter einsatz seiner person zu verweigern. so sollte kein anarchist an staatlichen kriegen teilnehmen, die stets für kapitalistische zwecke von proletariern gegeneinander ausgekämpft werden und die nicht nur alle grundsätze des gleichen rechtes, der gegenseitigen hilfe und der freiwilligkeit verhöhnen, die selbstverständlichen empfindungen der menschlichkeit und jedes sittlichen anstandes schänden, und die internationale zusammengehörigkeit der ausgebeuteten an die nationalen interessen der international versippten ausbeuter verraten, sondern mehr als alles andere dazu beitragen, den machtgedanken und damit den glauben an die himmlische und irdische autorität, die herren- und sklaveninstinkte derer, die beherrscht werden sollen, ins triebleben der entwürdigten menschheit einzupflanzen.

    es braucht nicht im einzelnen aufgezählt zu werden, wo alles sich möglichkeiten bieten, mit dem mittel des unmittelbaren eingreifens selbstverantwortlich und in gegenseitiger hilfe den lauf der öffentlichen dinge im sinne der freiheit zu beeinflussen. arbeitsverweigerung beim bau von kriegsschiffen kasernen, zuchthäusern, justizgebäuden, bei der herstellung von kriegswaffen, polizeimunition, arbeiterfeindlichen zeitungslügen, dies und tausend andere arten der selbsthilfe im politischen kampfe gibt es, die dann angewendet werden können, wenn entschlußkraft des einzelnen, verbundener wille einsicht und opferbereitschaft groß genug sind. bei der anwendung der kampfmittel des persönlichen eingreifens kann die frage, ob sich anarchisten an den tageskämpfen um lohn und arbeitszeit beteiligen sollen, ganz ausscheiden. der verfasser dieser schrift teilt mit einer großen zahl anarchisten die ansicht, daß das einsetzen der eigenen kraft eines arbeiters für bessere bezahlung bei verkürzter leistung mit der forderung, nur kämpfe zu führen, die unmittelbar auf befreiung gerichtet sind, in keinem widerspruch steht. der bestand der kapitalistischen wirtschaft wird durch forderungen der arbeiter die nur fürs tägliche brot gebührt werden, nicht gestärkt, wie die staatsmacht durch teilnahme von arbeiterparteien am parlamentarismus gestärkt wird. dagegen hebt jeder streik das selbstgefühl des teilnehmers, vertieft das gefühl kämpferischer zusammengehörigkeit der kameraden und erleichtert beim erfolge die äußere lebensführung des arbeiters, wodurch nur schwächlinge tatfaul, freie und starke naturen aber beschwingt werden. der klassenkampf ist ein vom kapitalismus geschaffener zustand; die weigerung der arbeiter, sich innerhalb der gegebenen verhältnisse an diesem kampf auch dann zu beteiligen, wenn dadurch unmittelbare revolutionäre erfolge nicht erzielt werden können, hieße, dem feinde den rücken widerstandslos hinhalten, ihn allein den klassenkampf führen lassen und dadurch die eigene kraft für den augenblick schwächen, wo der zustand des klassenkampfs in entscheidende auseinandersetzung übergehen könnte.

    die anarchistische lehre schreibt keine kampfmethode vor und lehnt keine ab, die mit selbstbestimmung und freiwilligkeit in einklang steht. so ist bei gewaltsamen aufständen der wille des einzelnen allein ausschlaggebend für die art seiner mitwirkung, auch dafür, ob und wie weit er sich in kampfverbände eingliedern mag, deren taktik in mancher hinsicht von freiheitlichen gesichtspunkten aus angreifbar ist. es liegt nicht im charakter eines jeden menschen, bei großen geschehnissen prüfend und nörgelnd abseits zu stehen, wenn nicht alles nach seinen wünschen geschieht und lieber gar nichts zu tun als einem kampfe beizustehen, der nicht überall vom rechten geist erleuchtet ist. noch immer, wo revolutionäre kämpfe geführt wurden, waren die anarchisten erfreulicherweise fast ausnahmslos dabei, an der seite der arbeiter, die zentralistischen einflüssen unterstanden und autoritär mißleitet wurden. hier entschied das soziale zugehörigkeitsgefühl, das bewußtsein der gegenseitigkeitsverpflichtung aller ausgebeuteten, der unbezähmbare kampfwille, der es nicht erträgt, andere gegen den gemeinsamen feind allein zu lassen und vor allem der wunsch, den mut, die aufopferung, die leidenschaft, die da, wenn auch vielleicht mit schiefer zielsetzung, herrliches leistete, mit freiheitlichem schwung zu beseelen. mag bei solchem wollen mancher anarchist ziemlich weit aus seiner eigenen bahn geraten sein, er hätte an der anarchistischen idee erst dann verrat geübt, wenn er die kämpfer mit schulmeisterlichen ordnungsrufen im kampfe behindert hätte. die freiheit ist kein mustergeschütztes gut mit ringsum abgemessenen und abgewogenen eigenschaften. die freiheit ist ein geistiger lebenswert, der überall zugang finden kann, wo kraft in bewegung gekommen ist. aufgabe der anarchisten ist, der freiheit den zugang zu schaffen, wo menschen im kampf stehen.

    von derselben seite, die den anarchisten die enge ihres politischen tätigkeitsfeldes glaubt zum vorwurf machen zu sollen, weil sie die vergeudung von proletarischen kampfkräften in stimmzettelhäufung als klassenkampfwidrig angreifen wird ihnen eine bestimmte, in der vergangenheit vielfach von anarchisten angewendete form des unmittelbaren zufassens verübelt. die gewaltsame einzeltat, erklären die marxisten, sei verwerflich, weil sie das planvolle handeln der massen im revolutionären kampfe durchkreuze und infolgedessen den gegenrevolutionären kräften willkommene vorwände zu vergeltungsmaßregeln liefere, so daß also die ganze klasse nur das unternehmen eines einzelnen büßen müsse. der grund für diese verurteilung individueller tötungen, brandlegungen, enteignungen und ähnlicher taten aus politischer überzeugung ist sehr durchsichtig. sie fließt durchaus nicht aus moralischen bedenken, denen in der marxistischen denkweise ja allenthalben nur eine sehr untergeordnete rolle zukommt; auch wird von diesen bekämpfern des individuellen schreckens der massenschrecken als politisches kampfmittel ausdrücklich gebilligt. es ist die feindschaft autoritärer zentralisten gegen jede selbstverantwortliche regung einer nach eigenen überlegungen handelnden persönlichkeit, die sogar die aufopferung des lebens im dienste der revolutionären idee mißbilligt, wenn die tat nicht von einer zentralen obrigkeit beschlossen, befohlen und beaufsichtigt wird. jedes heraustreten eines einzelnen menschen im kampfe bedeutet eine vom standpunkt des herren-, priester-, vater- oder zentrale-denkens schädliche minderung der beglaubigten macht, bedeutet den beweis, daß wirksame taten auch auszuführen sind, wenn sie nicht von oben her gelenkt und berechnet sind. so blöde die meinung ist, die individuelle gewalt sei ein ausschließlich anarchistisches werbemittel - in der neueren zeit sind politische morde fast nur von nationalisten begangen worden—, ebenso blöde ist die ansicht, sie könne im klassenkampf keine stätte haben oder die anarchisten hätten anlaß, sich von den gewalttätern aus ihren reihen abzugrenzen. hier entscheidet vollständig selbständig die persönlichkeit über die tat, und kommt die persönlichkeit aus anarchistischer überzeugung zum beschluß und zur ausführung, so unterliegt das geschehen selbstverständlich der beurteilung nach zweckmäßigkeit und erfolg, aber niemals der verurteilung aus der klassenkampfgesinnung heraus. die anarchistische freiheitslehre stellt das recht der persönlichkeit viel zu hoch, als daß sie es da, wo eine beleidigte natur ihrem gefühl den ausdruck der vergeltung gibt, wo ein freiheitlich gesinnter mensch der werbung, der warnung, der einschüchterung, des trotzes wegen oder um ein kampfzeichen zu geben mit einer aufschreckenden tat vor die welt tritt, verleugnen sollte. in dieser betonung der persönlichkeit liegt zugleich die heftige zurückweisung der marxistischen auffassung, gewalttätigkeit werde dadurch gerechtfertigt, daß sie auf zentrale weisung geübt werde. gerade dann entsteht mechanische gewalt, die hand, die sie ausführt, ist bloßes werkzeug, der mensch, der sie begeht, bloßes vollzugsorgan. nur die tat aber ist nach anarchistischer denkart sittlich zu verantworten, die aus freiem willen des täters, nach der erwägung im eigenen hirn, aus der eigenen ernsthaft überprüften überzeugung und unter einsatz des eigenen lebens dessen, der sie beschlossen hat, mit dem bewußtsein unternommen wird, ein werk gegenseitiger hilfe, ein werk brüderlicher pflicht, ein werk im dienste der idee und der klasse zu verrichten. ob es sich dabei um die tat eines einzelnen, um die verschwörung verbündeter oder um eine massenunternehmung handelt, macht dann keinen unterschied, wenn jeder mittäter herr des eigenen handelns bleibt, nur tut, was er selbst überlegt und wozu er sich aus seinem sozialen gewissen heraus entschlossen hat, und die ganze persönlichkeit freiwillig und ohne untertanengehorsam und machtfurcht für die gemeinsame sache einsetzt.

