"Weg von der Straße..." ist ein Film über das Leben im Tommy-Weisbecker-Haus und darüber, wieso die Trebegänger es damals nach dem ermordeten Anarchisten Thomas Weisbecker benannten und die Entführung von Peter Lorenz "total geil" fanden. Besetzt worden war es in den 70ern von Jugendlichen, die den Verhältnissen, den Heimen und der Straße entkommen wollten, die Etagen haben auch heute noch Zimmer für Leute auf Trebe (jugendliche Obdachlose).
Interviewt werden ehemalige Besetzer der ersten Stunde, Ralf Reinders (Bewegung 2.Juni), Nachbarinnen, Sozialarbeiter und natürlich Bewohner und Aktivistinnen.
Der Film zeigt, wie die heutigen Bewohnenden ihr Leben organisieren, noch immer zusammen mit vielen Hunden. Im Haus darf man laut sein. Hier werden politische Veranstaltungen und Konzerte organisiert.
Auf den Etagen wohnen Musiker, im Keller proben Bands, andere treten in Kneipe und Saal auf. Musik von sechs Berliner Formationen ist im Film zu hören, weil sie dazu gehört zum etwas punkigen und noch immer engagierten linken Projekt Tommy-Weisbecker-Haus.
BRD 1996, 50 min.,
P.: Videoini im Stattkino Berlin e.V.
Das Video ist im Verleih von:
Autofocus,
Lausitzerstr. 10, 10999 Berlin,
Öffnungszeiten: Mo.-Fr. 16-18 Uhr
Tel.. 030 - 6188002 (?), Fax.: 030 - 6111583 (?),
e-mail:
autofocus@ipn-b.comlink.apc.org (?)
Grundsätzlich sind auch die Filmemachenden bereit,
an Veranstaltungen mit Videovorführung teilzunehmen.
Kontakt über:
Stattkino Berlin e.V.,
Schliemannstr.5, 10437 Berlin,
Tel.: 030 - 44008843, Fax.: 030 - 44008845,
e-mail stattkino@sozkult.de
Anfang der 70er Jahre begannen Teile der Jugend- und Studierendenbewegung in Deutschland leerstehende Häuser zu besetzen. Sie verliehen damit ihren Forderungen nach selbstverwalteten Jugendzentren und einer anderen Stadtplanungspolitik Nachdruck und wollten alternative Wohnzusammenhänge schaffen.
Eines der ersten durch Besetzung erkämpften Häuser in Berlin war 1973 das kriegsbeschädigte Haus in der Wilhelmstraße 9. Die Besetzer wollten nach schlechten Erfahrungen im Elternhaus, während der Trebe und vor allem mit staatlichen Einrichtungen das jahrelang leerstehende Haus in einen gemeinsamen Lebensraum umwandeln. Ihr Ziel war die Gründung von Wohnkollektiven. Aber auch Arbeitskollektive sollten entstehen und alternative Kulturarbeit geleistet werden.
Das Haus wurde nach Thomas Weisbecker benannt, der vor der Besetzung von der Polizei erschossen wurde. Weisbecker war in der Berliner Blues- und Unter-/Übergrundszene bekannt. Die Namensgebung war seinerzeit ein provokantes Signal gegen die Unterdrückung von Gegenkultur mit Waffengewalt durch staatliche Organe und ein Ausdruck der Solidarität innerhalb der linken Bewegung.
Gerade diese Solidarisierung führte in den ersten Jahren zu brutalen Polizeiübergriffen mit Zerstörung der Einrichtung und Schikane gegen die Bewohnenden, die sogar Amnesty International auf den Plan riefen. Begründung war die angebliche geistige Nähe des Tommy Weisbecker Hauses mit dem bewaffneten Kampf u.a. der Bewegung 2. Juni.
Trägerverein wurde der ssb - sozialpädagogische sondermaßnahmen berlin - der als juristische Person Verhandlungen mit dem Senat aufnahm. Schließlich wurde das Projekt durch einen Erbpachtzinsvertrag mit dem Land Berlin legalisiert. Das Haus wurde als einziges Gebäude der südlichen Friedrichstadt von seinen Bewohnenden in Selbsthilfe saniert.
Die Senatsverwaltung für Soziales finanzierte eine Sozialarbeiterin, bis Ende der 80er Jahre auch einen Hausmeister und eine Verwaltungskraft. Es folgten Versuche des Senats, das Haus über Kürzungen der Zuwendungen zu schließen. Anfang der 90er Jahre wurden die Mittel für Räumlichkeiten gestrichen, die nicht zu Wohnzwecken benutzt wurden. Das betraf vor allem die Gemeinschaftsräume. Die Notwendigkeit zur Selbstfinanzierung führte zur Vermietung des Dachbodens an verschiedene Kampfkunst- und Tanzgruppen, der Plenumraum wurde zum Café "Linie 1" umgewandelt, die Ausbildungswerkstatt wurde renoviert und ist heute ein mietbarer Saal für Konzerte und private feierliche Anlässe.
Die verschiedenen Büros des Hauses wurden weiterhin von unterschiedlichen Initiativen benutzt. Neben vielen anderen Aktivitäten leisteten hier teilweise bis heute Infotelefone, Flüchtlings- und Gefangenenunterstützung, Knast+Trebehilfe, Solidaritäts- und andere Selbstschutzprojekte und -gruppen organisatorische Arbeit.
Zur Zeit wohnen auf vier Etagen um die 40 Leute. Über Hausplenum und regelmäßigen Treffen der Etagen und Arbeitsgruppen bestimmen die Bewohnerinnen und Bewohner hier selbst, wie sich das Haus nach außen darstellt, wer ein- oder auszieht und wie das gemeinsame Wohnen/Leben und die anfallende Arbeit organisiert wird.
Die Zukunft des Hauses ist allerdings alles andere als sicher. Das Tommyhaus liegt innerhalb des kommenden Parlamentsviertels der neuen Bundeshauptstadt Berlin. Es ist zu einer politischen Bekenntnisfrage geworden, ob das Tommyhaus als potenzielles Sicherheitsrisiko eingeschätzt wird, das letztendlich verschwinden muß.
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