von Thomas Loy (gekürzte Version)
Das Tommy-Weissbecker-Haus feiert seinen 30. Geburtstag. Noch immer werden hier Trebegänger aufgenommen.
Otto ist eher scheu und versteckt sich lieber wenn Fotos gemacht werden. Jemand von der Zeitung? "Schrecklich", raunzt er. Aber wenn sein Haus, das Tommy-Weissbecker-Haus, 30. Geburtstag feiert, geht das nicht ohne Otto, den Hausmeister.
Das Weissbecker-Haus in der Wilhelmstrasse ist eines dieser stolzen Monumente aus studentenbewegter Zeit. 1973 gab der Senat das leerstehende Gebäude an eine Gruppe von Trebegängern, die eine Alternative zum Leben in geschlossenen Jugendheimen suchten. Mit einer Hausbesetzung hatten die Jugendlichen zuvor Druck ausgeübt. Die CDU protestierte gegen das Projekt. Die Polizei machte Hausdurchsuchungen.
Im Haus geht es heute mehr um "Soziales", sagt Tille, der seit fünf Jahren dabei ist. Der Trägerverein SSB (Sozialpädagogische Sondermaßnahmen" muss selbst mit sinkender Förderung auskommen.
Vier Zimmer im Haus werden als "Notaufnahme" für Trebegänger freigehalten. Ansonsten leben hier rund 40 Leute, mit völlig unterschiedlichen Biografien. Einige kommen vom Jugendamt, viele über Mundpropaganda oder direkt von der Straße. Heimflüchtige sind eher selten geworden. Genaue Ausnahmekriterien gibt es nicht. Jeder zahlt ein "Nutzungsentgeld" von 179 Euro und ist gehalten, sich an der Selbstverwaltung, am Küchen- und Putzdienst zu beteiligen.
Otto wohnt am längsten hier. Mit 50 ist er auch einer der Ältesten im Haus. Muss wohl so 1976 gewesen sein, dass er vors Etagen-Plenum trat und um seine Aufnahme bat, weil er in seiner Männer-Wg Stress hatte. Vorher war er zwölf Jahre im Heim, wegen Schuleschwänzen: "Ich wollte nicht lernen. Zu faul." Er kam ins "Lehrlingsfindungsheim" und lernte "Wäscher und chemischer Reiniger". Gern erzählt er das nicht. "Die Leute lachen immer, wenn sie das hören."
Beim Hausmeistern redet ihm keiner rein - deshalb behielt Otto den Job über all die Jahre. Nach den Polizeirazzien war ja immer gut zu tun. Und Otto, den sie auch King Kong nennen, packt mit an. Wenn alle Hand anlegen, machte Otto eben auch mit. "Das ist gut fürs seelische Gleichgewicht. Man kann ja nicht immer nur reden."