    einsatz der persönlichkeit ist der anarchistische weg zur revolution, wie späterhin die bedingung zum siege der revolution und endlich das mittel zur errichtung der staatlosen gesellschaft und der inhalt des lebens im kommunismus. das ist der sinn alles unmittelbaren eingreifens durch streik, sabotage, widerstand, weigerung, individuelle oder verschwörerische tat, daß jeder einzelne beteiligte mit leib und willen dabei sein muß, daß alles was geschieht in freier übereinstimmung der handelnden selbst geschieht, daß keiner zentralen leitung gefolgt wird, sondern dem selbstverantwortlichen pflichtbewußtsein der von gesellschaftlichem geiste erfüllten persönlichkeit. wo massen in bewegung sind, müssen es zur masse vereinte persönlichkeiten sein, sonst kann ihre bewegung nicht zur freiheit führen, sondern nur zur übertragung von macht an diejenigen, die sie führen. die kultur der persönlichkeit bedeutet nämlich nicht das heranzüchten von führern, sondern ist im gegenteil der einzige schutz gegen die gefahr von führern mißleitet zu werden. die zentralistischen arbeiterparteien, wie überhaupt alle autoritären organisationen und mächte verlangen, um ihren führern die blinde gefolgschaft der gebührten zu sichern, durchaus keine wege der persönlichkeit, und zwar ebenso wenig von den führern wie von den geführten. wo persönlichkeit wirkt, ist freiheitlicher geist der mit keinem zentralismus vereinbar ist. die autoritären führer erheben sich über die menge niemals durch die überlegenheit in charakter und geistigem wert, sondern immer nur durch befehlshabereigenschaften, die sich nur bei gering entwickelten persönlichkeiten großziehen lassen. daher ist es auch gewöhnlich so, daß die führer zentralistischer organisationen nicht durch eigene willenskraft an die spitze gelangen, sondern zu führern ernannt, nicht einmal gewählt, werden, da sie die eignung bewiesen haben, unkritisch machtbefehle von einer ihnen überstellten obrigkeit an ihre untergebenen weiterzuleiten und mit autoritären ansprüchen vor kritik zu schützen. solche führer aber werden, ebenfalls durch ernennung, zu verehrungswürdigen und unfehlbaren personen aufgeblasen, was nur dadurch möglich wird, daß man den persönlichkeitswert der menschen allgemein zum nichts herabdrückt. je weniger die persönlichkeitskultur gilt, um so üppiger steht der personenkult in ansehen. der anarchismus verwirft jeden personenkult und wirkt ihm entgegen durch sorgsame pflege der persönlichkeit. wo jeder alle sozial nützlichen und den eigenen lebenswillen stärkenden eigenschaften frei und unbehindert ausbreiten kann, sich seiner besonderheiten und seiner leidenschaften, sofern sie dem gemeinsamen ganzen keinen abbruch tun, vor niemandem zu schämen braucht, da ist die achtung aller vor allen verbürgt, da ist gegenseitige ehrung, da hat macht, vergottung, kriecherei, personenkult und herrschaft keine stätte.

    die kampfbewegung des anarchismus kann bei solcher gesinnung nur die bewegung in freiwilligkeit vereinter persönlichkeiten sein. damit beantwortet sich die frage von selbst, ob die idee der freiheit zu ihrer pflege und ausbreitung einer massenorganisation bedarf. sie bedarf des zusammenschlusses aller männer und frauen, welche die notwendigkeit der anarchie als gesellschaftliche lebensgrundlage erkannt haben und entschlossen sind, in föderativem bunde unter einsatz der ganzen persönlichkeit jedes einzelnen, bei völliger gleichberechtigung aller und nach dem grundsatz der freiwilligkeit jeder leistung ihre verwirklichung herbeizuführen. je mehr menschen sich zu dieser aufgabe verbünden, um so rascher und sicherer wird die befreiung der gesellschaft vom staat gelingen. wenn alle menschen anarchisten sein werden, wird die anarchie tatsache sein. dagegen ist die ansammlung möglichst vieler menschen in einer organisation, gleichviel ob sie deren geistigen inhalt in sich aufgenommen haben oder nicht, nie und nimmer das mittel, einen kampf zu bestehen, der auf selbstverantwortlichkeit jedes kämpfers, auf gegenseitige durchdringung mit freiheitlichen erkenntnissen und auf entschlußfreiheit der persönlichkeit fußen muß, soll er zur zerstörung der macht führen, ohne einer anderen macht zum aufstieg zu verhelfen. die zentralistischen parteien rufen zum beitritt auf, indem sie nicht nach innerlich erfüllten anhängern ihrer zielsetzung suchen, sondern sich jedes zulaufs freuen, der die zahl ihrer mitgliedschaft vergrößert. da ihr anhang von vornherein zur bloßen gefolgschaft bestimmt ist und die führer erledigt wären, wenn selbstdenkende persönlichkeiten ihre anweisungen prüfen dürften, bevor sie ihnen gehorchen, bedeutet vermehrung der zahl für sie vermehrung von macht. sie sammeln autoritätshörige nummern in ihren pferch, und ihre werbung vollzieht sich durch die zusicherung von vorteilen, falls die geführten genau nach den anordnungen der führer ihnen die befehlsgewalt über die gesamtheit verschafft haben werden. ihren erfolg berechnen die parteizentralen nach der ziffer derer, die ihrem rufe folgen. auf überzeugung legen sie so wenig wert, daß sie ihre werbetätigkeit hauptsächlich unter den mitgliedern feindlicher organisationen entfalten, die sie mit lockenden versprechungen gewinnen, in ihre reihen einzutreten. eine gesinnungswandlung wird dabei weder verlangt noch erwartet, der von der aussicht auf vorteile geköderte aber ohne weiteres der zahl der überzeugungstreuen anhängerschaft zugerechnet: jede zentralistische organisation ist sogar bereit, der massengewinnung wegen abstriche und änderungen im programm und im kampfverfahren vorzunehmen, und noch jede revolutionäre partei hat, da sie zur vergrößerung ihres mitgliederbestandes auf unrevolutionäre massen angewiesen ist, zugeständnisse an ängstliche stimmungen und versprechungen machen müssen, die sich auf bloße ausbesserungen an den erscheinungsformen des kapitalistischen staates beschränken. jede hat anpassungen an kirchliche und nationalistische erziehungsvorurteile vorgenommen, so daß mit der hochzüchtung zentralistischer organisationen zu massenparteien zwingend die allmähliche preisgabe der revolutionären und selbst der sozialistischen zielsetzungen eintrat.

    die zusammensetzung anarchistischer vereine oder bünde kann und darf keiner anderen erwägung unterworfen sein, als dem bedürfnis von anarchisten, mit anderen anarchisten zusammen für die anarchie zu wirken. der föderalistische charakter aller anarchistischen zusammenschlüsse kann den gedanken, massen von teilnehmern in einer gruppe organisatorisch zu erfassen, gar nicht aufkommen lassen. die politischen vereinigungen der anarchisten müssen stets darauf bedacht sein, jeden einzelnen genossen gleichberechtigt mit allen zur geltung kommen zu lassen. da keine zentrale, keine führerschaft im sinne der überordnung vorhanden ist, deren macht sich im verhältnis zur zahl der ihr gehorsamen anhängerschaft steigert, hat keine anarchistische gruppe von der aufnahme schwankender, unüberzeugter und herdenmäßig zusammenströmender personen nutzen zu erwarten. da ferner keine herrschsucht, kein persönlicher ehrgeiz und kein strebertum bei anarchisten auf die rechnung kommt, materielle lebenssicherung nicht geboten wird, auch keine aussicht auf beförderung besteht, bleiben leute, die auf den schultern des proletariats den aufstieg zur oberschicht vollführen möchten, der anarchistischen bewegung von selbst fern. in nichtrevolutionären zeiten ist daher an das anwachsen anarchistischer organisationen zu aufnahmebecken von massen nicht zu denken. die aufgabe dieser vereinigungen erschöpft sich in der pflege der idee, der kameradschaft, der klärung widerstreitender meinungen, der erörterung aller fragen, die die arbeiterschaft, die revolution und die freiheitliche bereitung der sozialistischen zukunft betreffen und in der beispielgebenden ausgestaltung föderativen organisationslebens. daß dabei die gefahr naheliegt, in unfruchtbarem vereinsgeschwätz zu verknöchern, sich mit dem ewigen schmoren im eigenen fett zufrieden zu geben und den zusammenhang mit der von tagesfragen bewegten arbeiterklasse zu verlieren, darf nicht verkannt und soll nicht verschwiegen werden. diese gefahr kann aber bei rechtem verstehen der anarchistischen lehre leicht vermieden werden, wenn die genossen begreifen, daß der kampf nur eine idee sich niemals außerhalb des kampffeldes abspielen kann. dazu braucht der anarchismus nicht den rahmen nur massenaufzüge und massenschwüre abzugeben; aber er hat überall einzuwirken, wo die massen aufmarschieren und schwüre ablegen. aufgabe der anarchisten ist, ohne eigennutz für die eigene organisation alle massenveranstaltungen zu beleben und zu ermutigen, alle erregungen im öffentlichen geschehen tätig zu beeinflussen, in alle revolutionären stimmungen den geist der freiheit hineinzutragen. ein anarchist ist nicht derjenige, welcher die marken eines anarchistischen grüppchens klebt, sondern der, dem die einheit von persönlichkeit und gesellschaft, das soziale bewußtsein der selbstverantwortung, der gleichberechtigung, der freiwilligen gegenseitigen verpflichtung, die abkehr von macht, kapitalismus, staat und autorität zum inhalt der idee und zum steuer des verhaltens geworden ist.

    ob, in welcher form und in welchem umfang sich die anarchisten in gesinnungsverbänden organisieren, ist, sofern die allgemeinen grundsätze gewahrt und das entstehen von autorität in den eigenen reihen verhindert wird, von nebensächlicher bedeutung. um so schwerer wiegt die frage, in welcher weise der wirtschaftlichen umgestaltung der gesellschaft durch anarchistische tätigkeit vorgearbeitet werden kann. die politischen arbeiterparteien bezichtigen die anarchisten, sie seien in kleinbürgerlicher denkart befangen, der materialistischen dialektik unzugänglich - das ist die lehre vom zusammenfluß gegensätzlicher erscheinungen zur höheren einheit der aus nur ökonomischen quellen gespeisten gesellschaftsgeschichte -, sie wollten erst die menschen bessern und nach der läuterung aller gemüter aus idealistischen bausteinen die gerechtere wirtschaft in sozialismus und kommunismus aufrichten. das gegenteil davon ist richtig. in krassem gegensatz zu den marxistischen zentralen lehnt gerade der anarchismus jedes bestreben ab, die arbeiterschaft anders als in organisationen auf ökonomischer grundlage zu sammeln. dialektisches denken mag gut oder schlecht sein, das zu entscheiden gehört in den aufgabenbereich der philosophen.

    den arbeitern hilft die anwendung dieser oder jener schulweisheit aus der welt der begrifflichen unwirklichkeit in ihren kämpfen nicht das mindeste. die aufforderung, sie sollen bei allen taten die geschichtlichen gegenwirkungen vorsorglich mit in rechnung stellen, ist eher geeignet, die dialektik als bremse in allen unternehmungsmut einzuhängen. ebenso verursacht die teilnahme an der gesetzgebung und der versuch, auf die regierungsgeschäfte des kapitalistischen staates einfluß zu nehmen, nur die täuschung, die umwälzung der gesellschaft könne von anderen kräften bewirkt werden als von der unter ökonomischen gesichtspunkten klassenmäßig zusammengefaßten gesamten arbeiterschaft und den entsprechend organisierten bauern.

    der einfluß der anarchisten auf solche zusammenfassung kann nur dadurch sichergestellt werden, daß ans werk gegangen wird. wie überall die taktik der anarchisten von dem streben bestimmt sein muß, die sittlichen und praktischen grundsätze der freiheitlichen lehre zur anwendung zu bringen, so müssen sie versuchen, schon in der gegenwart organe zu schaffen, die pläne nur die föderalistische wirtschaftsführung der durch die revolution reif werdenden gesellschaftsordnung zu entwerfen haben. dient die werbung unter den massen wesentlich dem zweck, den umsturz durch die aufzeigung der ungerechtigkeit und widersinnigkeit der kapitalistischen verhältnisse zu beschleunigen, dient die gewerkschaftliche und erzieherische arbeit dem zweck, sich unter den bestehenden umständen ökonomisch und seelisch kampfbereit zu erhalten, so darf darüber das ziel der kommunistischen anarchie nicht aus dem auge verloren werden. die überleitung zu diesem ziel ist nach der durchführung der politischen revolution die soziale revolution.

    die empörung, die erhebung, der entscheidungskampf gegen die alte gewalt, der umsturz, die errichtung revolutionärer dienststellen, die sicherung des errungenen, die niederhaltung widerstrebender und gegenrevolutionärer kräfte, das alles gehört zum politischen teil der revolution. an welcher stelle mit welchen besonderen aufgaben, mit was nur mitteln sich die anarchisten in diesen kampf von klasse zu klasse einzureihen haben, wird größtenteils gewissenssache des einzelnen sein. er wird seine entscheidung unter dem gesichtspunkt zu treffen haben, daß ihn die zugehörigkeit zur ausgebeuteten klasse zur restlosen kämpferischen hingabe an die klasse verpflichtet daß er aber zugleich alle anstrengungen zu machen hat, der revolution ihren charakter als international verbindliche sache der weltarbeiterschaft zu erhalten, die selbstentschließung aller beteiligten kräfte gegen den anspruch ehrgeiziger, selbstsüchtiger, herrischer und staatlich gesinnter personen oder parteien zu verteidigen, die nach regierungsgewalt über die revolutionäre gieren, und der entladung der von ideen befeuerten leidenschaften, das ist der sittliche auftrieb der revolutionen die schöpferlust nicht rauben zu lassen. die anarchisten müssen in der revolution die schützer der freiheit sein.

    die soziale revolution ist ein langwieriger vorgang, der mit der niederringung der herrschenden macht beginnt und nicht endet, bevor die ordnung der freiheit nicht alle wirtschaftlichen und menschlichen beziehungen durchdringt. dazu bedarf es von der ersten stunde an der sicherung des vertrauens des gesamten werktätigen volkes zu den tatkräftigen trägern des revolutionären willens. der überzeugungslose zulauf der massen zu den parlamentarischen parteien bei wahlen hängt von wechselvollen umständen ab und flutet zwischen politischen und wirtschaftlichen einflüssen, von launischen stimmungen, marktschreierischen schmeicheleien und verleumdungen verwirrt, hin und her. die gelegentliche gewinnung der am wirklichen kampf unbeteiligten mehrzahl zur unterstützung einer um die beherrschung aller anderen bemühten gruppe, auch wenn diese gruppe sozialistische versprechungen macht, bedeutet keine einbeziehung der gleichgültigen in den kampf. alle zähldemokratie bedeutet nur die vergewaltigung der tätigen durch die untätigen. die behauptung, die arbeiter seien bereits die handelnde kraft der gesellschaft, sie hätten bereits sozialistische schulung, sozialistischen willen, selbstvertrauen und kritisches urteil genug, um die wirkung ihrer stimmzettel richtig zu bemessen, ist irreführende lüge. die ungeheure überzahl der arbeiter und aller von den reichtümern ausgeschlossenen hat gar kein vertrauen zu sich selbst, aber auch sehr wenig vertrauen zu denen, die sie nur darum mit macht bekleiden, weil sie sich selbst die ordnung der eigenen dinge nicht glauben zumuten zu dürfen. sie sind durch autoritäre beeinflussung entmutigt, selber befreiende unternehmungen zu wagen; sie sind aber von denselben autoritären kräften dazu erzogen, befreiende wagnisse anderer nicht zuzulassen. darum bildet die riesenzahl der am kampf nicht unmittelbar teilnehmenden schichten eine außerordentlich große gefahr für den sozialen sieg der politischen revolution. denn gegen den willen dieser mehrheit ist der endgültige sieg nicht möglich. die revolution ist auf ihre mindestens abwertende duldung bedingungslos angewiesen. darum ist es notwendig, zunächst die befürchtung der passiven zu widerlegen, es könne, wie stets noch jede änderung, auch der umsturz neue belastung für sie bringen. darüber hinaus aber muß die zustimmung, allmählich dann die tätige unterstützung der innerlich unbeteiligten erreicht werden. sie müssen zu der einsicht gebracht werden, daß sie mit der wahl der machthaber, von denen sie regiert werden wollen, keine überzeugung kundtun, sondern nur ihre überzeugungslosigkeit als schemel für ihre unterdrücker selber zur verfügung stehen. sie müssen erkennen, daß die regsamkeit jedes einzelnen im gesellschaftlichen leben dem eigenen nutzen dient. denn solange die machtgierigen von ohnmächtigen gebeten werden, sie zu regieren, hat die revolution noch nicht einmal die voraussetzungen ihres sieges geschaffen.

    die macht der ausbeuter zerbricht in der politischen revolution. deren stärkstes mittel, der generalstreik, führt die vol1ständige lahmlegung der gesamten wirtschaft herbei, erbringt damit zugleich nur die beiseitestehenden massen den beweis daß die kapitalistischen mächte kein brot geben können, wenn ihnen die hände des proletariats nicht dienstbar sind. mit dem augenblick aber, wo die revolution gesiegt, das heißt, die bestimmung über den öffentlichen apparat erlangt hat, hat sie vor der abwertenden masse die pflicht, zu zeigen, daß das arbeitende volk sehr wohl in der lage ist, ganz unabhängig von den kapitalistischen gewalten alles lebensnotwendige herbeizuschaffen. hier erwächst den anarchisten, mögen ihre organisationen noch so klein sein, die aufgabe, vorsorge zu treffen. sobald die rote fahne des revolutionären proletariats auf den staatsgebäuden erscheint, ist das das zeichen, daß nun die verantwortung nur die versorgung der massen auf die revolution übergeht. da muß vorher berechnet und geregelt sein, daß unmittelbar nach aufhören des allgemeinen streiks brot, fleisch, gemüse, milch für jeden tisch, stärkung und arznei für jedes kind und jeden kranken bereit ist. die zufuhr an allem lebensnotwendigen bedarf darf keine stunde verzögert werden nur wenn das gelingt, kann die revolution die allgemeine volkstümlichkeit gewinnen, ohne die sie dem huf der gegenrevolution oder der verfälschung durch eine machtzentrale erliegen muß. es wird gelingen, wenn das flache land der revolutionären sache gewonnen ist und mit den bauern vereinbarungen getroffen sind, wie je nach den örtlichen verhältnissen die verpflegung der städte durch die dörfer zu organisieren ist. solche verstandfügung mit den bauern und dem landproletariat setzt voraus, daß die landbevölkerung von der ehrlichkeit der revolutionäre überzeugt ist, nicht zu argwöhnen braucht, daß die städter sie als notwendiges tobel betrachten, mit dem man sich listig einzurichten habe, daß es proletarische auffassungen gibt, nach denen den bauern die äcker nicht genommen, sondern überantwortet werden sollen, und daß sie nicht an stelle der alten herrschgewalten des staates neuen ausgeliefert werden, sondern unabhängig von zentralen gesetzgebungsgewalten die fragen der bodenverteilung und -bearbeitung selber entscheiden werden. da der anarchismus im gegensatz zum marxismus die agrarrevolution nur die bedingung der industriellen und der gesellschaftlichen gesamtumwälzung hält, überdies in der abneigung gegen obrigkeitliche verfügungen, führeranmaßung und jeglichen zentralismus mit der bäuerlichen denkweise weitgehend übereinstimmt, erschließt sich seinen anhängern hier ein fruchtbares tätigkeitsfeld. an den anarchisten ist es, die bauern der revolution zu gewinnen und sie der freiheitlichen sache ergeben zu halten. den anarchisten fällt die aufgabe zu, kameradschaft zwischen stadt und land, gegenseitige hilfe für den augenblick der revolutionären erprobung zu sichern und damit das beste dafür zu tun, daß das vertrauen auf die soziale gerechtigkeit der revolution ihrem siege von anfang an die gunst und weiterhin die unterstützung der gleichgültigen massen einträgt.

    wie die notwendigkeiten der volksernährung in den revolutionären kampftagen schon jetzt gegenstand der überlegung willensverbundener menschen sein müßten, so sollten sich die anarchisten die aufgabe stellen, die wirtschaftliche organisation der künftigen gesellschaft in den einzelheiten zu durchdenken und vorarbeiten für die überführung der kapitalistischen zur sozialistischen wirtschaft zu leisten.

    die kindliche vorstellung, mit der besetzung der betriebe durch die arbeiter und ihre einfache weiterführung unter eigener leitung werde die revolution den übergang zum sozialismus schon bewerkstelligt haben, ist so unsinnig wie gefährlich die besetzung der betriebe ist gewiß ein ausgezeichnetes kampfmittel des unmittelbaren eingreifens, aber ein kampfmittel vor dem umsturz und zum zwecke des umsturzes. nach geschehener revolution bedarf es des vollständigen umbaues der wirtschaft. die betriebe jeder art sind unter kapitalistischen verhältnissen in einrichtung und organisation ausschließlich den gewinnberechnungen der unternehmer angepaßt. hier spricht keine rücksicht auf das verlangen der menschen mit, keine rücksicht auf die erfordernisse der gerechtigkeit, der vernunft, auf leben und gesundheit von arbeitern und verbrauchern. der bedarf wird nur insofern in betracht gezogen wie er den warenabsatz bei sicherem nutzen für die kapitalseinlagen bestimmt. auch die produktionsweise richtet sich, was rohstoffbeschaffung, massenherstellung von einzelteilen, behandlung von halbfertigwaren, beförderungsart usw. anlangt nach börsenabmachungen. was aus den waren wird, hängt nicht vom begehren des verbrauchers ab, sondern von spekulationen der fabrikanten, der zwischenhändler und der geldverleiher. eine solche wirtschaft, eine wirtschaft, unter der die mehrzahl der menschen im ganzen leben niemals zu einer auskömmlichen und gesundheitlich zweckmäßigen lebensführung kommt, während gleichzeitig die lager unter nicht verkäuflichen notwendigen gebrauchsgütern zusammenbrechen, eine wirtschaft, die viele millionen ohne arbeit in buchstäblichem hunger verelenden läßt und die gleichzeitig wichtigste nahrungsmittel verbrennt, ins meer schüttet, in den scheuern verfaulen läßt oder als dünger verwendet, eine solche wirtschaft läßt sich nicht einfach übernehmen und weiterführen. sie muß von grund aus umgestaltet werden. diese umgestaltung vorzubereiten, gehört zur praktischen gegenwartsarbeit freiheitlicher revolutionäre.

    ein muster für solche vorarbeit kann in dieser allgemeinen wegweisung des anarchismus nicht geliefert werden. man muß statistische vergleichungen vornehmen, um nach landschatten und bevölkerungsdichtigkeit den notwendigen bedarf für ernährung, bekleidung, behausung, reinlichkeit und gesundheit, verkehr und erholung festzustellen und danach einen wirtschaftsplan zu errichten, der die zweckmäßigste verteilung der arbeitskräfte in stadt und land, die sichersten und erträglichsten arbeitsmethoden und die vernünftigste organisation der zuleitung der waren zu den verbrauchern ermittelt. danach kann errechnet werden, welche betriebe bestehen bleiben, geschlossen, eingeschränkt oder erweitert werden müssen, welche industrien neu zu schaffen oder zu beleben, in welcher weise der austausch, die beschaffung von rohmaterial, das geld- oder tauschwesen in der übergangszeit und späterhin für die dauer zu ordnen ist. ohne die gründlichste beschäftigung mit allen diesen fragen, deren endliche lösung selbstverständlich dem leben selbst vorbehalten bleibt, kämen die arbeiter trotz aller revolutionären siege niemals aus dem lohnsystem heraus, kämen sie nie zu einer befreiung vom laufenden band und zur freude an ihrer arbeit, brächten niemals alle feiernden hände in tätigkeit und hätten weiterhin überfüllte speicher und darbende menschen.

    tausende von zukunftsfragen türmen sich vor den wegbereitern der gegenwart auf. mögen die anarchistischen genossen die zeit benutzen, in der die zentralistischen parteien an den paragraphen des kapitalistischen systems herumflicken und mit den faschisten wettläufe zu den staatspfründen veranstalten, die schienenwege und flußläufe auf ihre eignung zu sozialistischer verwendung zu prüfen, und die möglichkeiten zu untersuchen, wie schnellstens alle arbeitenden, alten und kranken menschen, wie alle kinder und frauen in gesunde wohnräume überführt werden können, wie mit den zwingburgen der staatsknechtschaft, den fürstenschlössern und zuchthäusern, den justizpalästen und regierungsgebäuden zu verfahren ist, welche anstalten der kunst und des wissens zu allgemeinen bildungsstätten, welche kirchen zu versammlungsräumen, zu orten wahrer gemeinschaft und zu schulen der aufklärung gegen autorität und familie, oder zu werbehallen der freiheit verwandelt werden können. der boden des sozialismus läßt sich schon in der gegenwart ebnen, aber nur in freiwilliger hingabe von sozialem geist erfüllter, kameradschaftlich verbundener, der revolution ergebener persönlichkeiten.

    der anarchistische gedanke wird von solcher vorsorgenden arbeit den größten vorteil haben. das beispiel einer nicht von oben befehligten leistung im dienste der gesamtheit wird den mut wecken, sich in allen dingen lieber auf sich selbst als auf eine vorgesetzte beamtenschaft zu verlassen. denn die anarchisten übergeben ihre durchdachten und sorgfältig errechneten vorschläge nicht irgendwelchen regierungsstellen, sondern der selbstverantwortlichen arbeiterklasse insgesamt, die selber alles prüfen, selber verbessern, selber die ausführung überwachen muß durch diejenigen organe, welche sie selbst ausschließlich nur diesen zweck bestimmt, ohne sie deswegen auch nur zeitweilig aus der tätigen gemeinschaft aller zu entlassen. diese organe werden die soziale triebkraft der revolution bedeuten, sie werden von der stunde des sieges an wirtschaft und verwaltung des gemeinwesens in den händen führen, sie werden m der zeit des überganges und während der ganzen entwicklung der sozialistischen arbeits- und gesellschaftsformen die ordnung der freiheit betreuen und verbürgen, sie werden die kommunistische anarchie schaffen und in der anarchistischen gemeinschaft die träger der föderation der arbeits- und menschheitsbünde bleiben. diese organe sind die freien räte der arbeiter und bauern.

    über wesen, sinn und aufgaben des rätesystems herrschen weithin die unklarsten vorstellungen, und selbst in den freiheitlichen arbeiterverbänden gibt es die widersprechendsten auffassungen darüber, ob und in welcher weise räte zu schaffen seien und wirken sollen. diese verwirrung ist auf die spitze getrieben durch die übernahme des rätebegriffs in staatsgesetze und kapitalistische produktionsmethoden. man hat, um der forderung der arbeiter, die betriebseinrichtungen und das arbeitsverfahren unter eigener aufsicht zu halten, scheinbar entgegenzukommen, belegschaftsausschüsse an den arbeitsstätten zugelassen, ihren mitgliedern den namen betriebsräte gegeben und damit eine revolutionäre gesellschaftswurzel in die saugpumpe der kapitalistischen ausbeutung eingebaut. zugleich hat man das dem rätewesen gegensätzlichste system der parlamentarischen auszähldemokratie benutzt, um die zusammensetzung jener mit engsten rechten ausgestatteten kontrollausschüsse von parteizentralen aus zu lenken und in ihrer abhängigkeit zu halten. selbst da, wo schon die revolution unter der losung "alle macht den räten!" den sieg der arbeiter und bauern brachte, wurden die räte staats- und parteiuntertan und, statt das öffentliche geschehen zu bestimmen und in sozialistischem geiste zu leiten, zu bloßen werkzeugen der obrigkeit erniedrigt. wenn, wie es hin und wieder vorkommt, anarchisten hieraus den schluß ziehen, die ganze räte-ldee sei nunmehr als freiheitswidrig erwiesen, so begehen sie denselben denkfehler wie jemand, der aus dem gebaren der staatsjustiz folgern wollte, es könne niemals ein gesellschaftliches recht geben. die verfälschung eines gedankens kann nicht den gedanken selbst widerlegen.

    räte als die träger der sozialistischen gemeinschaft sind die beauftragten aller am allgemeinen werk beteiligten menschen, durch die sich die gesamtheit der tätigen mit jeder einzelnen person in den gesellschaftlichen lebensprozeß einschaltet. in einer von ausbeutung befreiten zeit versieht ausnahmslos jeder mensch, der sich nicht etwa selbst außerhalb des sozialen geschehens stellt, rätedienste. nur für die zeit des revolutionären überganges müssen selbstverständlich diejenigen von aller rätearbeit ferngehalten werden, gegen die sich die revolution richtet. da es erste verpflichtung der räte ist, die kapitalistische ausbeutung abzuschaffen und das sozialistische gemeinwesen zu verwirklichen, können personen, die den sozialismus gar nicht wollen, nicht zum aufbau des sozialismus herangezogen werden. in dieser zeit fällt den räten die besondere aufgabe zu, die zwangsmaßregeln der proletarischen klasse durchzuführen, die zur brechung gegenrevolutionärer bestrebungen erforderlich sind und zu verhindern, daß sich unter berufung auf gefährdungen der revolution neue regierungsgebilde auftun, die von rätemacht reden, um ihre eigne macht dahinter zu befestigen, und die von einer diktatur des proletariates sprechen, um selber diktatoren spielen zu können.

    die anarchisten tun gut, sich des ausdrucks diktatur des proletariates so wenig wie möglich zu bedienen, obwohl bei richtigem auffassen des rätebegriffs und ohne hinterhältigkeit kaum etwas anderes darunter verstanden werden könnte als die niederhaltung von widerständen gegen die proletarische revolution durch die proletarische klasse. die zwangsmäßige unterdrückung gegenrevolutionärer verschwörungen durch bewaffnete bekämpfung, revolutionsgerichte und jede andere geeignete art von sicherungsmaßnahmen ist solange nötig, wie die besiegte klasse noch über machtmittel verfügt und angriffe auf die revolutionären rechte der arbeiterklasse zu befürchten sind. eine revolutionäre diktatur von klasse gegen klasse ist im kampfzustand unerläßlich, aber diese diktatur ist nichts anderes als die revolution selbst. jedoch kann keiner revolutionären einzelperson, keiner gruppe, keiner partei und keiner auslese der revolution das recht zugestanden werden, sozialistische proletarier, sei es unter welchen vorwänden immer, zu beherrschen und zu verfolgen. die marxisten verstehen unter diktatur des proletariates die diktatur eines marxistischen parteivorstandes, dem sie regierungsgewalt auch über die räte, das recht zur gesetzgebung, zur steuererhebung und zu jeder art vertretung der revolution, bis zu kriegserklärungen und verträgen mit auswärtigen staatsregierungen zuerkennen. dieser parteiklüngel soll sich als herrschende macht angeblich nur bis zur restlosen durchführung des sozialismus einnisten dürfen. da hingegen jede zentralistische regierungsgewalt staat bedeutet, mithin vordrängung von autorität, sonderstellung bevorrechtigter, anschlag gegen die gleichheit, so ist solche diktatur nichts anderes als neue wegbereitung für eine unterdrückende klasse, für neue ausbeutung und für alle von der revolution beiseitegeräumten schäden. die durchführung des sozialismus ist also unter solcher vorgeblich proletarischen diktatur nie zu erreichen, und die neue macht wird nicht eher abtreten, als sie nicht von einer neuen revolution zugunsten der räte endgültig verjagt ist.

    das rätesystem schafft, und hier zeigt sich seine übereinstimmung mit den anarchistischen grundsätzen, bei unverfälschter anwendung keinerlei beamtenschaft, keinerlei sonderanspruch einzelner, keinerlei umfassende machtvollkommenheit. denn ein den räten von der gesamtheit erteilter auftrag ändert in keiner weise das gleichwertige verhältnis zwischen auftraggebern und beauftragten. die räteorganisation ist die föderative zusammenfassung aller arbeitenden und verbrauchenden kräfte vom engsten kreise der interessenberührung hinauf bis zum weitesten ausmaß wirtschaftlicher verbindungen. in die räteorganisation einbezogen ist jede einzelne persönlichkeit, und die entsendung dieses oder jenes beauftragten zur wahrnehmung dieses oder jenes dienstes, zur erörterung dieses oder jenes planes, zur beratung einer frage mit örtlich entfernten rätevertretern, zur durchführung oder überwachung eines von der gesamtheit nur notwendig befundenen oder beschlossenen vorhabens, zur begründung einer meinung oder zur prüfung eines entwurfs von andrer seite, räumt dem entsendeten kein vorrecht vor denen ein, die ihn entsandt haben und entbindet auch keinen der auftraggeber von der verantwortung für die tätigkeit des beauftragten. alle aufträge bleiben an den willen derer gebunden, die ihn erteilen; wer ihn erhält, ist nichts als ausführendes organ der körperschaft, die ihm die teilarbeit überträgt, für die sie ihn geeignet hält; er ist willensvollstrecker einer bestimmten gemeinschaft, der er selbst angehört, und zwar willensvollstrecker für die bestimmte einmalige aufgabe, die ihm übertragen ist. die ungeheure vielgestaltigkeit des gesellschaftlichen lebens erfordert unzählige gesellschaftliche dienstleistungen im kleinsten wie im größten, so daß die aufteilung der gesellschaftlichen pflichten in fortwährendem wechsel alle kräfte in anspruch nimmt, alle unter ständiger aufsicht aller stehen, jeder selbstverantwortlich und gesamtverantwortlich die einheit von gesellschaft und persönlichkeit gewährleistet, wodurch die gleichberechtigung aller und die gegenseitige unterstützung in allen gemeinsamen angelegenheiten gesichert wird. jede entsendung eines beauftragten erfolgt unter dem vorbehalt der abberufung zu jedem zeitpunkt der dienstleistung, jede übernahme eines dienstes ist freiwillig und erfolgt unter dem vorbehalt des verzichts, falls sich der beauftragte der aufgabe nicht gewachsen fühlt oder einen anderen nur die wahrnehmung des gemeinsamen wohles geeigneter hält. somit sind alle wahlen, die einzelnen personen für bestimmte zeit allgemeine vollmachten überantworten, zumal wenn sie unter parteilichen gesichtspunkten erfolgen und von zentralen stellen außerhalb der unmittelbar beteiligten arbeitergruppe beeinflußt werden, parlamentarische veranstaltungen, die mit der räteorganisation der gesellschaft nicht das mindeste zu schaffen haben. räte im kapitalistischen wirtschaftsverfahren gibt es nicht: räte in der revolution bilden sich aus dem willen, das politisch und wirtschaftlich notwendige von den arbeitsstätten aus und unter ausschaltung regierender beamter in freiwilliger gegenseitiger verständigung der revolutionäre selbst zu tun; räte nach dem siege der revolution sind die beschließenden und verwaltenden organe der gesamtheit, die die ganze gesellschaft umfassen und das gefüge der ganzen gesellschaft zusammenhalten.

    der aufbau der räteorganisation stellt also keinerlei fragen der wahlberechtigung oder der wählbarkeit, der direkten und indirekten oder der verhältniswahl. solange die revolution noch um ihren bestand zu sorgen hat, beschränkt sich die teilnahme an der bestimmung des öffentlichen geschehens allerdings auf die sozialisten, die die revolution unter allen umständen direkt zu ihren letzten zielen der von räten versehenen ordnung der freiheit in der klassenlosen gesellschaft vorzutreiben entschlossen sind. sie müssen sich von den betrieben und von den wohnbezirken aus unter völliger zurückstellung aller früheren richtungszwistigkeiten und unter entschiedenster ausschaltung aller zudrängenden einmischungen von gelernten politikern und autoritären besserwissern nach der gemeinsamkeit ihres einfluß- und tätigkeitsgebietes zusammenfinden und die beratungen und pflichtverteilungen vornehmen, die der pflege des neuen geistes und der einführung der neuen gesellschafts- und wirtschaftsformen dienlich sind. dazu gehört die ineinandergreifende wirksamkeit von arbeiter- und bauernräten zur sicherstellung der allgemeinen versorgung, wie überall erzeuger und verbraucher gemeinsames vorgehen bei der wirtschaftsführung anstreben müssen. auf dem lande muß durch aufklärung und werbung, keinesfalls aber mit gewaltsamer bekehrung von den städten aus der rätegedanke einleuchtend gemacht werden, dergestalt, daß vor der ermöglichung sozialistischer gleichheit die eroberung der räte als stützpunkte für das wirtschaftlich überlegene großbauerntum verhindert wird. wo noch ausbeutung in irgendeiner form stattfindet, dürfen die räteorgane nur werkzeug der ausgebeuteten und benachteiligten sein, müssen also, soweit es sich um bauernräte handelt, vor allem die kleinbauern, die landarbeiter und die dorfarmen umfassen. die städtischen arbeiter haben beim aufbau der rätegesellschaft besonders darauf bedacht zu nehmen, daß der föderalistische charakter der sozialistischen organisation von allem anfang an aufmerksam beobachtet wird. ein rätestaat, der eine zentrale überstülpung der räteorgane in bestimmten gebietsgrenzen vornimmt, mißbraucht die räte zu ihrer eigenen entrechtung und vernichtung. eine rätegesellschaft, eine räterepublik - das wort republik bezeichnet keineswegs ohne weiteres eine staatsform sondern jede selbstverwaltung eines gemeinwesens durch das volk - eine rätewirtschaft ist nur als föderatives gebilde zu denken und kann niemals ein staat sein oder in einem staatsganzen platz finden.

    die räterepublik baut sich von unten nach oben auf ihr eigentlicher drehpunkt sind die städtischen und dörflichen ortsräte. sie können je nach verhältnissen und bedürfnis in gelegentlich oder regelmäßig zusammentretenden einwohnerversammlungen die tätigkeit der betriebs- oder ortsbezirksräte zur kenntnis nehmen, erörtern, bemängeln, erweitern und zur grundlage eigener beschlüsse machen. sie können für einzelne zwecke ausschüsse einsetzen, die teilfragen behandeln und von sich aus unter allgemeiner wachsamer kontrolle einzelpersonen mit der erledigung gebundener aufträge betrauen mögen. sie werden die gesundheitlichen, baulichen, verkehrstechnischen fragen der stadt oder des dorfes entscheiden, die schul- und rechtsangelegenheiten, den schutz der allgemeinen einrichtungen, kurz alles unter sich abmachen, was natürlicherweise von den unmittelbar beteiligten und betroffenen an ort und stelle erfüllt werden kann. zum beispiel: die justiz im staate kann niemals recht schaffen, weil sie nach zentralen anweisungen zentrale behörden über individuelle handlungen aburteilen läßt. gerechtigkeit kann nur da an der rechtsprechung teilhaben, wo die sozial schuldig gewordene persönlichkeit von ihresgleichen, mit den räumlichen und seelischen voraussetzungen der tat vertrauten menschen ohne bindung an einförmige vorschriften vernommenen, überführt und notfalls an weiteren schädigungen des allgemeinen wohls verhindert wird. in der räterepublik steht der gleiche vor gleichen, vor nachbarn und genossen. von der gemeinde aus erstrecken sich die räteverbindungen über die nachbargebiete, über provinzen und länder und ohne nationale einschränkung über den erdkreis. da mögen regelmäßige rätekongresse in provinziallandtagen oder gewerklichen oder sonst von sonderbestrebungen geleiteten reichs- und weltzusammenkünften die jeweils tagesnotwendigen vereinbarungen treffen,—der rätegedanke wird dadurch zur geltenden verhandlungsform erhoben, daß jeder abgesandte nichts als willensträger seiner örtlichen, beruflichen oder im zielstreben verbundenen entsender ist, denen er dauernd zur rechenschaft verpflichtet bleibt, die ihm ihren auftrag jederzeit entziehen und einen andern an seine stelle berufen können. in der zeit des revolutionären überganges werden die örtlichen räte und die rätekongresse mehr als späterhin gezwungen sein, den gewandteren, rednerisch und organisatorisch begabteren einzelnen zur gewinnung der noch schüchternen, staatlich verkümmerten, im selbstvertrauen ungeübten menschen eine nicht ganz ungefährliche rädelsführerschaft zuzugestehen. da wird es sache der anarchisten sein, aufzupassen, daß hieraus keine autorität, keine machtführerschaft, kein mißbrauch entsteht, und daß der revolutionäre geist nie seine sendung vergißt, der geist der freiheit zu sein.

    es wäre ein unsinniges beginnen, über die sichtbarmachung des vorgestellten gesamtbildes einer rätegesellschaft hinweg das ganze räderwerk ihrer organisation aus allen einzelteilen zusammenbasteln zu wollen. die verwirklichung einer idee gleicht selbst im vorbildlichsten falle niemals den träumen ihrer vorkämpfer. es muß daher genügen, nur das verstehen einer freiheitlichen ordnung in der kommunistischen anarchie die wichtigsten grundbedingungen des rätewesens gegenwärtig zu haben. die zusammensetzung der räte geschieht nach den natürlichen arbeits- und lebensbeziehungen. der arbeiterrat einer industriellen anlage, der zunächst wesenseins ist mit der gesamtbelegschaft, regelt im werk selbst die verteilung der pflichten nach der art der beschäftigung, berücksichtigt aber im falle etwa der beschlußfassung über einen anbau die wünsche und bedenken aller verschiedenen tätigkeitsgattungen die mit dem betriebe unmittelbar oder mittelbar verbunden sind. es hätte also ein betriebsrat sich zu bilden, dem vertreter aller abteilungen des werkes, der handarbeiter und der buchhalter, der pförtner und der fenster- und treppenreiniger anzugehören hätten, dazu bautechniker und maurer, arbeiter von werken, die mit dem betreffenden betrieb in ständiger verbindung stehen, gesundheitliche gutachter, frauen und mädchen, die irgendwie besondere interessen an dieser oder jener festsetzung haben können, vertreter der gemeinde, in deren bezirk der bau entstehen soll, und wer sonst anlaß haben möchte, die sache der seinen bei dem plan zu verfechten oder seinem rat nutzbar zu machen. in angelegenheiten eines krankenhauses haben billigerweise mitzureden ärzte und pflegepersonal, hausbetreuer und leichenbesorger, kranke und deren angehörige, architekten und handwerker. die anlage einer landstraße geht die anrainer an, die nachbargemeinden, alle die vorteil von dem bau erhoffen und die schaden von ihm befürchten, ferner ingenieure, arbeiter, geometer, elektrizitäts- und wasserbautechniker, alle, die am entwurf und an der ausführung beteiligt sind, alle, die die örtlichen verhältnisse beurteilen können, alle, die die straße begehen und befahren werden. hier bildet sich ein rat aus vertrauenspersonen aller dieser interessierten, nur den besonderen zweck, unter ständiger kontrolle arbeitend, jeder einzeln, gruppenweise oder im ganzen von den interessierten jederzeit abberufbar und ersetzbar. es scheint nicht nötig, weitere beispiele einer solchen gestaltung der öffentlichen dinge vorzuführen. jeder vermag selbst, dieses verfahren der beteiligung aller an allem in der anwendung auf sämtliche gesellschaftliche notwendigkeiten weiterzudenken und einzusehen, daß bei freiheitlichem willen dies in der tat das system ist, um die ackerbestellung und den warenaustausch, die angelegenheiten des verkehrs und die der geistespflege im engen kreise wie in weitem umfange, von der verständigung einiger nachbarn bis zur weltföderation in gang zu halten und jeden zum sachwalter aller, alle zu sachwaltern jedes einzelnen zu machen bei voller gleichberechtigung, bei voller freiwilligkeit, ohne vorrang und macht.

    hat man das wesen der räte so als den inbegriff des lebendigen zusammenklangs von persönlichkeit und gesellschaft begriffen, dann verliert die frage, ob die forderung: alle macht den räten! von anarchisten erhoben werden dürfe, jeden inhalt. vielleicht ist es nicht günstig, das wort macht in irgendeinem zusammenhange anzuwenden. doch ist diese forderung ja gerade in der bedeutung entstanden, daß jede staatsmacht gebrochen werden soll, daß alle bestimmende und ausführende gewalt von der revolution, also von der revolutionären klasse, von der arbeiter- und bauernschaft, und von deren revolutionären organen, den räten, die wiederum die gesamtheit der werktätigen verkörpern, übernommen werden soll. mit dem lebendigwerden des sozialismus schwinden die klassen, und der zwang der revolution gegen die ihr widerstrebenden gegenrevolutionäre der besiegten klasse vermindert sich stufenweise fortschreitend bis zur völligen rechtsgleichheit aller und ihrem zusammenwirken in den räten. die macht aller, ohne unterschied an der aufrichtung der staatlosen kommunistischen gesellschaft schaffenden, und dies wäre eben die rätemacht, ist natürlich keine macht mehr, da niemand da ist, über den sie geübt würde. die losung ist immerhin besser als die der proletarischen diktatur, obwohl beide dahin gedeutet werden können, daß die proletarische klasse im revolutionären kampf keine einwirkung kapitalistischer kräfte auf das öffentliche geschehen dulden wird. da das bekenntnis zur diktatur des proletariats aber das unterscheidende merkmal aller staatssozialisten geworden ist, die auch praktisch die herrschgewalt eines parteiklüngels daraus gemacht haben, und da die losung "alle macht den räten!" nur noch von autoritätsfeindlichen sozialisten ausgegeben wird, ist die sorge, hier solle die gestürzte macht durch eine neue macht ersetzt werden, überflüssig. doch wäre es, um jede verwirrende deutung auszuschließen, geraten, die anarchisten einigten sich auf die losung "alles recht den raten!" - oder auch alles den räten alles durch die räte, oder, was wiederum dasselbe ist: "alles für alle durch alle!"

    der weg zur anarchie führt nur über anarchistisches verhalten. denn wirklichkeit wächst allein aus verwirklichung. das gilt für die denk- und tatarbeit zur bereitmachung der wirtschaft, das gilt in erhöhtem maße für die bereitmachung der geister. sollen aus den menschen räte werden, in gegenseitigem vertrauen gleichberechtigt ratholende und ratgebende tatbereite und zur tat vereinigte, dann muß die revolution woanders reifen als in dem bloßen glauben, daß sich der kapitalismus auf die dauer nicht gegen den hunger und das elend der menschen werde behaupten können. er wird sich behaupten, solange er keinen widerstand findet, der sich gegen seine sittlichen grundlagen richtet, gegen die autorität und ihre verkörperungen, staat, kirche, gesetz und familie. ein solcher widerstand aber kommt nicht aus verabredungen irgend welcher art, er kommt nicht aus wissenschaftlichen lehren und nicht aus noch so kluger taktik, er kann nirgends herkommen als aus dem beleidigten gewissen des sozial bewegten menschen. zu den aufgaben der anarchisten gehört es daher, die gefühle der gerechtigkeit und der freiheit, die jedem menschen angeboren sind, aber dank der autoritären erziehung durch kirche, schule und militär und vor allem durch die vaterschaftsfamilie großenteils verschüttet unter dem bewußtsein liegen, wachzurütteln. an den anarchisten ist es, begreiflich zu machen: nicht die not ist das schlimmste, sondern daß sie ertragen wird! denn das hinnehmen von armut, während es reichtum gibt, ist geistiges versagen, ist unempfindlichkeit der seele gegen die beleidigung, werte schaffen zu müssen, an deren genuß der schaffende keinen anteil hat, und von denen, für die sie geschaffen werden, unter hungerdruck das recht erbetteln zu müssen, zu solch ertraglosem schaffen überhaupt zugelassen zu werden. voraussetzung jedes kampfes gegen die beschimpfung des menschen durch die vorenthaltung der produktionsmittel und durch die staatssklaverei ist in viel höherem maße als die kenntnis von entwicklungsgesetzen und ökonomischen zusammenhängen der freiheitliche stolz, der den ehrbegriff der anarchisten umschließt. nur wenn stolz, innere freiheit und musterhafte sauberkeit sich im benehmen der anarchisten untereinander und in der beziehung zu den vertretern anderer ansichten offenbaren, ist hoffnung, daß die befreiung der gesellschaft vom staat gelingen und zum aufbau einer föderalistischen, autoritätslosen räterepublik führen kann. anarchie ist nur von anarchisten zu schaffen; die anarchisten der gegenwart, mögen ihrer viele oder wenige sein, müssen die grundsätze der anarchie täglich und stündlich zur geltung bringen, soll die zukünftige volksgemeinschaft anarchie, sollen die menschen der zukunft anarchisten sein. darum muß in den verbindungen und verständigungen der anarchisten zur vorbereitung neuer lebensverhältnisse auf strenge gerechtigkeit im gegenseitigen verhalten gesehen werden. nie darf sich ein einzelner von seinen bevorzugten gaben als redner, lehrer, organisator, anreger verleiten lassen, alle initiative an sich reißen zu wollen. nie darf sich eine mehrheit herausnehmen, die rechte der minderheit zu schmälern. das ziel ist eine gemeinschaft, die weder mehrheiten noch minderheiten, noch faule ausgleichungen zwischen beiden kennt, wobei niemand zufriedengestellt wird; das ziel ist eine gemeinschaft, die überall einstimmige entschlüsse ermöglicht, weil sie jeder persönlichkeit erlaubt, sich an der gemeinsame ganze zu fügen. freiwillige bindung durch vertrag und kameradschaft läßt solche übereinstimmung aber in wollen und handeln in jeder vereinigung und genossenschaft zu, und der genossenschaftliche geist, den die anarchisten untereinander pflegen, wird den genossenschaften und freiwilligen übereinkünften in kultur und wirtschaft der zukunft die wege zeigen und sie zugleich ebnen.

    erst recht muß das verhalten der anarchisten in der ideologischen bekämpfung entgegengesetzter meinungen vorbildlich ehrenhaft sein. schmutzige kampfmittel, verdächtigungen, verleumdungen, krumme pfade zur irreführung von genossen und feinden schädigen unter allen umständen die überzeugende stoßkraft einer idee, deren stärke ihre reinheit ist. die autoritären marxistischen parteien legen auf die moral im kampfe keinen wert. sie geben von oben herunter an ihre anhänger richtlinien des verhaltens aus, durch die sie glauben zucht und gehorsam am besten sichern zu können. die befolgung dieser nach umständen auswechselbaren vorschriften nennen sie proletarische disziplin, jede persönliche gewissensprüfung vor der eröffnung eines kampfes um gesinnungen lästern sie als bürgerliches vorurteil. mit dieser art unterscheidung von proletarischer und bürgerlicher moral wird der gefährlichste und verwirrendste unfug getrieben. bürgerlichkeit bezeichnet nichts anderes als den gesamten ideengehalt der durch die kapitalistische wirtschaftsweise geschichtlich bestimmten gesellschaftsform. durch die übersteigerung der kapitalistischen ausbeutungsformen und die hochzüchtung des imperialismus, das ist die aussaugung abhängig gemachter fremdgebiete für gewinnzwecke der kapitalisten des erobernden staates, hat sich der ideengehalt der gegenwärtigen gesellschaftsform teilweise derartig entsittlicht, daß die auf sozialem rechtsgefühl gegründete natürliche moral der menschen revolutionäre abhilfe heischt. wird unter proletarischer moral die moral der gleichheit und gegenseitigkeit verstanden, die sich der unsozialen macht mit dem revolutionären zorn des beleidigten und entrechteten entgegenwirft, so ist hier die sittliche unterscheidung von einer bürgerlichkeit am platze, die da meint, ihre eigennützigen versklavungsmethoden mit jeder roheit, jeder tücke und jeder seelischen verknechtung verteidigen zu dürfen. wird aber den proletariern gesagt, in ihrem kampfe gegen unterdrückung und schändung seien lüge und verleumdung, hinterlist, doppelzüngigkeit und verräterei erlaubte und gegebenenfalls sogar innerhalb der eigenen richtungskämpfe gebotene klassenwerkzeuge, so kann nicht vernehmlich genug betont werden, daß hier die verfallsmoral des bürgertums blasen treibt, gerade die verfallsmoral, die die revolution gegen das bürgertum notwendig macht. in gewaltsamen auseinandersetzungen bestimmt der feind die waffen, die gegen ihn gebührt werden müssen. aber da werden die waffen offen getragen, und die moral ist bei dem teil, der für die gerechtere sache kämpft. im ideenkampfe dagegen ist die moral bei dem teil, der ohne falsch ist und die fahne der reinen überzeugung vor sich herträgt. die anarchisten weisen eine moral weit von sich, die die ursprünglichen begriffe von recht und unrecht verleugnet. das ist keine proletarische moral, das ist arglist und untreue, die auch nicht wesensmerkmal der bürgerlichkeit schlechthin ist, sondern ausdruck ihrer verdorbenheit im bloßen materialismus. soll das proletariat die erneuerung des menschlichen rechtes bringen, so muß es das recht zu seiner sendung in seinem sittlichen verhalten pflegen und bereit finden. die zentralistischen parteien indessen sammeln proletarier um sich, denen sie mit schönen worten zum munde reden; aber hinter ihren worten verbergen sich machtabsichten, und diese machtabsichten verdecken lügen, die die arbeiter zu ganz andern zwecken in den kampf vor treiben als sie selbst denken. diese parteien erklären lügen und hinterhältigkeiten für einwandfreie list und betrügen, indem sie die kämpfer zu betrug verführen, die kämpfer selbst. den abscheu dagegen, daß man mißerfolge zu erfolgen umlügt, verspotten sie als bürgerlich. da es aber noch viele bürger gibt, in denen das gerechtigkeitsgefühl keineswegs abgetötet ist, die daher aus ihrem natürlichen empfinden heraus im augenblick der entscheidung einer von idealen getragenen revolution leicht gewonnen werden könnten, stärkt die sittliche unzuverlässigkeit bei den proletariern die herrschende klasse sogar moralisch, stößt die menschlich sauberen vom bündnis mit dem proletariat zurück und zersplittert die arbeitende klasse durch gegenseitiges mißtrauen und erbärmlichen bruderzwist. die lüge ist die natürliche notwehr machtloser um die möglichkeiten der macht einzudämmen und der autorität auszuweichen. kinder belügen ihre eltern, eheleute belügen einander, schüler, rekruten, untergebene, fromme belügen die lehrer, feldwebel, vorgesetzten, geistlichen, weil sich ein gesundes freiheitsgefühl gegen die zumutung aufbäumt, rechenschaft in dingen ablegen zu sollen, die man mit sich selbst abzumachen hat. da sündigt nicht der lügner, da sündigt der belogene gegen die wahrheit, denn wo macht ist, findet die wahrheit keine luft zum atmen. wo aber gelogen wird, um macht zu erringen, da ist die lüge ein anschlag auf die freiheit, und die revolution wird den sozialisten die aufgabe stellen, nicht allein die machthaber des alten systems zu vertreiben, sondern die führer des proletariats zur rechenschaft zu ziehen und keinen von ihnen zur mitarbeit am neuen werden zuzulassen, der je die menschen getäuscht hat, welche ihm glauben schenkten, wenn er von freiheit sprach, der je die versicherung abgab, er sei nur dienendes organ seiner auftraggeber und den vorbehalt verschwieg, daß er es war, um ihr beherrscher zu werden.

    duldsamkeit untereinander und wahrhaftigkeit gegen alle ist bedingung zum siege. die ordnung der freiheit hängt ab von der aufrichtigkeit aller, die die freiheit errichten wollen. aus lippenbekenntnissen entsteht keine neue welt. die anarchisten, die die neue welt der freiheit, der gleichheit, der gegenseitigkeit, der gerechtigkeit, der wahrhaftigkeit und der verbundenheit aller mit allen schaffen wollen, müssen ihre bekenntnisse in taten kleiden. das heißt, sie müssen ihr leben führen, wie sie wünschen, daß es in der staatlosen gesellschaft des kommunismus von allen zu führen sei. die forderung ist nicht, daß jemand aus der kapitalistischen fron ausbrechen sollte oder könnte: das joch des staates kann nur in gemeinsamem kampf gebrochen werden. daher ist die verletzung der staatsgesetze keine forderung des täglichen lebens. aber eine heiligkeit der gesetze gibt es so wenig wie eine heiligkeit des eigentums. hochachtung vor den gesetzen und den staatsmächten kann von niemandem verlangt werden. für den anarchisten ist das gesetzbuch ein fahrplan, um in der gesellschaft die nötigen anschlüsse zu finden, mit dem er bis zur revolution wohl oder übel leben muß, weiter nichts. aber der anarchist geht keine freiwilligen verpflichtungen ein, die seine selbstbestimmung beeinträchtigen oder ihn einer autorität unterwerfen können. er hat in keiner kirche etwas zu suchen und bekleidet keine staatlichen ehrenämter. wird er gezwungen, als geschworener oder schöffe den richter über andere menschen zu spielen, so urteilt er nach seinem sozialen gewissen, das dem staat das recht bestreitet, unglückliche zu bestrafen, die über die vom kapitalismus gelegten fallstricke gestrauchelt sind. soll er gezwungen werden, in den krieg zu gehen, um nur fremden vorteil seinesgleichen zu töten, so weigert er sich, es zu tun und stirbt lieber für die eigene überzeugung als für das geschäft seiner quälgeister. in seinem hause übt er keine autorität, noch duldet er sie. in den dingen des geschlechts geht er die wege, die er für richtig hält, ohne sich darum zu kümmern, welche wege andere menschen gehen. keine frau gehört einem mann, kein mann gehört einer frau. was zwei mündige menschen in der verschwiegenheit tun, um einander zu erfreuen, ist niemals sache eines dritten, nicht des ehemanns noch der ehefrau nicht des nachbars noch des genossen, nicht der kirche noch des staates. anarchist und anarchistin sind nicht beherrscher ihrer kinder, sondern ihre kameraden und helfer. wer seine kinder prügelt, mißbraucht seine körperliche überlegenheit zur errichtung eines machtverhältnisses, festigt dadurch die macht und autorität von staat und kapital und verseucht, indem er den machtwahn in sein kind hineinschlägt, auch das geschlecht der zukunft. der anarchist glaubt nicht an götter noch an gespenster, nicht an priestersprüche noch an die behauptungen der wissenschaftler, die er selbst nicht nachprüfen kann. er fragt nicht nach dem klatsch der straße noch nach der mode in den angelegenheiten der kunst und der weltanschauung. er geht seinen weg geradeaus, verantwortlich sich und seinem gewissen, verantwortlich der menschheit, die er eins weiß mit sich und seinem gewissen. er tut das rechte da er weiß, was recht ist. denn recht und freiheit ist das gleiche, wie gesellschaft und persönlichkeit das gleiche ist. aus dem recht wächst die gleichheit des kommunismus, aus der gleichheit die freiheit der anarchie!
     

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